Wirtschaftsstrafverfahren: nicht nur Straf-, auch Gefühlssache

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Sich in einem Wirtschaftsstrafverfahren angemessen zu verteidigen ist für die Betroffenen schwierig. Solche Verfahren ziehen weite Kreise, sodass die optimale Verteidigungsstrategie auch privatrechtlich und emotional wohl vorbereitet sein sollte.

Wiederholt war jüngst zu lesen, die Gefahr für Manager bestünde nicht mehr in „Haftung“ sondern „Haft“, das Wirtschaftsstrafverfahren bildet aber oftein Vorspiel von Haftungsprozessen. Teilweise werden Strafanzeigen und Sachverhaltsdarstellungen gerade zu dem Zweck der kostengünstigen Sachverhaltsermittlung durch die Strafverfolgungsbehörden und allenfalls Anspruchsverfolgung als Privatbeteiligter erhoben. Zivilgerichte unterbrechen Schadenersatzverfahren regelmäßig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens, um Beweisergebnisse des Strafgerichts verwerten zu können.

Ein verurteilendes Straferkenntnis(nicht jedoch ein Freispruch!)entfaltet dabei fürZivilgerichte nach ständiger Rechtsprechung weitgehende Bindungswirkung, sodass ein Zivilverfahren oft nur noch auf die Ermittlung der Höhe des Ersatzanspruches beschränkt wird. Unabhängig von dieser Bindungswirkung ist zu berücksichtigen, dass Strafakten im Zivilverfahren stets beigeschafft und darin enthaltene –zB im Rahmen von Hausdurchsuchungen– gewonnenen Beweise verwertet werden können. Wirtschaftsstrafverfahrenentfalten daher weit über das Verfahren hinausgehende Bedeutung für den Beschuldigten/Angeklagten: Wird die Verteidigungsstrategie nicht auch auf mögliche Zivilverfahren abgestimmt, kann das zum Verlust oder zur Schwächung wesentlicher Abwehrinstrumente für den Haftungsprozess führen.

Vor diesem Hintergrund ist auch anderen Rechtsträger, denen ein Verhalten von Angeklagten haftungsmäßig zugerechnet werden könnte (zB Arbeitgebern, …) die Verfahrensbeobachtung zu empfehlen. Haben Sie im Verfahren keine Parteistellung, wirkt die Bindungswirkung ihnen gegenüber zwar nicht, Beweise können zu ihren Lasten aber grundsätzlich verwertet werden.

Neben diesenrechtlichen Folgen eines Wirtschaftsstrafverfahrens, darf deren emotionale Komponente nicht unterschätzt werden: Der Hauptangeklagte im größten österreichischen Wirtschaftsstrafverfahren wurde vielfach als reuelose, unbelehrbare und starrköpfige Person wahrgenommen, die bei jeder Gelegenheit trotzig versuchte die Justiz bloß zu stellen. Dabei handelte es sich um einen Fall schlechter Krisenkommunikation, die wohl auch Auswirkungen auf den Prozess gehabt haben mag.Richter sindzwar weisungsfrei und unbefangen, ebenso wie Staatsanwälte aber Menschen, ihr Handeln hängt auch davon ab, wie sich Beschuldigte/Angeklagte im Verfahren und gegenüber der Öffentlichkeit verhalten, wie sie kommunizieren.

Angeklagte sind meist Führungspersönlichkeiten, die nicht an persönliche Kritik oder Zweifel gewöhnt sind. Der Vorwurf unredlichen Verhaltens wird daher oft als unzulässiger Angriff begriffen, den sie mit allen Mitteln abwehren wollen. Aus Ärger und einem Gefühl der Ohnmachtist daher der Wunsch selbst zum Angriff überzugehen verständlich und Angriff manchmal wirklich die beste Verteidigung, die Wahl angemessener und sinnvoller Mittel jedoch immer essentiell. Das richtige Verhalten und eine gute Wahl von Kommunikationsmitteln und -inhalten erfordert daher Augenmaß, um sich nicht selbst irreparabel zu schaden.

Ein Wirtschaftsstrafverfahren ist außerdem für Betroffene eine ungekannte Belastung, dieunvorhersehbare Reaktionen bedingt – kurz: eine gewaltige Stresssituation. Zielsetzungen, wie Betroffene öffentlich und bei Gericht wahrgenommen werden wollen und welche Mittel (daher: Schriftsatzstil, Presseerklärungen & Interviews, Auftreten des Verteidigers im Verfahren, …) dazueingesetzt werden, fehlen meist.

Vor diesem Hintergrund sind eine multidimensionale Verteidigungsstrategie erforderlich und die Bildung einesVerteidigungsteam ratsam: Die Betroffenen sollten daher möglichst rasch neben dem Strafverteidiger auch einen Wirtschaftsanwalt zuziehen, der Verteidigung und Verfahrensergebnisse auf zivil-, gesellschafts- und sonstige privatrechtliche Risiken prüft. Für die „emotionale Seite“ sollte ein Kommunikationsberaterbeigezogen, bestenfalls auch Verfahrenscoachingsdurchgeführt werden, damit die Verhandlungssituation in einem kontrollierten Umfeld erlebbar gemacht,die Reaktionen des Betroffenen vorhersehbar und dessen Stress verringert wird. Nicht zuletzt kann mangelhafte Krisenkommunikation auch Imageverlust für Betroffene und Dritte zB deren Arbeitgeber bedeuten.

Diese Verteidigung ist aber kostenintensiv. Angeklagte werden in Wirtschaftsstrafsachenmit kaum zu bewältigenden Kosten konfrontiert (zB kosten Kopien bei Gericht € 1/Seite,sodass allein die AktenabschriftUnsummen verschlingen kann). Ein(wesentlicher) Kostenersatzanspruchbesteht auchbei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens nicht.

In Hinblick auf die Häufung von Wirtschaftsstrafverfahren ist die Absicherung vor derartigen Kosten wichtiger denn je. Abwehr-und Verteidigungskosten können durch Strafrechtsschutz-Versicherungen versichert werden, im Verurteilungsfall vorgeschossene Kosten kann der Versicherer jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zurück verlangen.D&O-Versicherungen decken den Ersatz von Strafverfahrenskosten dagegen üblicherweise nicht ab.

Insgesamt zeigt sich, dass die umfassende Vorbereitung auf Wirtschaftsstrafverfahren gerade für Manager an Bedeutung zunimmt und sowohl im Hinblick auf die möglichen Kosten als auch in Bezug auf über das Strafrecht hinausgehende Folgen Vorsorge getroffen werden sollte.

Rechtsanwalt Dr. Clemens Völkl

www.ra-voelkl.at

Foto: Walter J. Sieberer

 

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