Interview: Die Novellen zur Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts

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Auf Grundlage einer Studie der Sozialpartner über die Wettbewerbspolitik in Österreich aus dem Jahr 2010 wurden am 25. Jänner 2012 Novellen zur Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts eingebracht. In den Entwürfen ist insbesondere die Stärkung der Wettbewerbsbehörden, aber auch die Schaffung von mehr Transparenz für Konsumenten und Unternehmen vorgesehen.

wirtschaftsanwaelte.at unterhielt sich mit dem Kartellrecht-Experten Martin Eckel von e|n|w|c Rechtsanwälte über die geplanten Novellen und deren Vor- und Nachteile:

wirtschaftsanwaelte.at: Aus der Sicht des Rechtsanwaltes – Wie sehen Sie ganz generell die geplanten Novellen?

Martin Eckel: Grundsätzlich ist die mit der Novellierung verbundene Stärkung der Wettbewerbsbehörden zu begrüßen, ist doch eine wirksame Durchsetzung des Kartellrechts auch von schlagkräftigen Wettbewerbsbehörden abhängig. Insbesondere die Verlagerung der Kompetenz zur Durchsetzung von Auskunftsbescheiden vom Kartellgericht auf die Bundeswettbewerbsbehörde ist im Sinne der Verfahrensökonomie zu bejahen. Teilweise werden jedoch manche Themen, wie insbesondere die Abwägung der Interessen von Kronzeugen und Geschädigten oder die fusionskontrollrechtlichen Vorschriften, unzureichend aufgegriffen. Hier hätten weitere Angleichungen an das europäische Wettbewerbsrecht erfolgen können.

wirtschaftsanwaelte.at: In welchen Bereichen hätten Sie sich Änderungen oder weiter greifende Anpassungen gewünscht?

Martin Eckel: Insbesondere hinsichtlich der Zusammenschlusskontrolle hätte ich mir weitere Anpassungen an die europarechtlichen Regelungen gewünscht. Zwar ist die Übernahme des in der europäischen Fusionskontrollverordnung vorgesehenen „Stop-the-clock-Verfahrens“ vorteilhaft – so sollen künftig die Prüffristen sowohl im Vorprüfverfahren vor der Bundeswettbewerbsbehörde (Phase I) als auch im Prüfungsverfahren vor dem Kartellgericht (Phase II) verlängerbar sein. Aber auch beim von den Wettbewerbsbehörden anzuwendenden maßgeblichen Prüfkriterium wäre ein Blick nach Europa angebracht gewesen; dort erfolgt dies unter anderem auch anhand des sogenannten SIEC (“Significant Impediment of effective competition“)-Testes.

wirtschaftsanwaelte.at: Worin unterscheidet sich dieser von dem österreichischen Prüfkriterium und welche Vorteile würde eine Angleichung an die Regelung auf europäischer Ebene mit sich bringen?

Martin Eckel: Vorauszuschicken ist, dass derzeit auch in Deutschland im Zuge der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (“GWB“) die Einführung des SIEC-Testes in das nationale Wettbewerbsrecht beabsichtigt ist. Bislang erfolgt die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines Zusammenschlusses sowohl in Deutschland als auch in Österreich noch anhand des sogenannten Marktbeherrschungstests, der allein auf die Marktanteile der Parteien abstellt. Nach diesem ist ein Zusammenschluss bislang zu untersagen, sobald eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird. Der SIEC-Test erlaubt jedoch unabhängig von der Höhe der Marktanteile die Prüfung, welche tatsächlichen Auswirkungen ein Zusammenschluss auf die Wettbewerbsverhältnisse hat und stellt daher die wirtschaftliche Betrachtungsweise in den Mittelpunkt der Fusionskontrolle.

wirtschaftsanwaelte.at: Danke für das Interview

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Foto: wirtschaftsanwaelte.at, Mag. Martin Eckel

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