OGH judiziert, dass die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblätter Rechtsbruch im Sinne von § 1 UWG darstellt und nach § 14 UWG klageberechtigten Konkurrenten einen Unterlassungsanspruch nach UWG gewährt
In der deutschen Lehre wird die Konkurrentenklage gegen die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) schon seit längerem mehrheitlich unter Hinweis auf die UGP-Richtlinie bejaht. Die Verwendung unwirksamer AGB besitze eine wettbewerbliche Relevanz, weil sie geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern oder Verbrauchern nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Für Klauseln im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen untereinander werde man – um Wertungswidersprüche zu vermeiden – die gleichen Grundsätze anzuwenden haben.
Vor kurzem hat der OGH dieser Auffassung ausdrücklich auch für die österreichische Rechtslage zugestimmt. In der Sache ging es um ein in den AGB eines Mobilfunkdienstleisters verankerte Deinstallationsentgelt, welches nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht nur in den Fällen der vorzeitigen (= vor Ablauf der Mindestvertragsdauer von 24 Monaten) Vertragsbeendigung, sondern generell vom Kunden bei Vertragsbeendigung zu leisten war. Der OGH erkannte, dass die grundsätzliche sachliche Rechtfertigung einer Vertragsstrafe bei – vom Kunden veranlasster – Vertragsbeendigung nur im Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung gegeben sei. Lediglich in diesem Fall werde dem Mobilfunkdienstleister ein durch Pönale abgesicherter Schaden verursacht. Das Verlangen von Deinstallationsentgelt in Allgemeinen Geschäftsbedingung oder Vertragsformblättern nach Ablauf der Mindestvertragsdauer begründet nach Ansicht des OGH hingegen einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB, da es sich um kein Entgelt für Leistungen handelt, die der Mobilfunkdienstleister auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den Kunden erbringt, sondern vielmehr eine Abgeltung für Aufwendungen darstellt, die der Mobilfunkdienstleister zur Wahrnehmung eigener Interessen tätigt. Der Versuch, dieses Entgelt auf den Vertragspartner auch dann zu überwälzen, wenn weder eine vorzeitige Vertragsbeendigung wegen vom Kunden zu vertretender Umstände, geschweige denn eine Vertragsverletzung erfolgte, benachteiligt den Vertragspartner in unangemessenem Umfang und ist mit den Grundgedanken des dispositiven Rechts nicht vereinbar.
Die Verwendung unzulässiger AGB, so schlussfolgert der OGH weiters, sei als unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu qualifizieren. Folgerichtig prüfte der OGH sodann, ob die Verletzung von § 879 Abs 3 ABGB nicht auch mit guten Gründen vertreten werden könne, was der OGH in diesem Fall unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung verneinte, wonach Abweichungen vom dispositiven Recht schon dann eine gröbliche Benachteiligung darstellen, wenn sich für diese keine sachliche Rechtfertigung ins Treffen führen lassen, jedenfalls aber dann, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. Ein solches auffallendes Missverhältnis sei nach Ansicht des OGH bei Verlangen/Verrechnen von Deinstallationsentgelt – nach Ablauf der Mindestvertragsdauer – im eigenen Interesse und ohne Gewährung jeglicher Gegenleistung gegeben.
Um die Erheblichkeitsschwelle nach § 1 Abs. 1 Z 1 UWG zu überschreiten, muss eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung dazu geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Auch diese Bedingung bejahte der OGH mit dem Hinweis darauf, dass die Vereinbarung eines Deaktivierungsentgeltes eine in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bessere Position verschaffe und damit letztlich zu einer wirtschaftlichen Verbesserung zu Lasten der Mitbewerber.
Es sei noch erwähnt, dass der OGH im vorliegenden Fall den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 5 Abs 1 KartG verneinte, da die Klägerin nicht zu bescheinigen vermochte, dass die Verrechnung des Deinstallationsentgeltes insgesamt (!) zu einem unangemessenen Preis-/Leistungsverhältnis führt.
Auch § 23 TKG 2003 als Anspruchsgrundlage schied nach Ansicht des OGH aus. § 23 TKG 2003 sieht vor, dass der Endkunde die bisherige Telefonnummer auch bei einem Wechsel des Telefondienstbetreibers beibehalten kann, ohne dass der Betreiber ein „abschreckendes“ Entgelt verlangen darf. Da im vorliegenden Fall die Verrechnung des Deinstallationsentgelts unabhängig von einer Rufnummernübertragung vorgesehen war, war das Deinstallationsentgelt nicht als Entgelt im Sinne von § 23 Abs 2 TKG zu qualifizieren.
Zusammenfassend ist als wesentliches Ergebnis von allgemeiner Bedeutung festzuhalten, dass der OGH erstmals judiziert hat, dass die Verwendung teilweise unzulässiger Allgmeiner Geschäftsbedingungen als Rechtsbruch im Sinne von § 1 UWG den nach § 14 UWG klageberechtigten Konkurrenten einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG gewähren kann. Für Konkurrenten ermöglicht diese Rechtsprechung neue Klagsmöglichkeiten, um unlautere Geschäftspraktiken zu verhindern.
Rechtsanwalt Dr. Clemens Lintschinger, MSc
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Foto: Walter J. Sieberer
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