Insolvenzrecht neu – und gut?

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Was lange währt wird endlich gut? Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 im Überblick. Im Regierungsübereinkommen für die 24. Gesetzgebungsperiode ist festgehalten, dass im Unternehmensinsolvenzrecht Maßnahmen entwickelt werden sollen, durch die Konkursverschleppungen verhindert, Konkursabweisungen mangels Masse zurückgedrängt und Sanierungschancen erhöht werden.

Gerade im Lichte der Wirtschaftskrise sollte die Sanierung im Insolvenzverfahren gefördert werden, wobei es insbesondere das Ausgleichsverfahren zu überdenken galt. In den letzten Jahren waren lediglich rund 1% der in Österreich eröffneten Unternehmensinsolvenzverfahren Ausgleichsverfahren, welche nicht in einem Anschlusskonkurs endeten. Konkursverfahren hingegen enden in rund 35% der Fälle mit einem Zwangsausgleich, bei dem die Gläubiger im Durchschnitt immerhin 22% ihrer Forderungen erhielten. Deutlich mehr also, als die statistische Durchschnittsquote aller Insolvenzverfahren von nicht einmal 10%.

Trotz intensiver Bemühungen gelang es dennoch nicht, die Reformideen noch im Jahr 2009 umzusetzen und am 1.1.2010 in Kraft treten zu lassen. In der letzten Woche wurde der Gesetzesentwurf im Nationalrat angenommen und wird voraussichtlich am 1.7.2010 in Kraft treten.

Der Gesetzgeber trägt der Tatsache, dass es sich bei der Ausgleichsordnung um quasi totes Recht handelt Rechnung, indem er die Ausgleichsordnung abschafft und in der Konkursordnung – welche künftig Insolvenzordnung (IO) heißen wird – ein alternatives Sanierungsinstrument schafft. Das „Sanierungsverfahren“ ist in den §§ 167ff IO geregelt und kommt für natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben, juristische Personen, Personengesellschaften und Verlassenschaften in Betracht.

Das Sanierungsverfahren wird auf Antrag des Schuldners eingeleitet. Der Schuldner hat dazu einen Sanierungsplan vorzulegen, in dem den Insolvenzgläubigern angeboten wird, innerhalb von längstens zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplans mindestens 30% der Forderungen zu zahlen. Diesem Sanierungsplan ist neben einem Vermögensverzeichnis eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die folgenden 90 Tage vorzulegen. Weiters hat der Schuldner darzulegen, wie die für die Erfüllung des Sanierungsplans notwendigen Mittel aufgebracht werden sollen und welche Reorganisationsmaßnahmen er anstrebt.

Das Gericht hat mit der Eröffnung des Verfahrens eine Sanierungsplantagsatzung, in der Regel auf 60 bis 90 Tage nach Eröffnung, anzuberaumen. Innerhalb dieser Frist besteht eine Verwertungssperre, d.h. das Unternehmen darf erst verwertet werden, wenn der Sanierungsplanvorschlag nicht innerhalb von 90 Tagen nach der Eröffnung angenommen wird.

Im Sanierungsverfahren steht dem Schuldner die Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters zu. Der Schuldner darf sämtliche Rechtshandlungen vornehmen, die zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, es sei denn, der Sanierungsverwalter erhebt dagegen Einspruch. Maßnahmen, die nicht zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, bedürfen der Genehmigung des Sanierungsverwalters.

Das Sanierungsverfahren wird zu einem Konkursverfahren, wenn der Sanierungsverwalter anzeigt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen, der Schuldner den Antrag zurückzieht, das Gericht den Antrag zurückweist, die Gläubiger den Sanierungsplan ablehnen oder das Gericht dem Sanierungsplan die Bestätigung versagt. Diese Änderung ist in der Insolvenzdatei bekannt zu machen.

Im Konkursverfahren ist dem Schuldner eine Sanierung im Rahmen eines – weitgehend dem bisherigen Zwangsausgleich ähnlichen – Sanierungsplans möglich. Ein entsprechender Antrag kann jederzeit bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden. Den Gläubigern ist eine Quote von mindestens 20% der Forderungen innerhalb von 2 Jahren ab Annahme des Sanierungsplans anzubieten. Neu ist, dass die zweijährige Frist auch für den die Mindestquote übersteigenden Teil nicht überschritten werden darf. Nichtunternehmer können wie bisher eine längere, jedoch fünf Jahre nicht überschreitende Zahlungsfrist in Anspruch nehmen, die Erhöhung der angebotenen Quote auf zumindest 30 % ist dafür nicht mehr erforderlich.

Eine weitere Änderung gegenüber dem bisherigen Zwangsausgleichsverfahren ist auch im Hinblick auf die Unzulässigkeitsgründe eingetreten. Die Nichtvorlage der Bilanz stellt nach der IO keinen Unzulässigkeitsgrund mehr dar. Der Gesetzgeber erachtet die Vorlage des Vermögensverzeichnisses für ausreichend, zumal der Insolvenzverwalter die Vermögenslage des Schuldners ohnehin umfassend untersucht. Ebenso stellt es nach der neuen Gesetzeslage keinen Unzulässigkeitsgrund mehr dar, wenn vor weniger als 10 Jahren ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet wurde. Flucht des Gemeinschuldners oder Nichtunterfertigung des Vermögensverzeichnisses stellen bei juristischen Personen lediglich dann einen Unzulässigkeitsgrund dar, wenn die Voraussetzungen auf alle organschaftlichen Vertreter zutreffen. Der Unzulässigkeitsgrund der Verurteilung wegen betrügerischer Krida soll hingegen bereits dann erfüllt sein, wenn nur einer von mehreren organschaftlichen Vertretern nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit rechtskräftig verurteilt wurde.

Besicherte Gläubiger müssen nunmehr eine Verlängerung der Sperrfrist für die Erfüllung von Aussonderungsansprüchen in Kauf nehmen, wenn die Erfüllung die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte. Die in § 11 KO enthaltene Frist von 90 Tagen ab Konkurseröffnung wurde auf 6 Monate verdoppelt. Zusätzlich wird eine Einschränkung der Zinsen auf das bei pünktlicher Zahlung vertraglich vereinbarte Ausmaß für die Dauer des Insolvenzverfahrens (höchstens jedoch 6 Monate) normiert, Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

Zusätzliche Einschränkungen gibt es auch für Vertragspartner des Schuldners. Damit den Sanierungsbemühungen des Schuldners nicht von vornherein der Boden entzogen wird, werden die Vertragsauflösungsmöglichkeiten der Vertragspartner beschränkt. Wenn die Auflösung eines Vertrages die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte, so ist sie innerhalb der ersten sechs Monate nach Konkurseröffnung nur aus wichtigem Grund möglich. Auch Arbeitnehmer können nach Insolvenzeröffnung nicht wirksam ihren Austritt erklären, wenn dieser nur auf die Nichtzahlung des Entgelts vor Konkurseröffnung gestützt wird. Der Austritt ist jedoch berechtigt, wenn dem Arbeitnehmer das Entgelt auch nach Insolvenzeröffnung vorenthalten wird, und zwar auch dann, wenn Masseunzulänglichkeit vorliegt und angezeigt ist.

Es bleibt abzuwarten, ob das neue Insolvenzrecht die Erwartungen insbesondere hinsichtlich der früheren Antragstellung sowie der Inanspruchnahme des Sanierungsverfahrens zu erfüllen in der Lage ist.

Mag. Iris Machtinger, Rechtsanwältin in Wien und Amstetten, amstetten@snwlaw.at

www.snwlaw.at

Fotos: Walter J.  Sieberer

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