Interview: Gleichbehandlung wird greifbarer

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Die zuletzt erfolgten Änderungen des Gleichbehandlungsgesetzes sind nicht optimal, die gerichtlichen Entscheidungen zum GlBG zeigen aber, dass man mit dem GlBG leben kann. Dr Jana Eichmeyer, Arbeitsrechtsexpertin bei Kunz Schima Wallentin, beantwortete der Redaktion essentielle Fragen.

Das Gleichbehandlungsgesetz („GlBG“), das Folgen von Diskriminierungen am Arbeitsplatz regelt, gibt es seit 1979. Erst in den letzten Jahren bekommt es aber mehr Aufmerksamkeit des Gesetzgebers sowie der Arbeitgeber.
Redaktion: Im Jahr 2011 kam es zu neuen Änderungen des Gleichbehandlungsgesetzes?
EICHMEYER: Es vergeht kaum ein Jahr, in dem das GlBG nicht novelliert wird. Mit den Änderungen, die seit März 2011 gelten, wurde das Diskriminierungsverbot auf Arbeitnehmer ausgeweitet, die wegen ihres Naheverhältnisses zu einer Person, die ein geschütztes Merkmal aufweist, benachteiligt werden (Diskriminierung durch Assoziierung). Die im GlBG geregelten Strafen für die Verletzung von Gleichbehandlungsgeboten wurden von € 720 auf € 1.000 angehoben. Das wichtigste ist aber die Verpflichtung zur Offenlegung von Einkommen sowie die Vorgaben für die Einkommensangaben in Jobausschreibungen.

Redaktion: Was kommt nach diesen Änderungen auf die Dienstgeber und Unternehmen zu?
EICHMEYER: Arbeitgeber sowie Arbeitsvermittler sind seit dem 1.3.2011 verpflichtet, in Stelleninseraten den jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohn anzugeben und auf eine allfällige Bereitschaft zur Überzahlung hinzuweisen. Bestrafung bei Verstößen ist erst ab 1.1.2012 vorgesehen.
Dazu kommt der Einkommensbericht: ab 1.3.2011 sind Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern (ab 2012 liegt diese Grenze bei 500, ab 2013 bei 250 und ab 2014 bei 150 Arbeitnehmern) verpflichtet, einen Einkommensbericht für das jeweilige Vorjahr zu erstellen. Der Bericht soll ua aufzeigen, wie viele Frauen und Männer jeweils in einer kollektivvertraglichen Verwendungsgruppe eingereiht sind. Als Basis für die Aufstellung ist das Gesamtarbeitsentgelt heranzuziehen (inkl Zulagen etc). Der Bericht darf aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen erlauben, daher sind kleinere Betriebe von dieser Verpflichtung ausgenommen.

Redaktion: Bis jetzt habe ich aber nicht gesehen, dass die Entgeltangaben fixer Bestandteil der Jobanzeigen sein würden. Kann es sein, dass das GlBG von den Arbeitgebern nicht ernst genommen wird?
EICHMEYER: Das kann man so nicht sagen. In Gerichtsverfahren, die wir für Arbeitgeber führen,berufen sich Arbeitnehmer immer öfter auf Verletzung von Gleichbehandlungsgeboten. Früher hat man dies nur bei Kündigungsanfechtungen gekannt, und hier musste man auf das GlBG gar nicht zurückgreifen. Inzwischenkann es so weit gehen, dass Gerichtesogar klären müssen, ob Arbeitgeber verpflichtet sind, für einen transsexuellen Arbeitnehmer eine dritte Toilette einzurichten, wenn sich dieser Arbeitnehmer (ein Mann, der sich als Frau fühlt und kleidet) auf der Männer-Toilette nicht wohl fühlt, und auf der Damen-Toilette von den weiblichen Dienstnehmern nicht erwünscht ist. Da kommen schnell viele Vorwürfe zusammen: Schützt der Arbeitgeber den transsexuellen Mitarbeiter ausreichend? Können die weiblichen Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorwerfen, er tut nichts gegen sexuelle Belästigung, weil er einen Mann auf die Damen-Toilette lässt? Wir haben gerade so ein Verfahren – es ging um eine Nichtverlängerung eines Dienstverhältnisses – für einen Arbeitgeber erfolgreich bis zum OGH geführt.
Was die Entgeltangaben in den Jobanzeigen betrifft: ich weiß aus vielen Gesprächen mit Personalverantwortlichen, dass sie bereit sind, sich auf die neuen Bestimmungen einzustellen, die gesetzlichen Vorgaben sind aber kaum zu erfüllen. Das zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt ist einerseits selten das Entgelt, das der Arbeitgeber für eine Stelle zu zahlen bereit ist; die Information, dass man „zur Überzahlung bereit ist“, hilft hier wenig. Da die Arbeitgeber berechtigt sind, das niedrigste, in Frage kommende Entgelt anzuführen, wird aber selbst das kollektivvertragliche Entgelt nur für mancheBewerber stimmen. Denn die Einstufung richtet sich ja nicht nur nach der Tätigkeit, sondern auch nach der Berufungserfahrung des Bewerbers. Diese weiß ich aber erst auf Grund einer konkreten Bewerbung. Es kann daher sein, dass in der Jobanzeige ein Entgelt angeführt ist, das unter dem liegt, was ein Arbeitgeber einer Bewerberin zu zahlen bereit wäre. Ich denke, das kann dazu führen, dass die Bewerberin weniger Entgelt fordert, als sie sonst getan hätte, weil sie der Vergleich abgeschreckt.

