Die richtungsweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum österreichischen Zugabenrecht ist nur wenige Tage alt. Dass das österreichische Verbot in der derzeit geltenden Fassung als gemeinschaftsrechtswidrig erachtet wurde, kam nicht unerwartet. Ob die Entscheidung nun allerdings einen Freibrief für jegliche Zugaben an Verbraucher darstellt, hinterfragen die Experten Dr. Julia Kusznier und Dr. Andreas Zellhofer, Rechtsanwälte bei Eisenberger & Herzog in Wien.
Ausgangssituation. Unternehmen haben immer schon versucht, den Absatz ihrer Produkte durch Zugabe von Gratiswaren anzukurbeln. So wurden in der Vergangenheit etwa Gratis-Vignetten beim Erwerb von Zeitungsabos angeboten oder ein Gratis-Christbaum bei einem Einkauf im Wert von über EUR 300,-. Bislang waren derartige Zugaben in Österreich nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig, und zwar insbesondere dann, wenn es sich bei der Zugabe etwa um geringwertige Kleinigkeiten im Wert von wenigen Cent oder um einen Geldrabatt handelte. Auch die an den Kauf einer Ware geknüpfte Teilnahme an einem Gewinnspiel stellt eine Zugabe dar und war daher bisher nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Letzte Woche entschied der EuGH anlässlich eines Vorabentscheidungsersuchens des OGH, dass die österreichische Regelung, wonach Zugaben generell, also ohne Beurteilung der Umstände des Einzelfalles, unlauter und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig sind, gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Anlass für das Verfahren war eine Aufforderung der Zeitung „Österreich“ an potentielle Leser, an der Wahl eines „Fußballers des Jahres“ per Internet oder mittels eines in der Zeitung abgedruckten Wahlcoupons teilzunehmen. Als Gewinn dafür winkte ein Abendessen mit dem gewählten Fußballer.
Nach Ansicht des EuGH widerspricht das aktuell geltende generelle Zugabenverbot den Vorgaben der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, weil die Prüfung der Zulässigkeit einer an Verbraucher gerichteten verkaufsfördernden Maßnahme aufgrund der Richtlinie immer auf Basis des Einzelfalles vorzunehmen ist. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens musste der EuGH nicht mehr prüfen, ob die von „Österreich“ eingeräumte Gewinnchance nicht dennoch unlauter ist. Genau diese Frage wird sich aber im weiteren Verfahren vor dem OGH stellen.
Wie geht es weiter? Trotz der sich abzeichnenden Lockerung des Zugabenverbotes gegenüber Verbrauchern ist aus Sicht der werbenden Unternehmen weiterhin Vorsicht geboten: Die Gerichte werden nämlich in Zukunft gefordert sein, zugabenrechtliche Sachverhalte umfassend einzelfallspezifisch dahingehend zu untersuchen, ob sie im Lichte der in der EU-Richtlinie aufgestellten Kriterien unlauter sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Geschäftspraktik geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten von Konsumenten wesentlich zu beeinflussen, wenn die Geschäftspraktik aggressiv, irreführend oder sonst unlauter ist. Jedenfalls unangetastet bleibt aber das (nicht von der Richtlinie erfasste) Zugabenverbot gegenüber Unternehmern – werden daher gegenüber Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben angeboten, angekündigt oder gewährt, bleibt dies auch in Zukunft unzulässig.
Im Ergebnis bringt die Entscheidung des EuGH daher zwar eine Lockerung des Zugabenrechtes gegenüber Verbrauchern, dies aber mit der Konsequenz, dass die Zulässigkeit verkaufsfördernder Maßnahmen anstelle eines taxativen gesetzlichen Ausnahmenkataloges allein aufgrund einer umfassenden Prüfung der Umstände des Einzelfalles zu erfolgen hat. Damit ist aus Sicht der Unternehmen aber letztlich auch ein geringeres Maß an Rechtssicherheit verbunden. Es empfiehlt sich daher auch weiterhin, bei geplanten verkaufsfördernden Maßnahmen vorab qualifizierte Rechtsberatung einzuholen.
Dr. Andreas Zellhofer, Rechtsanwalt und Partner
Dr. Julia Kusznier, Rechtsanwältin bei Eisenberger & Herzog in Wien
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