Schiedsverfahren im Fokus

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Günther Horvath und Moritz Keller sind Rechtsanwälte und Schiedsexperten im Wiener Büro von  Freshfields Bruckhaus Deringer
Günther Horvath und Moritz Keller sind Rechtsanwälte und Schiedsexperten im Wiener Büro von
Freshfields Bruckhaus Deringer

Die Vorteile internationaler Schiedsgerichte liegen auf der Hand. Im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommen mit den USA stehen diese aber im Kreuzfeuer der Diskussion.

Redaktion: Laut Online Konsultation zum Freihandelsabkommen mit den USA – TTIP, lehnen 97 Prozent Schiedsgerichte vehement ab. Brüssel kündigt nun an, die ISDS, also diese umstrittenen Schutzklauseln für Investoren überarbeiten zu wollen. Was sagen Sie dazu?
Günther Horvath: Das Thema bewegt auch in Österreich. Für ein Land mit starker KMU Struktur ist aber der Widerstand gegen den Investorenschutz nicht nachvollziehbar. Es liegt auch sicher nicht im Interesse der lokalen Unternehmer, denn der Investorenschutz garantiert österreichischen Unternehmen, welche im Ausland investieren, Schutz vor Diskriminierung und Enteignung durch den Gaststaat. Um ein Minimum an Rechtssicherheit zu gewährleisten, sehen praktisch alle Investitionsschutzabkommen – darunter auch das aktuell von der EU mit Kanada verhandelte Freihandelsabkommen Ceta – vor, dass Streitigkeiten zwischen einem Investor und dem Gaststaat vor einem internationalen Schiedsgericht ausgetragen werden. Und auch darum geht es ja, denn in einem Schiedsverfahren entscheiden eben nicht die staatlichen Richter des Gaststaates über das Schicksal einer Investition aus dem Ausland, sondern ein unter Einbeziehung der Parteien konstituiertes Schiedsgericht, welches das Verfahren nach einer in Absprache mit den Parteien entwickelten Verfahrensordnung führt. Der Gang vor die Gerichte genau desjenigen Staates, von dem er sich entrechtet sieht, wird dem Investor durch das Schiedsgericht erspart.

Kritiker fürchten, durch Investitionsschutz könnte nationales Recht ausgehebelt werden. Könnten auch z.B. US Konzerne die Klauseln nutzen, um Staaten bei unliebsamer Rechtsprechung vor ein privates Schiedsgericht zu zerren?
Moritz Keller: Bei europäischen Investitionen in den USA darf nicht unterschätzt werden, was es für ein europäisches Unternehmen bedeutet, vor amerikanischen Gerichten ein Verfahren gegen den amerikanischen Staat anzustrengen. Entgegen der Meinung der Kritiker, kommt in so einem Fall der Investitionsschutz nicht nur den multinationalen Großkonzernen zugute. Großkonzerne sind so gut vernetzt, dass sie bei Verfahren vor Gerichten problemlos auch in den USA Anwälte instruieren können. Mittelständische Unternehmen können es sich hingegen oft gar nicht leisten, in den USA überhaupt zu prozessieren. Verfahren vor US-Gerichten sehen u.a. eine umfangreiche „pre-trial discovery“ vor. Dies bedeutet, dass die Parteien sowohl von der Gegenpartei als auch von Dritten, umfassende Informationen verlangen können und selber ein Heer von Anwälten anstellen müssen, um das erhaltene Material zu sichten. Im Gegensatz dazu kann ein österreichisches Unternehmen ein Schiedsverfahren mit seinem österreichischen Anwalt führen. Eine Herausgabepflicht für Dokumente besteht, wenn überhaupt, nur in einem beschränkten Ausmaß. Ein Freihandelsabkommen ohne Investitionsschutz kann also von keinem im Ausland investierenden Unternehmen gelassen gesehen werden, würde doch andernfalls jeder Investor schutzlos dem Gaststaat ausgeliefert sein. Aus Sicht der europäischen Unternehmen mit Investitionsmöglichkeiten in den USA – und damit hoffentlich, auch österreichischen Unternehmen, wäre es höchst nachteilig, wenn der Investitionsschutz aus dem TTIP gekippt würde. Ihnen würde die Möglichkeit genommen, ihre Rechtsstreitigkeiten in einem Verfahren auszutragen, welches nach internationaler Best Practice geführt wird und auf welches ihre Gegenseite, also der amerikanische Staat, keinen größeren Einfluss ausübt als sie selbst.

Haben Sie deshalb Ende 2014 die Schiedsrechtspraxis in Wien verstärkt und ausgebaut?
Horvath: Unsere Wiener Schiedsrechtspraxis ist seit über 40 Jahren führend in der Österreichischen Schiedsrechtsszene. Parallel zum Schiedsrechtsteam vertritt unsere Litigationgruppe in staatlichen Verfahren, vor allem in energie- und finanzrechtlichen Streitigkeiten, darunter einer ganzen Reihe von Verfahren im Zusammenhang mit der Hypo-Alpe-Adria.

Aufgrund von Vertraulichkeit und Internationalität haben aber Schiedsverfahren bei Unternehmen hohes Ansehen erworben. Unser Wiener Büro ist dabei ein wesentlicher Standort der internen internationalen Schiedspraxis geworden. International führen wir aktuell über 300 Verfahren mit einem Streitwert von rund 85 Milliarden US-Dollar.

Um diesen deutlich steigenden Mandatszuwachs Rechnung zu tragen haben wir das Wiener Team um den Frankfurter Schiedsrechtsexperten Moritz Keller, der besondere Expertise in Verfahren für Finanzinstitute vor Gerichten und Schiedsgerichten erworben hat, verstärkt. Er war schon bis dato bedeutend im Wiener Team aktiv und ist auch in bedeutenden Investitionsschutzverfahren u.a. für die rumänische Regierung tätig. Für die stark weiter wachsenden Gebiete Investitionsschutz und Verfahren für Finanzdienstleister ist zum Wiener Team kürzlich weiters die Schweizer Schiedsrechtsexpertin Eliane Fischer gestoßen, die bisher als Anwältin in einer der führenden Schweizer Kanzleien tätig war. Als Vorteil für die Verfahren sehen wir auch die nahtlose Zusammenarbeit der internen Büros vor allem jener in Paris, New York und Frankfurt. Damit generieren wir für die von uns betreuten Unternehmen ein Maximum an Expertise und Know-How.

www.freshfields.com

Foto & Interview: Walter J. Sieberer

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