OGH senkt Anforderungen an „All-in Vereinbarungen“

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Der Oberste Gerichtshof hat in seiner jüngsten Entscheidung zum Thema Pauschalentlohnungen die Anforderungen an die Ausgestaltung von All-in Vereinbarungen in Dienstverträgen stark gelockert.

Die Vereinbarung von Pauschalentgelten liegt in der Praxis seit Jahren im Trend. Ursprünglich für Beschäftigte in Führungspositionen mit entsprechend hohem Gehalt und geringeren arbeitszeitrechtlichen Vorgaben gedacht, findet der „normale“ Arbeitnehmer inzwischen in seinem Dienstvertrag zum Punkt Gehalt immer häufiger folgenden Passus vor: „Durch dieses Gehalt sind sämtliche Überstunden des Arbeitnehmers abgegolten“.

Diese pauschale Form der Abgeltung von Überstunden hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass sich der administrative Aufwand bei der Gehaltsabrechnung verringert. Zudem besteht auch ein monetärer Anreiz, da bei höherer Arbeitsbelastung die Arbeitsleistung automatisch günstiger wird. Insbesondere in Krisenzeiten hat sich aber gezeigt, dass All-in Vereinbarungen bei niedriger Auslastung auch für den Arbeitgeber nachteilig sein können. Denn müssen Überstunden in jedem Fall pauschaliert bezahlt werden, bleiben diese aber tatsächlich aus – sei es durch schlechten Geschäftsgang oder fehlender Motivation des Arbeitnehmers – kann das Inklusivgehalt schnell zum Flop werden. Daher sollten Arbeitgeber derartige Klauseln nicht undifferenziert in jeden Dienstvertrag aufnehmen, sondern dies vorab einer wirtschaftlichen Prüfung unterziehen. Generell eignet sich diese Art der Vergütung eher für Arbeitnehmer, welche aufgrund ihrer Tätigkeit stets eine gewisse Anzahl von Überstunden leisten.

Des Öfteren ist für das rechtskonforme Ausformulieren von Pauschalvereinbarungen auch ein Blick in den Kollektivvertrag von Nöten. Manche Kollektivverträge enthalten nämlich „Fairnessklauseln“, die Rahmenbedingungen für All-in Klauseln festlegen.

KLAR ERKENNBAR. Entscheidend für die Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung ist, dass dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss klar erkennbar ist, dass mit dem vereinbarten, überkollektivvertraglichen Entgelt auch die Überstunden abgegolten sein sollen. Keinesfalls darf in jeder Vereinbarung einer überkollektivvertraglichen Entlohnung eine All-in Klausel oder eine vereinbarte Überstundenpauschale gesehen werden.

Von der Judikatur werden All-in Klauseln zudem stets nur dann als zulässig erachtet, wenn für den Arbeitnehmer nachvollziehbar ist, welcher Teil des All-in Gehalts für die Normalarbeitszeit gebührt und welcher Teil zur Deckung von Überstunden dient. Diese Unterscheidung ist notwendig, damit im Nachhinein eine sogenannte „Deckungsprüfung“ vorgenommen werden kann: Der Arbeitnehmer darf durch die Vereinbarung einer All-in Entlohnung nämlich nicht schlechter gestellt werden, als bei einer Einzelabrechnung der tatsächlich geleisteten Überstunden. Hier zeigt sich auch der größte monetäre Anreiz einer All-In Vereinbarung für den Dienstgeber. Mit der Einstufung in den Kollektivvertrag wird der Pauschalvereinbarung der kollektivvertragliche Mindestlohn als Berechnungsgrundlage für sämtliche Überstunden (über Vereinbarung auch zuzüglich Zuschläge) zugrundegelegt. Ein überkollektivvertragliches Entgelt – in einem Arbeitsvertrag ohne All-in Entlohnung – erhöht diese Berechnungsgrundlage. Übersteigt das für die tatsächlich erbrachten Überstunden zustehende Gehalt inklusive Überstundenzuschlag das pauschal vereinbarte Entgelt liegt eine „Unterdeckung“ vor. In diesem Fall entsteht für den betroffenen Arbeitnehmer ein nachträglich klagbarer Anspruch auf Auszahlung des Differenzbetrags.
Den Vertragsparteien wird auch zu empfehlen sein den Prüfzeitraum, in welchem sich die Deckungsprüfung stattfindet, klar zu regeln, da der OGH in seiner Rechtsprechung einmal von einem „Kalenderjahr“ und ein anderes Mal von dem „Zeitraum eines Jahres spricht“ und so für zusätzliche Unsicherheit unter den Rechtsanwendern sorgt.

