Handlungsbedarf für Unternehmen

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Ursula Rath Schoenherr
Ursula Rath, Partnerin bei Schönherr und Expertin für Banking, Finance & Cm, Financials Services, Investment Funds and Asset Management, Corporate/M&A

Die EU Kommission hat Anfang 2015 ein ehrgeiziges Ziel verkündet: Die Schaffung eines echten Kapital-Binnenmarkts („Kapitalmarktunion“).

Diese neue Kapitalmarktunion soll auch die Finanzierung für KMU erleichtern. Neben der Veröffentlichung des Grünbuchs zur Schaffung einer Kapitalmarktunion hat die Kommission zwei ergänzende Konsultationen, darunter zur Überarbeitung der Prospektrichtlinie gestartet. Ausgehend von den Konsultationsergebnissen wird die Kommission Maßnahmen erarbeiten, die u.a. die Kosten der Kapitalaufnahme senken und die Kapitalbeschaffung für KMU vereinfachen sollen.

Kleinemissionen

Die Praxis zeigt, dass sich eine Kapitalmarktfinanzierung für KMU bislang nicht bewährt hat. Die Erstellung eines Prospekts ist zeit- und kostenintensiv und wirkt sich gerade bei kleineren Emissionen prohibitiv aus. Daran hat auch das 2012 eingeführte verhältnismäßige Offenlegungsregime mit reduziertem Prospektinhalt für KMU nichts geändert. Wünschenswert wäre eine europaweite Vereinheitlichung des Schwellenwerts von 5 Millionen €, bis zu dem Kleinemissionen von Wertpapieren prospektfrei möglich sind. Denn in Österreich können Wertpapiere derzeit nur mit einem Gesamtwert von bis zu 250.000 € bzw. 1.5 Millionen €. (jeweils gerechnet über 12 Monate) prospektfrei begeben werden.

Sekundäremissionen

Die detaillierten Prospektinhaltserfordernisse gelten mit wenigen Ausnahmen auch für Wertpapieremissionen bereits notierter Unternehmen (z.B. Kapitalerhöhungen börsenotierter Unternehmen). Diese unterliegen ohnedies umfassenden periodischen und anlassbezogenen Offenlegungsvorschriften (Finanzinformationen, ad hoc) an den Markt. Lösungen könnten hier eine gänzliche Prospektausnahme oder ein bedeutend vereinfachter Prospekt sein, der sich auf angebotswesentliche Information beschränkt, die dem Markt noch nicht bekannt sind.

Vereinheitlichung

Wünschenswert wäre auch die Vereinheitlichung der Prospektausnahmen von Angebots- und Zulassungsprospekt. Beispielsweise können börsenotierte Unternehmen derzeit zwar weniger als 10% (künftig vermutlich: 20%) von Aktien ohne Prospekt zum Börsehandel zulassen, dürfen diese 10% aber nur dann ohne Prospekt öffentlich anbieten, wenn eine Prospektausnahme nach Kapitalmarktgesetz greift

Mitarbeiterbeteiligung

Wertpapierangebote an Mitarbeiter können unter bestimmten Voraussetzungen prospektfrei erfolgen, wenn ein Dokument veröffentlicht wird, das Informationen über Anzahl und Typ der Wertpapiere und die Gründe und Einzelheiten des Angebots enthält (sog „gleichwertiges Dokument“). Diese Prospektausnahme können neben EU-Unternehmen jedoch nur Drittstaatsunternehmen beanspruchen, deren Wertpapiere börsenotiert sind, nicht aber private Drittstaatsunternehmen. Anders als ein Prospekt ist der Inhalt des gleichwertigen Dokuments nicht EU-weit vereinheitlicht, sondern national unterschiedlich geregelt. Unternehmen haben EU-weite Mitarbeiterprogramme daher in der Praxis meist auf Basis eines gepassporteten „vollen“ Prospekts durchgeführt.

Prospektinhalt

Detailtiefe und Art der offengelegten Informationen sollten sich stärker am angesprochenen Investorenkreis orientieren sowie nach Art der Transaktion abgestuft sein. Für komplexere Produkte sollten Emittenten etwa ein gewisses Produktgrund-verständnis der Investoren voraussetzen dürfen. Andererseits sollten die Informationsanforderungen bei IPO und Sekundäremissionen sowie KMU Prospekten unterschiedlich hoch sein.

Prospektzusammenfassungen sind seit 2012 standardisiert und unterliegen einer Längenbegrenzung. Das angestrebte Ziel der Produkt-Vergleichbarkeit und Informationsvereinfachung für Anleger ist dadurch trotzdem oft nicht erreicht worden. Das gilt vor allem für Zusammenfassungen von Basisprospekten für Schuldverschreibungen, die recht technisch und schwer lesbar sind. Emittenten sollte daher das Format der Zusammenfassung frei wählen dürfen. Auch könnten allfällige Längenbegrenzungen produktspezifisch abgestuft werden, um die Verständlichkeit für Anleger zu erhöhen.

Im Sinn der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten für betroffene Unternehmen sollte schließlich auch das Zusammenspiel zwischen Prospektzusammenfassung und dem für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte („PRIIPS“) ab 2017 verpflichtenden Basisinformationsblatt eindeutig geregelt werden.

www.schoenherr.eu

Foto: Walter J. Sieberer

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