IT-Monopoly 2.0: Das IKT-Konsolidierungsgesetz

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Im Rahmen des „Sparpakets“ wurde mit dem unverdächtig klingenden „Bundesgesetz, mit dem IKT-Lösungen und IT-Verfahren bundesweit konsolidiert werden (IKTKonG)“ quasi unbemerkt ein Gesetz verabschiedet, das den öffentlichen Markt für IKT- und IT-Provider nachhaltig verändern wird. Denn das mit April 2012 in Kraft getretene IKTKonG verpflichtet Dienststellen des Bundes nunmehr, IKT-Leistungen bevorzugt von der Bundesrechenzentrum GmbH („BRZ“) zu beziehen.

Hintergrund
Die Zielsetzung des IKTKonG ist durchaus begrüßenswert: Es soll einerseits bestehende und neu zu schaffende IKT-Lösungen und IT-Verfahren des Bundes vereinheitlichen und anderseits auf Basis zu definierender IKT-Standards Rahmenbedingungen für einen effizienten gemeinsamen Betrieb schaffen. Dadurch erhofft sich die öffentliche Hand Einsparungen von rund EUR 150 Millionen bis zum Jahr 2016; ein nicht nur in Zeiten knapper öffentlicher Budget unbestritten sinnvolles Ziel.

Verpflichtung zur Beauftragung des BRZ?
Die im IKTKonG vorgesehenen Mittel zur Erreichung dieser Ziele haben es jedoch in sich: Denn der Bund (also insbesondere Ministerien) haben die „Entwicklung, Weiterentwicklung und den Betrieb von IKT-Lösungen und IT-Verfahren“ (zwingend) beim BRZ zu beauftragen. Einzige Voraussetzung hierfür ist, dass das Angebot des (im Eigentum des Bundes stehende) BRZ für die Beschaffung dieser Leistungen „nachvollziehbar marktkonform“ ist.

Öffentlichen Auftraggebern des Bundes stand es bisher frei, das BRZ ohne vorheriges Vergabeverfahren im Rahmen der „In-House-Vergabe“ gemäß Bundesvergabegesetz „ausschreibungsfrei“ mit Leistungen zu beauftragen. Das IKTKonG verkehrt diese Möglichkeit aber nunmehr ins Gegenteil, indem es eine gesetzliche Verpflichtung vorsieht, in bestimmten Konstellationen das BRZ (ohne vorgeschaltetes Vergabeverfahren) zu beauftragen.

„Nachvollziehbare Markkonformität“?
Konkret sieht § 4 Abs 1 IKTKonG vor, dass jene Bundesdienststelle, welche eine IKT- bzw IT-Lösung zu beschaffen beabsichtigt, zunächst (zwingend) ein Angebot des BRZ einholen muss. Sodann hat diese Bundesdienststelle „auf geeignete Art“ zu prüfen, ob dieses Angebot „nachvollziehbar marktkonform“ ist. Sofern dies der Fall ist, ist das BRZ mit den zu beschaffenden IKT-Leistungen zu beauftragen. Die gesetzliche Ausgestaltung dieser Beschaffungspflicht ist dabei jedoch unter mehreren Gesichtspunkten rechtlich problematisch:

