Sind unternehmerische Fehlleistungen per se als Untreue-Handlung zu werten?

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Rechtsanwältin Beatrice Bachl
Rechtsanwaltsanwärterin Beatrice Bachl

Mit Anfang 2016 trat die Strafrechtsreform 2015 in Kraft. Im Zentrum der Reform steht neben den Bilanzdelikten der reformierte Untreuetatbestand samt der sowohl im GmbH-Gesetz als auch im Aktiengesetz nunmehr verankerten Business Judgement Rule („BJR“).

Libro-Entscheidung.
Auf Basis der umstrittenen Entscheidung des OGH in Sachen Libro im Jahr 2014 (12 Os 117/12 s) war eine Tendenz der Rechtsprechung dahingehend zu befürchten, dass eine unternehmerische Entscheidung, welche sich nachträglich als wirtschaftlich nachteilig herausstellen sollte, per se als Erfüllung zumindest des objektiven Tatbestandes der Untreue gewertet werden könnte. Positiv ist nun, dass die neue Rechtslage diese Tendenz abzuschwächen scheint.

Untreuetatbestand.
Das Delikt der Untreue verwirklicht nunmehr, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. Bei dieser Konkretisierung auf die Wortfolge „in unvertretbarer Weise“, also den Bereich außerhalb des vernünftig Argumentierbaren, handelt es sich bereits um eine Art BJR „light“. Steht einem Entscheidungsträger ein Ermessensspielraum zur Verfügung, ist das Überschreiten desselben tatbestandsmäßig. Wurden dem Entscheidungsträger hingegen klare Anweisungen gegeben, ist zudem jede Abweichung davon tatbestandsmäßig.

Business Judgement Rule.
In Ergänzung zur neuen Untreue-Regelung wurde sowohl im Aktiengesetz als auch im GmbH-Gesetz eine BJR implementiert. Demnach ist ein Vorstandsmitglied bzw ein Geschäftsführer dann nicht strafbar, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Handelt der jeweilige Entscheidungsträger dementsprechend, handelt er auf Basis der BJR jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes („Safe Harbour“) und hat keine strafrechtlichen Folgen zu befürchten. Wird die BJR jedoch nicht eingehalten, bedeutet dies nicht per se einen strafbaren Sorgfaltsverstoß. Ein möglicher Sorgfaltsverstoß ist sodann gesondert zu prüfen. In der Praxis ist es daher empfehlenswert, die Entscheidungsgrundlagen zu dokumentieren. Dies gilt insbesondere für jene unternehmerischen Entscheidungen, bei denen vorab schwer einzuschätzen ist, ob sie möglicherweise wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen haben könnten.

Präzisierung der bisherigen Rechtslage?
Nach bisheriger Rechtsprechung des OGH ist zur Erfüllung des Untreuetatbestandes ein echter Verlust der Vermögenssubstanz erforderlich; eine bloße Vermögensgefährdung reicht nicht aus (RS0095945). Der OGH judizierte also bereits in jener Form, welche der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich normiert. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff des Missbrauchs. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung legt diesen Begriff bereits so aus, dass darunter ohnehin nur unvertretbare Handlungen zu verstehen sind. Es ist daher unklar, ob die neue Rechtslage tatsächlich zu einer Präzisierung der alten Normen führt. Auch im Zusammenhang mit der im GmbH-Gesetz und im Aktiengesetz normierten BJR stellt sich die Frage nach der vorgenommenen Präzisierung. Lehre und Judikatur berücksichtigten die genannten Prinzipien bereits vor der Reform.

Fazit.
In Hinblick auf die Untreue kam es zu einer Ergänzung des Tatbestandes durch Hinzufügen des Befugnismissbrauchs in unvertretbarer Weise sowie der Implementierung einer Business Judgement Rule. Großteils nahm der Gesetzgeber Formulierungen auf, bei welchen es sich um die Normierung der bereits praktizierten Judikatur handelt. Im Wirtschaftsleben ist es in jedem Falle empfehlenswert, die Grundlagen für eine unternehmerische Entscheidung im Hinblick auf die BJR festzuhalten. Es bleibt letztlich abzuwarten, ob die neue Rechtslage insgesamt zu größerer Rechtssicherheit oder etwa zu veränderter Rechtsanwendung führt.

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Foto: beigestellt

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