Schiedsverfahren fördern Streitkultur

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Dr. Christian Konrad im Interview
Dr. Christian Konrad im Interview

Warum Alternativ Dispute Resolution, also nicht nur Schiedsrecht, wirklich besser ist, dazu im Gespräch der Wiener Schiedsrechtsexperte Christian Konrad.

Redaktion: Über Schiedsverfahren wurde schon viel berichtet, wenig aber über das dahinter und wie man den optimalen Vertreter wählt?
Konrad: In einem internationalen Streitfall stellen sich oftmals sehr komplexe Rechtsfragen, die in einem rein innerstaatlichen Verfahren mitunter nicht relevant sind. Dazu kommt, dass die Schiedsrichter üblicherweise aus unterschiedlichen Rechtstraditionen kommen. Die optimale Rechtsvertretung vor einem englischen Barrister ist eine andere als vor einem deutschen Universitätsprofessor oder einem staatlichem Gericht. Dazu kommen sprachliche Barrieren und die Notwendigkeit sein Gegenüber richtig einschätzen zu können.

Redaktion: Stellt das Schiedsverfahren so unterschiedlich Anforderungen an die Vertreter?
Konrad: Ja, denn Schiedsverfahren erlauben es den Parteien gemeinsam mit ihren Schiedsrichtern das Verfahren selbst zu bestimmen. Dabei können viele taktische aber auch prozessuale Fehler unterlaufen. Zusätzlich liegt ein starkes Augenmerk auf der überzeugenden Präsentation des eigenen Standpunktes. Das ökonomisch Sinnvolle spielt bei Schiedsverfahren erfahrungsgemäß eine größere Rolle. Demgemäß empfiehlt es sich Vertreter zu wählen, die über ausreichende Erfahrung besitzen und selbst als Schiedsrichter tätig sind. Diese Erfahrung erlaubt es die Vertretung des Mandanten aus den Augen des tatsächlichen Entscheidungsfinders zu beurteilen, das bringt einen enormen Vorteil in der Beurteilung der Prozessstrategie.

Redaktion: Spielt es Ihrer Meinung nach eine Rolle in welchem Land das Schiedsverfahren stattfindet bzw. welcher Nationalität der gegnerische Parteienvertreter angehörig ist?
Konrad: Die Kollegen aus dem anglo-amerikanischen Raum haben einen theoretischen Wettbewerbsvorteil, weil sie in ihrer Ausbildung bereits sehr stark die Notwendigkeit des ‚proper pleading‘ erlernen. Zusätzlich erhalten internationale Schiedsverfahren ungefragt eine immer stärkere Prägung der Rechtsprinzipien, die üblicherweise dem Rechtskreis der common law Jurisdiktionen zuzuordnen sind. Ein Beispiel mit großer praktischer Relevanz sind mitunter exzessive Urkundenvorlageanträge. Heimischen Unternehmen sind in ihrem ordentlichen Geschäftsbetrieb darauf nicht eingestellt und daher häufig überrascht, weshalb ihnen die eigene Sorgfalt und genaue Dokumentation auch zum Nachteil gereichen kann. Hier bedarf es bereits im Vorfeld entsprechend fundierte Beratung. Theoretisch sehe ich den Wettbewerbsvorteil aber deshalb, weil die Praxis darauf bereits reagiert hat und auch in Österreich bereits hochqualitative, sogar berufsbegleitende Zusatzausbildungen bestehen.

"Trotz Standardisierung wäre eine, am Streitfall orientierte, Flexibilität gewünscht", Christian W. Konrad, Rechtsanwalt
„Trotz Standardisierung wäre eine, am Streitfall orientierte, Flexibilität gewünscht“, Christian W. Konrad, Rechtsanwalt

Redaktion: Wo sehen Sie die wirklich großen Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit?
Konrad: Allgemein bekannt sind die Schnelligkeit, weil Eininstanzlichkeit des Verfahrens, die Vertraulichkeit, die Kosteneffizienz, die Spezialisierung der Schiedsrichter und internationale Vollstreckbarkeit. Ich sehe zusätzlich einen großen Vorteil darin, daß Parteien einen neuen Umgang erlernen mit Streitigkeiten des Wirtschaftslebens. Natürlich gibt es auch regelmäßig politische Aspekte, denken Sie an die jüngste Beschlagnahme von russischem Staatseigentum zur Vollstreckung eines Schiedsspruches. Insoferne dienen Schiedsverfahren in einem hohen Maße auch zur Förderung einer geordneten Streitkultur.

Redaktion: Was ist Ihr Resümee?
Konrad: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit ist ein Streitbeilegungsmechanismus der den Anforderungen der Wirtschaft gerecht werden kann. Es ist ein sich entwickelndes System. Dabei notwendige Änderungen gehen mit den wechselnden Bedürfnissen ihrer Nutzer einher. Aus diesem Grund sollen sich Schiedsrichter und Parteienvertreter immer die Frage stellen, ob sie die Erwartungshaltungen der Parteien auch vollständig erfüllen.

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Foto und Interview: Walter J. Sieberer

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