OGH: „Automatische“ konzernweite Mitwirkung des Stiftungsbeirats

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Peter Melicharek
Peter Melicharek

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In einer vergangenen Mittwoch zugestellten Entscheidung (OGH 27.02.2013, 6 Ob 135/12i) sprach der oberste Gerichtshof erstmals aus, dass Zustimmungsvorbehalte der Stiftungsurkunde sich unmittelbar bei einer Tochtergesellschaft auswirken können.

Die Entscheidung durchbricht Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts. Auch, was die Interpretation von organisationsrechtlichen Satzungsbestimmungen betrifft, betrat der OGH Neuland. Bei nicht wenigen Unternehmensgruppen ist nun Reparaturbedarf zu orten.

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Der Anlassfall betraf einen Auftragsvertrag zwischen einer Tochtergesellschaft und dem Angehörigen eines Vorstandsmitglieds zur Verwaltung von Liegenschaften der Stiftung. Der Vertrag war weder laut Gesellschaftsvertrag der Tochter generalversammlungspflichtig, noch von strategischer oder finanzieller Relevanz. Das Höchstgericht bestätigte zwar, dass Stiftungsurkunden in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen sind, erachtete dann aber dennoch, dass der Schutzzweck eines Zustimmungsvorbehalts zur Lösung potentieller Interessenskonflikte ausgedehnt werden muss. Im Ergebnis unterlag der Auftragsvertrag laut OGH der Zustimmung des Beirats der Stiftung. In der Begründung wurde es als Abgrenzungskriterium genannt, dass das Geschäft als Maßnahme der eigenen Vermögensverwaltung auch von der Stiftung hätte abgeschlossen werden dürfen. Zudem wirken sich beispielsweise Renovierungsmaßnahmen direkt im Vermögen der Stiftung aus, daher sei das Rechtsgeschäft der Tochtergesellschaft einem der Stiftung selbst gleichzuhalten. Gewerbenahe Tätigkeiten, welche aufgrund gesetzlicher Vorgaben der Privatstiftung verboten sind, dürfen hingegen weiterhin frei von der Tochtergesellschaft vergeben werden, auch an den Angehörigen. Die Entscheidung wird in der Praxis bei vielen Konzernen einige Umstellungen erfordern, schließlich werden knapp 65% aller österreichischen Unternehmen letztlich auch von Stiftungen gehalten.

Ausblick
Wird eine straffe Leitung des Konzerns gewünscht, an dessen Spitze eine Privatstiftung steht, und stand die bisherige Rechtsprechung der Umsetzung einer schneidigen Corporate Governance entgegen, so bietet die neue Judikatur eine Gelegenheit die sprichwörtlichen Zügel etwas anzuziehen, und zwar unter Argumentation des Schutzzwecks von Mitwirkungsrechten für das Kontrollgremium der Konzernspitzen-Stiftung. Soll der Konzern hingegen tendenziell eher „entherrscht“ bleiben, muss für eine unzweifelhafte Regelung in der Stiftungsurkunde der Holdingstiftung gesorgt werden, oder zumindest für einen klarstellenden Beschluss aller Organe, wie eine allenfalls unabänderliche Bestimmung interpretiert wird. Wenn es noch vorbehaltene Änderungsrechte des Stifters gibt, und soll das Kontrollgremium der Konzernspitze nicht mit Formalitäten und Belanglosigkeiten der Tochtergesellschaften beschäftigt werden, empfiehlt es sich sehr, für Zustimmungsvorbehalte eine „de minimis“-Grenze einzuziehen. Für Geschäftsführer einer Konzerntochter birgt die Entscheidung ein gewisses Haftungsrisiko, und der Konzernspitzen-Privatstiftung droht theoretisch sogar die Auflösung, wenn die Konzernleitung allzu straff gespannt wird.

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Foto: beigestellt

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