Redaktion: Haben die ArbeitgeberIn punkto Diskriminierung noch viel Nachholbedarf?
EICHMEYER: Das Bewusstsein dafür, was das GlBG fordert, ist bei der Geschäftsleitung immer mehr gegeben. Es reicht aber nicht, wenn die Chefs das Gefühl dafür haben, was nach dem GlBG zu tun ist. Sie müssen es auch weitergeben.Wenn die Führungskräfte nicht wissen, worauf sie aufpassen und wann sie Abhilfe leisten müssen, passieren Fehler. Das zweite und häufige Problem besteht darin, dass oft unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern sachlich begründet ist, diese Gründe aber nicht ausreichend dokumentiert sind. Dann hat es aber ein Arbeitnehmer, der ein geschütztes Merkmal aufweist, leicht, eine Diskriminierung zu behaupten, denn das GlBG sieht eine Beweislastverschiebung zu Lasten des Arbeitgebers vor. Es müssen die Führungskräfte der zweiten und dritten Führungsebene, sobald sie Personalverantwortung tragen, auf die Probleme im Zusammenhang mit dem GlBG sensibilisiert werden. Die heiklen Fehler passieren ja bei der täglichen Arbeit, und hier geht es in erster Linie um den Umgang der Arbeitnehmer mit ihren unmittelbaren Vorgesetzten. Allgemein weiß man schon, dass man in einem Sozialplan nicht nach Geschlecht oder Alter unterscheiden darf und dass die Angabe in einer Jobanzeige, man suche eine „junge“ Sekretärin, problematisch sein könnte. Aber es geht um viel einfachere Dinge. Man sollte zB eine Kündigung nur gut überlegt oder gar nicht begründen, denn hier könnte es leicht passieren, dass als Trennungsgrundetwas genannt wird, das ein unerwünschtes und nach dem GlBG problematisches Merkmal enthält. Teilzeitarbeitskräfte von bestimmten Abläufen oder Möglichkeiten herauszunehmen, ist keine gute Idee, oder muss sehr gut und sachlich begründet sein. Und wenn die Abteilungs- und Bereichsleiter hören, in ihren Teams wird bereits über „Mobbing“ gesprochen, müssen sie wissen, dass sie es sich näher ansehen müssen, sonst könnte es den Arbeitgeber später viel Geld kosten.
Gerade in dem von mir erwähnten Fall mit dem transsexuellen Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber alles richtig getan. Die Gründe, die den Ausschlag für die Nichtverlängerung des Dienstverhältnisses gaben, warengut dokumentiert, und die Führungskräfte der mittleren Ebene haben sich der Sache früh angenommen. Das fehlt in der Praxis häufig, un dann scheitert man daran, dass man das Gericht nicht überzeugen kann, dass man sachlich handelte und keine Diskriminierung vorliegt.

Redaktion: Welche Bedeutung haben Entscheidungen wie die von Ihnen erwähnte?
EICHMEYER: Ich denke, die Arbeitgeber haben es schwer mit dem GlBG. Es tut daher gut, zu sehen, dass die Gerichte die Diskriminierungsverbote zwar immer öfter heranziehen, aber gut abwägen. Dadurch wird der Gleichbehandlungsschutz für die Arbeitgeber greifbar.
Redaktion: Danke für das Interview.

Dr. Jana Eichmeyer ist Rechtsanwältin bei Kunz Schima Wallentin und in der Praxisgruppe Arbeitsrecht überwiegend für Arbeitgeber tätig

www.ksw.at

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