Bislang galt, dass die für eine gültige All-in Vereinbarung notwendige Bestimmbarkeit des Gehalts für die Normalarbeitszeit voraussetzt, dass dieses entweder betraglich ausgewiesen wird oder der Dienstvertrag zumindest eine Einstufung in den anwendbaren Kollektivvertrag aufweist, womit der Arbeitnehmer seine Mindestentlohnung festmachen kann. Ist es nicht möglich, Normalgehalt oder durchschnittliche Überstundenanzahl aus der Vereinbarung abzuleiten, so war nach ständiger Rechtsprechung die Pauschalvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 10 Abs 3 AZG (teil-) nichtig.

In seiner jüngsten Entscheidung zu diesem Thema (9 ObA 160/11 m) schraubte der OGH die Anforderungen an die notwenige Bestimmtheit von All-in Klauseln allerdings weit nach unten. Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine Bestimmung, die weder einen Hinweis auf den anzuwendenden Kollektivvertrag enthielt, noch eine sonstige Abgrenzung zwischen der in Normalarbeitszeit erbrachten Arbeitsleistung und jenem Teil des Entgeltes, der auf die Überstundenabgeltung entfällt. Da Kollektivverträge generell von der Zugehörigkeit zur Fachgruppe der Wirtschaftskammer abhängen, hätte der Arbeitnehmer zumindest anhand der Gewerbeberechtigung den auf sein Dienstverhältnis anwendbaren Kollektivvertrag selbst bestimmen können. Im vorliegenden Fall allerdings verfügte der Arbeitgeber gesetzwidrigerweise nicht über die zur Ausübung seines Gewerbes erforderliche Gewerbeberechtigung und war daher nicht einmal Mitglied einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer.

Dennoch entschied der OGH, dass ausreichende Bestimmbarkeit der All-in Vereinbarung vorliege und diese daher gültig sei. Der OGH begründete diese großzügige Rechtsprechung damit, dass über § 2 Abs 13 GewO welcher bestimmt, dass Normen kollektiver Rechtsgestaltung auch auf Arbeitgeber anzuwenden sind, die ihre Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Aufgrund dieser „fingierten“ Kollektivvertragszugehörigkeit könne der Arbeitnehmer einen kollektivvertraglichen Normallohn bestimmen. Es wird einem in der Regel rechtsunkundigen Arbeitnehmer somit zugemutet, zu ermitteln, welche Gewerbeberechtigung sein Arbeitgeber für die Unternehmensführung bräuchte, sich sodann daraus seinen „fiktiven“ Kollektivvertrag abzuleiten und abschließend seine eigene Einstufung in den Selbigen vorzunehmen.

Diese Rechtsprechung, die dem Arbeitnehmer ein doch beachtliches Maß an Nachforschungspflichten auferlegt, wird seitens der Arbeitnehmer-Interessenvertreter mit Nachdruck bekämpft. Aus ihrer Sicht soll die Abrechnung von Arbeitsleistungen für den Arbeitnehmer transparent bleiben und nicht durch unbestimmte Vertragsklauseln das „Täuschungspotenzial“ gegenüber Arbeitnehmer erhöht werden.

FAZIT. Auch in Zukunft wird der Arbeitgeber gut damit beraten sein, in Dienstverträge einen Hinweis auf den anwendbaren Kollektivvertrag und die kollektivvertragliche Einstufung aufzunehmen. Dies entspricht einerseits den (allerdings sanktionslosen) gesetzlichen Inhaltserfordernissen des § 2 AVRAG. Andererseits sichert diese Vorgangsweise die Gültigkeit einer All-in Vereinbarung auch im Fall eines Judikaturwechsels ab. Denn wird eine All-in Vereinbarung als unwirksam befunden, besteht die Gefahr von hohen Nachzahlungen. Dies deshalb, da das im Arbeitsvertrag vereinbarte überkollektivvertragliche Entgelt in diesen Fällen regelmäßig als Normalentgelt behandelt wird und die Vergütung von erbrachten Überstunden darüber hinaus von diesem überkollektivvertraglichen Normalentgelt berechnet wird.

Dr. Angelika Pallwein-Prettner, LL.M.,
www.bindergroesswang.at

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