Baurechts Jour Fixe: Rechtsfragen und Haftung beim Zusammenwirken verschiedener Gewerke

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Bernhard Kall und Heinrich Lackner

Am 11. Oktober 2017 luden die Baurechtsexperten RA Dr. Bernhard Kall und RA Mag. Heinrich Lackner bei Müller Partner Rechtsanwälte zum Jour Fixe mit dem Thema „Der technische Schulterschluss – Rechtsfragen und Haftung beim Zusammenwirken verschiedener Gewerke“ in die Räumlichkeiten der Wiener Wirtschaftskanzlei Müller Partner.

Kall und Lackner haben sich nicht ohne Grund dem Thema des „technischen Schulterschlusses“ angenommen. Immerhin sind moderne Bauwerke weitaus mehr als Konstruktionen aus Ziegel, Stahl, Beton und Glas. Was heutzutage gebaut wird, ähnelt vielfach Hightech-Anlagen, für deren Entstehen unterschiedlichste Baustoffe und verschiedenste Technologien zusammenwirken müssen. Berücksichtigt man den Zeit- und Kostendruck, dem praktisch die gesamte Branche – von der Planung bis zur Umsetzung – ausgesetzt ist, verwundert es nicht, dass die Schnittstelle rasch zur „Soll-Bruchstelle“ eines Bauvorhabens werden kann.

Kall eröffnete den Abend mit dem Thema Koordinierung der Werkherstellung durch den Bauherrn (Auftraggeber). „Obwohl die Projekte immer komplexer geworden sind und dieser Befund auch für die zugrunde liegenden Vertragswerke gilt, ist und bleibt die Koordinierung eine Kernaufgabe des Auftraggebers“, betonte Kall. Kritisch sieht Kall die Tendenz, dass Bauherren vor allem bei Großprojekten versuchen, den Auftragnehmern im Vertrag mehr und mehr Koordinierungsaufgaben zu übertragen. „Die pauschale Überwälzung der Koordinierungspflicht ist meiner Meinung nach unzulässig“, resümierte Kall.

Lackner knüpfte an diese Ausführungen an, wechselte jedoch die Perspektive. „Sämtliche Beiträge, die von Auftraggeberseite kommen, unterliegen der Prüf- und Warnpflicht durch die Auftragnehmer“, stellte Lackner klar. Die Auftragnehmer haben ihren Vertragspartner zu warnen, falls etwa Baugrund, Baustoffe, Pläne und alles sonst, was ihnen im Rahmen der Ausführung zur Verfügung gestellt wird, untauglich sein sollte. Das gilt auch für die Koordinierung durch den Auftraggeber und besonders dort, wo es um Vorleistungen geht.

Eine spezielle Rolle kommt hierbei Architekten, Planern und Sonderfachleuten zu, die der Auftraggeber beizieht. Sie gelten als fachkundige Berater des Auftraggebers, für deren Fehler der Auftraggeber haftet. „Klar ist, dass den Aufraggeber ein Mitverschulden trifft, wenn er oder seine Berater etwa einen Fehler im Plan erkennen konnten, diesen aber nicht aufzeigen. Mittlerweile nicht mehr klar ist, unter welchen Voraussetzungen er sich das Verschulden seines Planers zurechnen lassen muss, was letztlich ja zu einer Haftung z.B. des Architekten führt“, fasste Lackner jüngste Entscheidungen des OGH zusammen. Aus Sicht von Lackner ist dies sehr kritisch zu sehen, da der OGH damit für große Rechtsunsicherheit sorgt. Schließlich ist es völlig dem Einzelfall überlassen, wann der Berater des Auftraggebers haftet und wann nicht.

Fazit: Das Zusammenwirken verschiedener Gewerke wird Bauherren, Planer und Bauausführende auch in Zukunft vor viele Herausforderungen stellen. Auch im 21. Jahrhundert sind längst nicht alle Rechtsfragen geklärt, wie ein Blick in die aktuelle Rechtsprechung zeigt.

Im Anschluss an den Jour Fixe tauschten zahlreiche Gäste, darunter unter anderem Teilnehmer von Bauherren und Vertreter der Bauindustrie und des Baunebengewerbes wie gewohnt in gemütlicher Atmosphäre ihre Erfahrungen aus.

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Foto: beigestellt

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