Crowdfunding-Gesetz beschlossen

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Keyvan Rastegar
Keyvan Rastegar

Der Nationalrat hat am 7.7.2015 das Crowdfunding-Gesetz (Alternativfinanzierungsgesetz, AltFG) einstimmig verabschiedet; das AltFG soll am 1.10.2015 in Kraft treten.

Für Crowdfunding wird damit erstmals eine rechtliche Grundlage geschaffen. Überhaupt wird der Kapitalmarkt grundlegend modernisiert. Österreich nimmt dabei eine führende Rolle in Europa ein.

Bislang war die Rechtslage wenig zufriedenstellend:

  • KMUs mussten ab € 250.000 einen kostspieligen Prospekt erstellen und von der FMA billigen lassen.
  • Anlegern fehlte die Klarheit bei der Veranlagung kleinerer Beträge.
  • Crowdfunding Plattformen wie CONDA oder DasErtagreich fehlte die Rechtssicherheit beim Marktauftritt

Durch die Novelle wird ein Interessenausgleich geschaffen. Die Prospektpflicht erfährt drei Stufen: „voller“ Prospekt, vereinfachter Prospekt (sog. Prospekt „Light“) und Informationsblatt. Zum Schutz der Anleger wurden auch Wertgrenzen und Rücktrittsrechte eingeführt. Schließlich erhalten Crowdfunding Plattformen Rechtssicherheit darüber, welche Konzession (GewO, allenfalls WAG) erforderlich ist.

Die Eckpunkte der Novelle sind:

  • Prospektpflicht: Grundsätzlich wird die Wertgrenze, ab der „volle“ Prospektpflicht besteht, auf öffentliche Angebote von mindestens € 5 Mio angehoben.
  • Prospektpflicht „Light“: Alle öffentlichen Angebote von € 250.000 bis unter € 5 Mio unterliegen nun grundsätzlich der „Prospektpflicht Light“.
  • Informationsblatt nach AltFG: Von der Prospektpflicht ausgenommen sind grundsätzlich öffentliche Angebote bis €1,5 Mio von Alternativen Finanzierungsinstrumenten von KMUs an 150 oder mehr potentielle Anleger. Dafür erhalten Anleger ein überschaubares „Informationsblatt“. Anleihen und Aktien lösen allerdings selbst nach AltFG bereits ab € 250.000 die Prospektpflicht Light aus.

Als KMUs gelten Unternehmen unter 250 Mitarbeitern, maximal € 50 Mio Jahresumsatz oder maximal € 43 Mio Jahresbilanzsumme.

Alternative Finanzierungsinstrumente sind neben den klassischen Finanzierungsformen wie Aktien, Anleihen, Geschäftsanteilen an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften und stillen Beteiligungen, auch Genussrechte und Nachrangdarlehen – Modelle, die in Österreich durch Crowdfunding stark an Bedeutung gewonnen haben. Grundsätzlich darf dem Anleger kein unbedingter Rückzahlungsanspruch gewährt werden (das grenzt das konzessionspflichtige Einlagengeschäft nach dem Bankwesengesetz ab) und er darf nicht zur Leistung eines Nachschusses verpflichtet werden.

Die Informationsstufen im Überblick:

