Baurecht Serie Teil III: Die Bauphase

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In den ersten beiden Teilen der Serie wurden Tipps für die Zeit vor dem Liegenschaftserwerb gegeben. In diesem Beitrag wird näher auf die Bauphase selbst eingegangen, insbesondere auf die Warn- und Hinweispflichten des Auftragnehmers.

Der Zweck der Warnpflicht des Auftragnehmers liegt in der Dispositions-freiheit des Auftraggebers. Der Auftraggeber soll in Kenntnis des Risikos entscheiden können, ob er das Werk trotzdem beauftragt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass bei Verletzung der Warnpflicht der Entgeltanspruch des Auftragnehmers entfällt, den er bei ordnungsgemäßem Verhalten gehabt hätte (vgl. OGH in 3 Ob 274/01t).

PRAXISFALL. Stellen Sie sich folgendes vor: Ein Innenausbauunternehmer klagt seine Entgeltforderung für die Anbringung des Innenputzes ein. Der Auftraggeber wendet ein, dass der Verputz wegen der großen Mauerfeuchtigkeit abgefallen sei, davor habe der Auftragnehmer nicht gewarnt. Der Unternehmer entgegnet, dass dem Auftraggeber die Feuchtigkeit bekannt war, er habe den Verputz ja deswegen in Auftrag gegeben, weil der alte Verputz wegen der Feuchtigkeit schwer beschädigt gewesen sei. Davor hätte er also nicht warnen müssen. Außerdem habe er ohnehin gesagt, dass der Auftraggeber mit dem neuen Verputz nicht lange Freude haben werde.

Ein Fall, in dem das Problem zwar angesprochen, nicht jedoch im Sinne des Gesetzes und der einschlägigen ÖNORM gelöst wurde. Der Kunde konnte zwar die Feuchtigkeit erkennen, aber auch damit rechnen, dass ihn der Unternehmer vor dem Misslingen des Werkes warnt und schriftliche Vorschläge macht, wie das Werk gelingen könnte. Allein die kryptische Bemerkung des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber, er werde nicht lange Freude mit dem Verputz haben, ist keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für den Auftraggeber. Die Bedenken müssen entsprechend begründet werden, und zwar schriftlich, wie das die einschlägige ÖNORM B2110 in Punkt 5.9 ausdrücklich vorsieht. Der Auftragnehmer ist von der Haftung für aufgezeigte Mängeln nur dann befreit, wenn der Auftraggeber den begründeten Bedenken nicht Rechnung getragen hat; substanzlose Begründungen genügen sohin nicht. Der Adressat der Warnung ist der Auftraggeber, nicht dessen Architekt oder Bauaufsicht, außer, es handelt sich um ausreichend bevollmächtigte Vertreter, derartige Erklärungen entgegenzunehmen. Nach oberstgerichtlicher Judikatur ist nicht selbstverständlich davon auszugehen, dass der Architekt als bevollmächtigter Vertreter angesehen werden kann (OGH 2 Ob 80/04k). Die Warnung muss innerhalb angemessener Frist ausgesprochen werden, bei Gefahr im Verzug unverzüglich. Die Beweislast, dass ordnungsgemäß gewarnt wurde, trägt der Auftragnehmer (OGH 9 Ob 133/98v).

UNTAUGLICH. Eine weitere wichtige Bestimmung zur Warnpflicht findet sich im § 1168a ABGB letzter Satz: „Misslingt aber das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat.“ Als „Stoff“ wird alles bezeichnet, aus dem ein Werk herzustellen ist, z.B. ein Fußboden, aber auch Vorarbeiten eines anderen Unternehmers, auf denen der Auf-tragnehmer aufbaut (vgl. OGH 8 Ob 55/63, 7 Ob 67/71). So muss zB ein Bodenleger prüfen, ob der Estrich, auch wenn dieser von einer vom Bauherrn beauftragten Bauunternehmung hergestellt wurde, bereits ausreichend ausgetrocknet ist, um darauf den Parkett zu verlegen. Stellt er eine zu hohe Feuchtigkeit fest, muß er den Bauherrn warnen..

ÖNORM. Eine Auslegungshilfe für offenbare Untauglichkeit des Stoffes findet sich ebenfalls in Punkt 5.9. der ÖNORM B2110, wonach dem Auftragnehmer bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt und zumutbarer Fachkenntnis der Mangel erkennbar sein musste. Bei entsprechender spezifischer Fachkenntnis wird ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab anzulegen sein, zumindest der Stand der Technik nach ÖNORMEN sowie DIN-Normen. In gewissem Umfang muß sich der Auftragnehmer auch disziplinüberschreitende Kenntnisse aneignen, umfangreiche, technisch schwierige und kostenintensive Untersuchungen muß der Auftragnehmer hingegen nicht anstellen. Solche Überprüfungen sind vom Auftraggeber gesondert zu beauftragen und zu vergüten. Erteilt der Auftraggeber unter Verweis auf ein unbedenkliches Gutachten eine Anweisung, trifft den Auftragnehmer keine Pflicht zur Überprüfung der Anweisung (OGH 1 Ob 690/84)..

Prüf- und Warnpflicht. Die Missachtung der Prüf- und Warnpflicht zieht Schadenersatzansprüche des Auftraggebers nach sich, insbesondere den Vertrauens- bzw. Verspätungsschaden. Kosten, die auch bei entsprechender Warnung entstanden wären, sind demnach nicht ersatzfähig.

Auch wenn sich der Auftraggeber der Hilfe von Fachleuten für Anweisungen oder für die Beistellung von Stoffen bedient, ändert dies nichts an der Warnpflicht des Auftragnehmers. So hat der OGH in einer Entscheidung 2 Ob 221/97g zur Bauaufsicht ausgesprochen, dass die Bauaufsicht den Besteller vor Fehlern schützen soll, nicht aber den Auftragnehmer von seiner Verantwortung entlasten oder diese mildern soll. Es kann daher der bauausführende Werkunternehmer bei Verletzung seiner Warnpflicht kein, seine Haftung minderndes Mitverschulden des Bauherrn geltend machen. Sehr wohl hat die Bauaufsicht allerdings eine Koordinationsverpflichtung zu erfüllen, sodass die Bauabläufe und Ergebnisse ausreichend dokumentiert werden, damit der Bauherr keine Nachteile durch einen allfälligen Beweisnotstand erfährt.

Für den Sachverständigen ist im Bauprozess das Bautagebuch meist das einzig verlässliche Dokument, welches ihm nachträglich Aufschluss über den Ablauf der Baustelle bietet. Der Bauprozess selbst wird allerdings erst im vierten und letzten Teil dieser Serie im November behandelt werden.

Rechtsanwalt Mag. Hannes Quester, kanzlei@quester.co.at
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