Insolvenzfalle für Manager

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Die Insolvenzrechtsanwälte Kerstin Weber und Michael Magerl sind tagtäglich mit Haftungsfragen konfrontiert und gewähren einen Einblick.
Die Insolvenzrechtsanwälte Kerstin Weber und Michael Magerl sind tagtäglich mit Haftungsfragen konfrontiert und gewähren einen Einblick.

Ein Unternehmen haftungsfrei durch eine Krise führen – eine mission impossible für Geschäftsführer? ? Nicht zwangsläuftig, aber der Weg aus dem Risiko ist gespickt mit Haftungsfallen.

Redaktion: Der OGH hat in ganz aktuellen Entscheidungen die strenge Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzen nicht nur bestätigt, sondern scheinbar weiter verschärft?

Kerstin Weber: In einer Entscheidung vom Herbst 2015 wurde ein Geschäftsführer für den Forderungsausfall eines Gläubigers persönlich haftbar gemacht. Zuerst wurde er strafrechtlich wegen schweren Betrugs schuldig gesprochen, da er über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Gesellschaft getäuscht hat. Darauf gestützt folgte auch noch die Haftung gegenüber dem Insolvenz-Entgelt-Ausfallsfonds wegen Insolvenzverschleppung. In einem zweiten Fall wurde vor wenigen Monaten die Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der KG wegen Einlagenrückgewähr bestätigt. Im Grundsatz sind diese Entscheidungen aber nicht überraschend. Erstaunlich ist eher, dass die persönlichen Haftungsrisiken in der Praxis immer noch nicht auf breiter Basis im Bewusstsein von Unternehmern und Geschäftsführern angekommen sind, wie insbesondere auch das Verbot der Einlagenrückgewähr. Dabei handelt es sich aber keineswegs um juristisches Geheimwissen.

Seitens der Unternehmen wird die grassierende Überregulierung in allen Bereichen seit Jahren beklagt – kann man Spezialwissen wirklich allgemein voraussetzen?
Michael Magerl: In der Regel stehen Geschäftsführer in Krisensituationen vor vielfältigen Herausforderungen und mussten sich mit Fragen wie dem Gebot der Gläubigergleichbehandlung vor der Krise nie beschäftigen. Wenn dann die Vorbereitungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu treffen sind, muss eine Gratwanderung bewältigt werden. Einerseits soll eine unerträgliche Verunsicherung der Mitarbeiter und Gläubiger vermieden werden, andererseits dürfen natürlich keine Schritte gesetzt werden, die zu einer Täuschung und Schädigung von Gläubigern führen und so dem Geschäftsführer Haftungsrisiken aufbürden. Somit ist rasches Handeln angesagt.
Weber: Das ist völlig richtig, aus Sicht der Insolvenzverwalterin muss man auch feststellen, dass viele Fehler lange vor der Zuspitzung der Lage gemacht werden. Das notwendige juristische Fachwissen muss der Geschäftsführer nicht haben, aber als Unternehmer muss er erkennen, wenn sein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Es wird meistens einfach zu spät professionelle Beratung gesucht.

Kann man dem aber nicht entgegen halten, dass man nachher immer klüger ist?
Weber: Da gebe ich Ihnen Recht, die Judikatur muss sich hier öfter vorhalten lassen, dem sogenannten Hindsight-Bias zu unterliegen und keine wirkliche ex-ante Beurteilung des Sachverhalts vorzunehmen.
Magerl: Hier kann aber meines Erachtens die Wirtschaftsprüfung eine wesentliche Rolle spielen. Es sollte endgültig anerkannt werden, dass der Wirtschaftsprüfer kein „gesetzliches Übel“ ist sondern eine wertvolle wirtschaftliche Kontrolle des Unternehmens sein soll.

Wird nicht in diese Richtung auch immer häufiger Verantwortlichkeit geltend gemacht?
Magerl: Die Haftung des Wirtschaftsprüfers ist in Österreich höchstgerichtlich anerkannt, siehe nur die Causa AvW. In Deutschland haftet nach dem BGH aber auch schon der bilanzerstellende Steuerberater für Insolvenzverschleppungsschäden. Die in Jahresabschlüssen zu findenden Erläuterungen zur insolvenzrechtlichen Überschuldung sind in der Tat selten wirklich aussagekräftig.
Weber: Der erste Blick des Verwalters nach Insolvenzeröffnung ist in die Jahresabschlüsse der letzten Jahre, daher kann man Geschäftsführern nur empfehlen, in Krisenzeiten der Aufstellung des Jahresabschlusses ausreichende Aufmerksamkeit zu widmen und sich erforderlichenfalls fundiert beraten zu lassen – damit eben rechtzeitig die notwendigen Konsequenzen gezogen werden können. Diese mögen manchmal drastisch erscheinen, in Wirklichkeit sind die persönlichen Folgen bei Untätigkeit viel gravierender und selbstverständlich gibt es genügend Fälle, in denen erfolgreiche Unternehmenssanierungen umgesetzt werden, ohne dass die verantwortlichen Personen Hochseilakte ohne Netz vollführen müssen.

Dr. Michael Magerl, LL.M. ist Partner und u.a. Experte für Sanierungsrecht bei Haslinger/Nagele. Dr. Kerstin Weber ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Haslinger/Nagele.

www.haslinger-nagele.com

Foto und Interview: Walter J Sieberer

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