Haftungsprivileg und Versicherung im Vereinsrecht 2012

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Haftungsprivileg und Versicherung im Vereinsrecht 2012

Die am 1. Jänner 2012 in Kraft getretene Novelle des Vereinsgesetzes soll eine wesentliche haftungsrechtliche  Besserstellung für ehrenamtlich tätige Vereinsfunktionäre bringen. Die rechtspolitische Zielsetzung scheint hierbei insgesamt aber nicht hundertprozentig treffsicher, weil der bisherige Haftungsmaßstab durch Einzelvereinbarung oder in den Vereinsstatuten recht einfach beibehalten werden kann. Wenn nicht anderweitig vereinbart, gilt das neue Haftungsprivileg (Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) für alle Handlungen und Unterlassungen, die nach dem 31. Dezember 2011 von Ehrenamtlichen gesetzt werden.

Zielsetzung der Novelle. Kaum ist das von der EU als das „Europäische Jahr der Freiwilligen“ ausgerufene Jahr 2011 vorbei, bemüht sich der Gesetzgeber – in prinzipiell durchaus begrüßenswerter Weise – die Voraussetzungen für das ehrenamtliche Engagement der sprichwörtlichen österreichischen „Vereinsmeier“ zu verbessern (VerGNov 2011 BGBl I 2011/137, ausgegeben am 28. Dezember 2011). Nach Angaben der Innenministerin sind aktuell mehr als drei Millionen Menschen in Österreich in rund 116.500 Vereinen organisiert und leisten 15 Millionen unentgeltliche Arbeitsstunden pro Woche. Es lässt sich kaum abschätzen, welchen immensen Wert gemeinnütziges Engagement für die Gesellschaft hat. In der Praxis beobachten wir jedoch das Phänomen, dass ein Großteil dieser unentgeltlichen Arbeit meist nicht von einfachen Mitgliedern, sondern von den Funktionären erbracht wird. Und es wird vielfach berichtet, dass es zunehmend schwieriger werde, Nachwuchs für solche Funktionärsämter zu finden. Dem entgegenzuwirken, ist das erklärte Ziel der Vereinsgesetz-Novelle.

Freiwilliger vs Profi. Dass die Übernahme von Funktionen in Vereinsorganen mit nicht unerheblichen Haftungsrisiken verbunden sein kann, muss wohl nicht näher ausgeführt werden, scheint aber mit ein Grund zu sein, weshalb potentiell sehr engagierte Menschen eine solche Position bisweilen ablehnen. In Zeiten der zunehmenden Professionalisierung der Gesellschaft wünschen sich besonders qualifizierte Kandidaten oft eine zumindest den tatsächlichen Zeitaufwand abdeckende Entlohnung, wenn nicht nur pro forma eine Funktion übernommen, sondern diese auch mit werthaltiger Arbeit gefüllt werden soll. Der Sorgfaltsmaßstab, der an einen solchen bezahlten Profi angelegt wird, war und ist verständlicher Weise ein anderer als jener, an dem sich ein unentgeltlich zur Verfügung stehender Freiwilliger messen muss. Schon nach der bisher geltenden Rechtslage war es vorgesehen, dass „bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs […] eine Unentgeltlichkeit der Tätigkeit zu berücksichtigen“ ist. Wie genau diese Berücksichtigung aussehen soll, brachte laut Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle Unsicherheiten und Auslegungsschwierigkeiten in der Praxis, welche nun einer Klärung zugeführt werden sollen. Der Gesetzgeber wählte die „klassische“ Grenze und befreit die Ehrenamtlichen (jedoch nur diese!) von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit, sofern im Einzelfall nichts anderes vereinbart wurde. Weniger Schwierigkeiten gab es bisher (vielleicht aber auch nur mangels ausjudizierten Anlassfalles) mit der Abgrenzung, ab wann ein Funktionär als unentgeltlich tätig anzusehen sei: Außer einer Aufwandsentschädigung darf kein Entgelt bezogen werden. Diese Entschädigung darf auch „angemessen“ pauschaliert werden – aber wo ist im Einzelfall die Angemessenheitsgrenze zu ziehen?