Weder das IKTKonG noch die Erläuterungen dazu beinhalten Anhaltspunkte, wann ein Angebot des BRZ „nachvollziehbar marktkonform“ ist und damit die Beschaffungspflicht auslöst. Die „Markkonformität“ ist bei Beschaffungen des Bundes grundsätzlich auch kein zulässiges Kriterium für eine Beauftragung eines Unternehmens, auch nicht eines IKT-Providers. Vielmehr erfolgt die Vergabe eines öffentlichen Auftrages entweder aufgrund des preislich günstigsten Angebots (sog. „Billigstbieterprinzip“) oder aufgrund des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebots (sog „Bestbieterprinzip“). Auch wenn es sich bei einem Angebot des BRZ somit nicht um das Billigst- oder Bestanbot handelt, kann dieses sehr wohl „marktkonform“ sein, weil das Angebot zB dennoch angemessen kalkuliert wurde. In einem solchen Fall müsste daher das BRZ beauftragt werden, obwohl es – im Vergleich mit privaten Unternehmen – nicht die vorteilhafteste Dienstleistung anbietet. Dies ist mit dem Hauptzweck des IKTKonG nach Realisierung von Einsparungspotential schwer vereinbar.
Auch wird Auftraggebern des Bundes mit der Bezugnahme auf den uE unbestimmten Begriff „nachvollziehbar marktkonform“ ein weithin unbeschränkter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Dies ist problematisch und kaum mit dem verfassungsrechtlichen gebotenen Determinierungsgebot des Art 18 B-VG in Einklang zu bringen; die Verfassungswidrigkeit der Beschaffungspflicht über das BRZ wäre die Konsequenz.
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass das BRZ selbst als öffentlicher Auftraggeber zu qualifizieren ist und daher bei Beschaffungen an die Vorgaben des Bundesvergabegesetzes gebunden ist. Wenn es dem Bund somit eine IKT-Leistung anbietet, über die es selbst nicht verfügt, müsste das BRZ diese Leistung am Markt „zukaufen“ und hätte dabei selbst das Vergaberecht einzuhalten. Sofern gewisse Wertgrenzen überschritten werden, ist die Beschaffung von IKT-Services oder Lizenzen vom BRZ öffentlich auszuschreiben. Auch ist das BRZ trotz Freiheit der Systemwahl zur produktneutralen Ausschreibung verpflichtet.
Vor allem wird der Bund die „nachvollziehbare Marktkonformität“ eines Angebots des BRZ aber nur dann feststellen können, wenn er den Markt erkundet. Hierfür wird die jeweilige Bundesdienststelle aber (neben eines Angebotes des BRZ) Vergleichsangebote von privaten IKT-Anbietern einholen müssen. Eine reine Markterkundung ohne Vergabeabsicht ist jedoch nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesvergabeamts unzulässig.
Fraglich ist ferner, ob der Privatsektor überhaupt bereits sein wird, sich an derartigen „Markterkundungen“ seitens des Bundes zu beteiligen bzw. sich als Subunternehmer an einem Angebot des BRZ anzuschließen. Dies hat unter anderem mit der sog. „Vorarbeitenproblematik“ gemäß Bundesvergabegesetz zu tun. Denn sofern etwa der Bund zum Ergebnis kommt, dass ein Angebot des BRZ nicht „nachvollziehbar marktkonform“ ist, wird es die IKT-Leistung am Markt (dh von privaten Unternehmen) beschaffen müssen. Ob sich diese privaten Unternehmen dann aber an einer Ausschreibung der jeweiligen Bundesdienststelle beteiligen dürfen, ist vergaberechtlich nicht unproblematisch, da diese aus der vorangehenden Zusammenarbeit mit dem BEZ ja einen Wissensvorsprung (und somit uU einen Wettbewerbsvorteil) gegenüber unbeteiligten Unternehmen genießen könnten. Mangels einer Beteiligung an bloßen Markterkundungen seitens privater Unternehmer könnte es mittelfristig auch gar nicht mehr möglich sein, die gesetzlich geforderte „Marktkonformität“ zu eruieren. Zudem droht die Gefahr, dass der Privatsektor aufgrund dieses „Damoklesschwerts“ davon Abstand nehmen wird, gemeinsam mit dem BRZ (dh in Form von „öffentlich-privaten Partnerschaften“) IKT-Lösungen zu entwickeln.

Wettbewerbsrecht
Die bevorzugte Vergabe an das BRZ könnte aber auch unter dem Blickwinkel der Einräumung eines „besonderen oder ausschließlichen Rechts“ im Sinne des Art 106 des EU-Vertrages (AEUV) unionsrechtlich problematisch sein. Die Schranke hierzu bildet die Dienstleistungsfreiheit. Eine sachliche Rechtfertigung für die grundsätzlich zwingende In-House-Vergabe seitens des Bundes an das BRZ ist nämlich weder aus dem Gesetzestext noch den Erläuterungen hierzu ersichtlich. Insbesondere können die angestrebten Ziele einer Vereinheitlichung der IKT-Beschaffung des Bundes und der Bündelung der IKT-Kompetenzen an einer Stelle auch durch andere, den privaten Wettbewerb wenig einschränkende Regelungen erreicht werden. Zum Beispiel werden bestimmte IT-Beschaffungsaufgaben bereits seit längerem von der Bundesbeschaffung GmbH („BBG“) zentral abgedeckt, wobei sich an Vergabeverfahren der BBG neben privaten Unternehmen auch das BRZ beteiligen kann.

Ergebnis
Die begrüßenswerte Zielsetzung des IKTKonG wird unseres Erachtens in legistisch überschießender und unklarer Art und Weise umgesetzt. Ob durch einen bewussten Verzicht auf Vergabeverfahren (zwischen Bund und BRZ) im Bereich der IKT-Beschaffung auch die erhofften Einsparungen realisiert werden können, bleibt abzuwarten. Das BRZ erbringt bereits jetzt IKT-Leistungen, mit denen ca. 50% des IT-Budgets des Bundes verbraucht werden. Sobald die Maßnahmen des IKTKonG greifen, wird sich dieser Anteil wohl weiter zu Lasten von privaten IKT-Anbietern vergrößern.

Es liegt nunmehr am Gesetzgeber dieses Gesetz entweder in einigen Punkten wesentlich zu überarbeiten oder aber an der Bundesverwaltung zumindest hinreichend bestimmte Durchführungsverordnungen zu erlassen. Es wäre schade wenn die positiven Bemühungen zu bundeseinheitlichen E-Government-Lösungen (etwa Cloud-Technologien und IKT–Standards) aufgrund EU-rechtlicher, verfassungsrechtlicher und vergaberechtlicher Unzulänglichkeiten scheitern würden; dies umso mehr, als die rechtlichen Herausforderungen recht einfach in den Griff zu bekommen wären.

Mag. Roland Marko, LL.M.
Rechtsanwalt und Experte für IT-Recht bei WOLF THEISS Rechtsanwälte
Dr. Johannes Schnitzer
Rechtsanwalt und Experte für Procurement bei WOLF THEISS Rechtsanwälte

www.wolftheiss.com

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