Ist ein Lagezuschlag in Gründerzeitvierteln doch zulässig?

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Mag. Maria Vertesich, Rechtsanwältin, Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH

Ist auch nach dem VfGH-Urteil ein Lagezuschlag in Gründerzeitvierteln ausnahmsweise doch zulässig? Dieser Frage widmet sich Rechtsanwältin Maria Vertesich.

Ausgangslage.

Der VfGH hatte über Gesetzesbeschwerden mit denen u.a. die Aufhebung des pauschalen Befristungsabschlags und die Aufhebung des Ausschlusses des Lagezuschlags für Wohnungen in sogenannten Gründerzeitvierteln gefordert wurde, zu entscheiden.

Befristungsabschlag als Interessensausgleich.

Der Zweck des pauschalen Befristungsabschlags in Höhe von 25% laut MRG liege nach Erklärung des VfGH in dem sozial- und wohnungspolitischen Ziel, einen finanziellen Anreiz für Vermieter zu schaffen, anstatt eines befristeten ein unbefristetes Mietverhältnis abzuschließen. Der VfGH erkennt daher keine Verfassungswidrigkeit des pauschalen Befristungsabschlags.
Ausschluss des Lagezuschlags. Bei Vermietung von Wohnungen in sogenannten Gründerzeitvierteln dürfen Vermieter gemäß RichtWG keinen Lagezuschlag anwenden. Sogenannte Gründerzeitviertel sind Lagen (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und welche Gebäude im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Kategorie D) aufgewiesen haben. Diese sind nach der Bestimmung des RichtWG höchstens als durchschnittliche Lagen einzustufen.

Ausschluss liegt im öffentlichen Interesse.

Der VfGH erkennt in dem Ausschluss des Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln keine Verfassungswidrigkeit, weil er im öffentlichen Interesse liege. Es diene nämlich dem sozialpolitischen Ziel Wohnungen in zentrumsnaher städtischer Lage zu Preisen zu vermieten, die es auch Personen mit niedrigerem Einkommen ermöglichen, ihren Wohnbedarf in angemessener Nähe zu decken.
Lagezuschlag ausnahmsweise zulässig? Nach Ansicht des VfGH führe allein der Umstand, dass eine Wohnung in einem Gründerzeitviertel liege, nicht automatisch zur Unzulässigkeit eines Lagezuschlags. Der VfGH verweist in der Presseinformation zu seiner Entscheidung darauf, dass die Vereinbarung eines Lagezuschlags zulässig sei, wenn ein ursprüngliches „Gründerzeitviertel“ durch bauliche Veränderungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zu einer Wohnumgebung geworden sei, die nicht mehr als Gründerzeitviertel anzusehen sei.

Beurteilungskriterien?

Der Entscheidung des VfGH ist zu entnehmen, dass kein Gründerzeitviertel mehr vorliege, wenn in einem betroffenen Straßenzug mehr als 50% der Häuser aus der Zeit von 1870 bis 1917 mittlerweile Neubauten gewichen seien. Im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob mehr als 50% der Gebäude neu errichtet und daher Neubauten sind, verweist der VfGH auf die Rechtsprechung des OGH. Nach dieser Rechtsprechung ist bei Sanierungen von Häusern, in „vergleichender Wertung“ zu entscheiden ob die Sanierung einer Neuerrichtung eines Gebäudes gleichkommt oder nicht.

Sachverständigengutachten als Nachweis?

Nach den Ausführungen des VfGH könne aber auch dann, wenn die tatsächliche Markteinschätzung der konkreten Wohnlage ausgeprägt über der Bewertung bloßer Durchschnittlichkeit liege, eine Lagezuschlag verrechnet werden. Eine solche überdurchschnittliche Lage könne durch entsprechende Sachverständigengutachten nachgewiesen werden.

Fazit.

Die Entscheidung des VfGH bringt keine Änderung für den Befristungsabschlag in Höhe von pauschal 25%. Die Ausführungen des VfGH zum Lagezuschlag führen dazu, dass Vermieter in Zukunft zu prüfen haben, ob sich die Umgebung ihrer Wohnung durch Bauführungen derart geändert hat, dass ein Lagezuschlag vereinbart werden kann. Bei Vereinbarung eines Lagezuschlags werden die Vermieter dann dafür entsprechende maßgebende Umstände darlegen müssen. Alternativ könnte vom Vermieter durch Sachverständigengutachten ein Nachweis einer überdurchschnittlichen Lage und daher für die Zulässigkeit eines Lagezuschlags erbracht werden. Ob die Entscheidung des VfGH zu einer Verbesserung der Situation der Vermieter führt, ist zu bezweifeln, scheint der Nachweis für die ausnahmsweise Zulässigkeit des Lagezuschlags nicht einfach. Vermieter müssten entweder nachweisen, dass mehr als 50% der Häuser in einem Gründerzeitviertel Neubauten sind oder müssten den Nachweis einer überdurchschnittlichen Markteinschätzung der Wohnung durch kostspielige Sachverständigengutachten erbringen.

Foto: beigestellt

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