Versicherung statt Haftung. Weil für bezahlte Funktionäre schon länger eine verschärfte Haftung galt, wurde es üblich, das Haftungsrisiko mittels sogenannten „D&O-Versicherungen“ (Directors and Officers-Haftpflichtversicherungen) abzufedern. Diese Versicherungen dienen nach herrschender Auffassung dem überwiegenden Wohl des Vereins, weil sie das Risiko der Insolvenz des Schädigers im Fall eines internen Regresses abfangen. Sie stellen keinen steuerrelevanten Entgeltsbestandteil für den Funktionär dar, obwohl sie zugleich auch dessen vermögensspezifische Interessen decken. Solche D&O-Versicherungen sind bei Kapitalgesellschaften inzwischen üblich, werden zunehmend auch für ehrenamtliche Funktionen nachgefragt und der Gesetzgeber behandelt nunmehr erstmals den Versicherungsumfang bei Freiwilligenarbeit: Die Versicherung hat auch ein externes Haftungsrisiko abzudecken und dafür einzustehen, dass der Funktionär, wenn er von einem geschädigten Dritten direkt in Anspruch genommen wird, vom Verein für eine solche Haftung „befreit“ wird.

Internes und externes Haftungsrisiko. Der Verein als juristische Person ist der Träger aller Rechte und Pflichten und prinzipiell wird er allein durch die Handlungen seiner vertretungsbefugten Funktionäre berechtigt und verpflichtet. Wenn ein Organwalter also einem Dritten in Ausübung seiner Funktion einen Schaden zufügt, so haftet diesem Dritten gegenüber generell nur der Verein, und dieser kann sich wiederum an seinem Funktionär regressieren („internes Haftungsrisiko“). Wird der Funktionär aber vom Dritten direkt in Anspruch genommen („externes Haftungsrisiko“), so soll ersterer dem Verein den Streit verkünden und ihn zum Prozessbeitritt einladen. Unterlässt der in Anspruch genommene Organwalter dies, so kann ihm der Verein in einem späteren Prozess alle unausgeführt gebliebenen Einwendungen entgegensetzen, als „erkannt wird, dass diese […] eine andere Entscheidung gegen den Dritten veranlasst hätten“. Damit folgt das neue Gesetz dem Wege der Dienstnehmerhaftung (welche ihrerseits wiederum erkennbar von der Gewährleistungs-Regressregel des ABGB inspiriert war), ohne jedoch das Schadenersatz-Mäßigungsrecht zu übernehmen. Dieses Korrektiv wird wohl der Rechtsprechung überlassen bleiben, der bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs nach wie vor ein gewisser Spielraum bleibt.

Der Sorgfaltsmaßstab und die Pflichterfüllung. So gut gemeint die Gesetzesnovelle sein mag, so offen bleibt die Rechtslage für Interpretationen in alle Richtungen. Grundlegend soll ein Organwalter oder Rechnungsprüfers eines Vereins – immer vorausgesetzt, er ist unentgeltlich tätig – von jeglicher Haftung „befreit“ werden, wenn er „in Wahrnehmung seiner Pflichten“ gehandelt hat. Eine solche „Befreiung“ kann – insbesondere, wenn die Interessen eines geschädigten Dritten betroffen sind – freilich nur in einer Zahlung durch den Verein bestehen. Und es bleibt unseres Erachtens fraglich, ob nicht die Gesetzesbestimmung zur Pflichtenwahrnehmung systematisch betrachtet eine Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs  darstellt und der Gesetzgeber sohin im Ergebnis nur die sogenannte „culpa levissima“ (ganz geringer Grad der Fahrlässigkeit) ausgeschlossen hat. Ganz besonders problematisch wird es jedenfalls auch ab 2012 immer dann, wenn eine solchermaßen wirksame „Befreiung“ nicht erfolgen kann, weil der Verein in die Insolvenz schlittert. Die bisherigen Haftungstatbestände des Vereinsgesetzes, die unter anderem eine Haftung der Organwalter vorsehen, wenn sie „Vereinsvorhaben ohne ausreichende finanzielle Sicherung in Angriff nehmen“ bleiben jedenfalls aufrecht.

Ausblick und Empfehlung. Mit der gegenständlichen Novelle soll die Suche nach engagiertem ehrenamtlichem Vereins-Nachwuchs erleichtert werden; die Annäherung an das Dienstnehmer-Haftpflichtrecht ist zu begrüßen, wenngleich sie noch nicht weit genug geht. Gleichzeitig wird mit der erkennbaren Präferenz des Gesetzgebers für eine Haftpflichtversicherung eine teilweise Annäherung des Vereines an die Kapitalgesellschaftsformen erfolgen. Ob der Abschluss einer solchen D&O-Versicherung auch für kleine Vereine vorteilhaft ist, muss im Einzelfall anhand einer Prämien-Risiko-Analyse geprüft werden. Eine Überprüfung der bereits bestehenden Versicherungen dahingehend, ob sie der neuen Rechtslage entsprechen, ist jedenfalls ratsam.

Mag Peter Melicharek und Mag. Stefan Obernberger

www.advocatur-bureau.at

Foto: beigestellt

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