Tausende Bauern sind betroffen und verzeichnen bis zu 40 Prozent Ernteausfall, dies ist kritisch für regionale Lebensmittelversorgung.
Verordnung sei gesetzwidrig und verletze Grundrechte
Einstufungen nachweislich falsch. Der Verfassungsgerichtshof an der Wiener Freyung wird sich in Kürze mit einem Individualantrag steirischer Bauern von Mittwoch dieser Woche auseinandersetzen müssen: Sie regen darin an, eine Verordnung des Landeshauptmanns von März 2018 zum Grazer und Leibnitzer Feld sowie zum Unteren Murtal zu überprüfen; dabei geht es um Schongebiete und Düngebeschränkungen im Sinne der Nitratbelastung beziehungsweise des Grundwasserschutzes. Besonders, da die Verordnung ausschließlich Landwirte einschränkt, und sich die Ertragskraft der Flächen auf die Lebensmittelproduktion und die regionale Grundversorgung der Bevölkerung auswirkt. Dies hat auch wegen der aktuellen Coronakrise zusätzliche Brisanz.
Der Antrag wird vom Verein „Zukunft Landwirtschaft“ unterstützt und zeigt auf: Die Verordnung sei verfassungswidrig, da sie andere potenzielle Verursacher für Überschreitungen von Nitratgrenzwerten, wie etwa Enteisungsmaßnahmen des Flughafen Graz, Düngemaßnahmen in öffentlichen Parks, Hausgärten oder Golfclubs nicht umfasse. Sie sieht weder eine Entschädigung für die Bauern noch einen notwendigen Rechtsschutz gegen die Einstufung vor. Die Landwirte, deren Böden nach Wasserdurchlässigkeit eingestuft wurden, können sich derzeit nicht dagegen wehren. Das ist besonders heikel, da Untersuchungen des Landes selbst ergeben haben, dass bis zu Dreiviertel der vorhandenen Einstufungen nachweislich zum Nachteil der Landwirte falsch sind. Zudem hat das Land Steiermark die Schutzgebietsfläche der Verordnung über die Jahre verdreifacht – für die Bauern war das so weder absehbar noch wirtschaftlich planbar. Den unmittelbar betroffenen Bauern bleibt nur der direkte Weg zum Verfassungsgerichtshof.
Vereinsobmann von „Zukunft Landwirtschaft“ Ludwig Rabold möchte dazu klarstellen: „Wir haben volles Verständnis für den Grundwasserschutz, da sauberes Wasser für uns alle lebensnotwendig und auch die Grundlage für unsere Betriebe ist. Wir sehen aber nicht ein, warum die Landwirte hier als einzige betroffen sind und nicht entschädigt werden – was bedeutet, dass wir mit Ernteausfällen für die Emissionen anderer bezahlen. Wir verstehen auch nicht, wie das Land Steiermark überhaupt die Wasserqualität schützen möchte, wenn wichtige Verursacher nicht entsprechend umfasst sind bzw. die Beschränkungen auf nachweislich falschen Einstufungen basieren. Ein Auszug aus der Umweltdatenbank kann darlegen, dass in einem Großteil des Gebietes, das von der Verordnung umfasst ist, die zulässigen Nitratwerte gerade nicht überschritten werden.“
Der Antrag wird für zwei direkt betroffene Bauern von Rechtsanwalt Wolfram Schachinger eingebracht, dieser zeigt sich über die Verordnung des Landes verwundert: „Die juristischen Handwerksfehler sind so offensichtlich, dass ich mich frage, wie die Verordnung die prüfenden Landesstellen passieren konnte. Mir ist bis jetzt noch keine Verordnung untergekommen, die in derart vieler Hinsicht verfassungs- und gesetzwidrig ist und bei der so gut wie gar keine Grundlagen-Erhebung stattfand.“ Geprüft werden in der Folge auch Schadenersatzklagen gegen das Land Steiermark.
Detaillierter Hintergrund.
Das Bundesverfassungsgesetz ermöglicht über einen „Individualantrag“ eine Abkürzung zum Verfassungsgerichthof, um z.B. ein verfassungswidriges Gesetz oder eine gesetzwidrige Verordnung überprüfen zu lassen. Im konkreten Fall wird eine Verletzung von Grundrechten dargelegt; diese betrifft die Erwerbsfreiheit sowie den Gleichheitssatz und das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsrecht sowie den Vertrauensschutz der Bauern – ihnen würde im öffentlichen Interesse ein „Sonderopfer“ abverlangt. Zusätzlich geht es auch um eine „einfache Gesetzwidrigkeit“: Die Verordnung überschreite die gesetzlichen Schranken des Wasserrechtsgesetzes, der rechtlichen Grundlage des Grundwasserschutzprogrammes. Ein „Individualantrag“ kann nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen gestellt werden, wie die „Aktivlegitimation“, also die unmittelbare Betroffenheit: Daher wird der Antrag für zwei Bauern eingebracht und vom Verein „Zukunft Landwirtschaft“ unterstützt. Rechtsanwalt Wolfram Schachinger ist Spezialist für „Öffentliches Recht“ und führt regelmäßig Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.