crowdfunding

  • Anlagebeschränkungen: Dafür, dass Transparenzanforderungen im Anwendungsbereich des AltFG reduziert sind, sind Investitionen pro Anleger auf € 5.000 pro Emission beschränkt. Eine höhere Investition ist möglich, wenn der Anleger „Auskunft erteilt“, dass er maximal die Hälfte seines durchschnittlichen (über 12 Monate gerechnet) Netto-Monatseinkommens oder maximal 10% seines Finanzanlagevermögens investiert.
  • Rechtsfolgen der Informationspflichtverletzung: Kommt ein Emittent seiner Verpflichtung zur Veröffentlichung des Informationsblattes nach dem AltFG nicht nach, kann der Verbraucher von seiner Investition zurücktreten.
  • Crowdfunding-Plattformen wissen jetzt, dass sie grundsätzlich eine Gewerbeberechtigung als gewerbliche Vermögensberater benötigen. Sollten sie auch bestimmte Wertpapiere (wie insbesondere übertragbare Wertpapieren und Derivate) vermitteln, ist eine Konzession als Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem WAG erforderlich. Außerdem unterliegen Plattformbetreiber selbst Informationspflichten, darunter offenzulegen, welche Auswahlkriterien sie bei der Zulassung von Emittenten anwenden.
  • Verwaltungsstrafen: Verletzungen des AltFG sind mit Verwaltungsstrafe von bis zu € 30.000 bedroht. Zuständig sind ist die Bezirksverwaltungsbehörden (und nicht etwa die FMA).
    In der Gesamtbetrachtung ist mit diesem Gesetz ein Meilenstein für KMUs und den österreichischen Kapitalmarkt erzielt worden.
    Ganz erlöst können aber Unternehmer, Plattformen und Anleger noch nicht aufatmen – es gibt weiterhin eine Zahl an gesetzlichen Unklarheit und Wertungswidersprüche.

Als Beispiele seien nur erwähnt:

  • Bei Investitionen unter € 250.000 werden KMUs, die Alternative Finanzierungsinstrumente an +150 Anleger anbieten, jetzt strenger behandelt als Nicht-KMUs – eine unsachliche Ungleichbehandlung. Ein KMU hat also höhere Kosten, strengere Regeln und muss ein Informationsblatt herausgeben, wohingegen ein größeres Unternehmen (wie auch bisher) ohne Informationsblatt und Investitionsbeschränkungen von Anlegern Kapital öffentlich einsammeln kann.
  • Das Informationsblatt nach AltFG genügt beim typischen Online-Crowdfunding nicht: es gibt weitere Informationspflichten nach dem Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz (FernFinG). Ein Unternehmen, das sich auf das „Formblatt für Information von Anlegern“ gemäß Musterverordnung des BM für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft verlässt, und nicht zusätzlich nach dem FernFinG aufklärt, könnte Rücktrittsrechten von Konsumenten, allenfalls Schadenersatz ausgesetzt sein.
  • Investitionen unter € 100.000 sind im AltFG anders geregelt, als die erläuternden Bemerkungen suggerieren – nach dem Gesetzeswortlaut kommen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (öffentliches Angebot von KMU, Alternatives Finanzierungsinstrument, 150+ potentielle Anleger) dennoch vor allem die Anlagebeschränkungen zur Anwendung, wohingegen die erläuternden Bemerkungen die Anwendbarkeit das AltFG (und damit auch der Anlagebeschränkungen) unter € 100.000 in Frage stellen.
  • Weniger glücklich ist die gesetzliche Verankerung des Verbots des „unbedingten Rückzahlungsanspruchs“ – ein Alternatives Finanzierungsinstrument darf also keine Bestimmung enthalten, dass der Anleger ohne Wenn und Aber Rückzahlung erfährt – bei Darlehen beispielsweise bedeutet das, dass eine „qualifizierte Nachrangigkeitsklausel“ aufgenommen werden muss, die die Rückzahlung des Investors bei wirtschaftlicher Schwäche des Unternehmens hinten anstellt. Das schadet dem Anleger, aber nützt weder dem Unternehmen noch der Crowdfunding-Plattform, sondern dient primär dem Schutz des Bankenmonopols für Darlehen. Ob das sinnvoll ist, bleibt fraglich, da Bankfinanzierungen in der Frühphase selten geeignet sind.
  • Unklar bleibt auch die „Kohärenzprüfung“, wonach unter anderem Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftskammern, Unternehmensberater oder Vermögensberater das Informationsblatt auf „Kohärenz, Vollständigkeit und Verständlichkeit“ prüfen sollen. Das Gesetz lässt sowohl offen, was die Bestätigung konkret ausweisen soll, ebenso, was die Rechtsfolgen dieser Prüfung und Bestätigung sind. Erstaunlich ist auch die Möglichkeit des Emittenten, über die „Prüfungsinhalte“ eine Versicherung abzuschließen – also eine „Kohärent-Vollständig-Verständlich“ Versicherung.

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Dr. Keyvan Rastegar, , LL.M. (Harvard)

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