Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Österreich relativ selten von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Arbeitskampfmittel des Streiks ergriffen. Oftmals wird der Streik jedoch als mächtiges Druckmittel im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen zwischen den Sozialpartnern strapaziert, so wie aktuell auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller von Seiten der Gewerkschaft.
Unter Streik wird im Allgemeinen die organisierte Verweigerung der Arbeit durch eine Mehrzahl von Arbeitnehmern verstanden. Die jeweiligen Arbeitnehmer versuchen durch Arbeitsniederlegung, den oder die Arbeitgeber wirtschaftlich zu schädigen, sodass auf ihre Forderungen, wie beispielsweise Gehaltserhöhungen, eingegangen wird. Möglich sind auch Streiks um der Entschlossenheit, bestimmte Ziele weiterzuverfolgen, Ausdruck zu verleihen („Warnstreiks“) oder Streiks, um andere kämpfende Arbeitnehmer zu unterstützen („Sympathiestreiks“).
Im österreichischen Recht ist der Streik grundsätzlich nicht gesetzlich geregelt; ein echtes Streikrecht existiert also in Österreich nicht. Nur an wenigen Stellen finden sich in Gesetzen Regelungen, die das Thema Streik betreffen. Auch wurden die bisherigen Arbeitskämpfe letztendlich noch selten vor Gericht ausgetragen und besteht daher auch nur eine sehr spärliche Rechtsprechung. Die vielfältigen Meinungen in Lehre und Literatur divergieren naturgemäß sehr stark voneinander.
Überlassene Arbeitskräfte und Arbeitslose
In Betrieben, die von Streik betroffen sind, dürfen gemäß § 9 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) keine Arbeitskräfte überlassen werden. Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass überlassene Arbeitskräfte als Streikbrecher eingesetzt werden. Der Arbeitskräfteüberlasser (und unter Umständen auch der Beschäftigerbetrieb) können bei Verstoß gegen diese Bestimmung mit Geldstrafen bis zu € 10.000,- bestraft werden. In die gleiche Richtung geht auch § 9 Abs 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG), der sinngemäß besagt, dass Arbeitslose nicht in Betriebe vermittelt werden dürfen, die von Streik betroffen sind.
Entgeltanspruch
Werden von einem Arbeitnehmer keine Arbeitsleistungen erbracht, so besteht kein Entgeltanspruch, soweit nicht eine Rechtsgrundlage für ein leistungsfreies Entgelt besteht. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung besteht für die Fortzahlung des Entgelts durch den Arbeitgeber während eines Streiks keine Rechtsgrundlage und hat der streikende Arbeitnehmer daher grundsätzlich auch keinen solchen Anspruch. Er erhält für die Dauer des Streikes auch keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Zu einem anderen Ergebnis könnte man allenfalls bei Arbeitnehmern gelangen, die sich nicht am Streik beteiligen und ausdrücklich ihre Arbeitsbereitschaft gegenüber dem Arbeitgeber erklären. Zur Verhinderung eines Entgeltfortzahlungsanspruches der Arbeitnehmer, die ernstlich und ausdrücklich ihre Arbeitsbereitschaft erklären, muss der Arbeitgeber diese darüber informieren, dass ihre Dienste streikbedingt nicht in Anspruch genommen werden. Diese Information kann vom Arbeitgeber z.B. durch entsprechende Schreiben, Rundschreiben oder Plakataushänge erfolgen. Verabsäumt die Arbeitgeber eine solche Information, so besteht grundsätzlich ein Entgeltfortzahlungsanspruch der arbeitsbereiten Arbeitnehmer für die Dauer des Streiks!
Besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers, so ist konsequenterweise auch eine Abmeldung bei der Sozialversicherung (Ende Entgeltanspruch) vorzunehmen. Üblicherweise wird in der Praxis jedoch von den Arbeitgebern auf die kurzfristige An- und Abmeldung von der Sozialversicherung verzichtet.
Entlassung
Bis zum Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der EU (GRC) am 1.12.2009 ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Streikteilnahme einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen darstellt und daher eine Entlassung wegen „Verlassen des Arbeitsplatzes“ (bei Arbeitern) bzw. „Unterlassung der Dienstleistung“ (bei Angestellten) in Frage käme.
Nachdem Art. 28 GRC nunmehr jedoch ein Grundrecht auf Streik gewährt, stellt nach gewichtigen Lehrmeinungen die Teilnahme an einem Streik aktuell keinen Entlassungsgrund (mehr) dar. Entlassungen ausschließlich wegen der Streikteilnahme dürften daher also in aller Regel nicht gerechtfertigt sein.
Betriebsratsmitglieder dürfen ohnehin lediglich mit der Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichtes entlassen werden und dies auch nur wegen einer der im Gesetz aufgezählten Entlassungsgründe. Die bloße Teilnahme an einem Streik oder die Organisation von Arbeitskampfmaßnahmen ist für die Erteilung der Zustimmung wohl nicht ausreichend.
To-do-Liste für streikbetroffene Arbeitgeber
- Notfallplan vorbereiten
- Möglichkeit zur eingeschränkten Fortführung des Betriebs sichern
- Vollständige Dokumentation der Arbeitskampfmaßnahmen erstellen. D.h. Aufzeichnung aller Einzelheiten der Arbeitskampfmaßnahmen, sowie der besonderen Vorfälle (z.B. Streikausschreitungen, Sachbeschädigungen, Belästigungen von Besuchern, etc.) in chronologischer Reihenfolge
- Sicherung der erforderlichen Beweismittel (Fotografien anfertigen, Zeugenaussagen schriftlich erstellen, Flugblätter und Zeitungsberichte sammeln, Gedächtnisprotokolle anfertigen, etc.)
- Genaue Prüfung der ernstlichen Arbeitsbereitschaft und der Entgeltfortzahlungsansprüche von arbeitsbereiten Arbeitnehmern
- Umgehende (schriftliche) Information an arbeitsbereite Arbeitnehmer
- An-/Abmeldungen von streikenden Arbeitnehmern bei der Sozialversicherung
- Einschalten der Polizei bei Straftatbeständen (z.B. bei Sachbeschädigung, Drohung, Körperverletzung, etc.)
- Pressemitteilungen vorbereiten
- Information an Kunden und Lieferanten
- Eigenen AGB überprüfen (vorsorglicher Haftungsausschluss für den Fall eines Arbeitskampfs)
Foto: Walter J. Sieberer
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