Warum sind die vermeintlich „unverbindlichen“ Dokumente wesentlich?
Bekundet ein Investor Interesse an der Beteiligung an und/oder an der Übernahme einer Zielgesellschaft („Target“), so werden die Eckpunkte der bisherigen Besprechungsergebnisse gerne in einem sogenannten „Letter of Intent“ (kurz LOI) oder einem „Term Sheet“ oder einem „Memorandum of Understanding“ (kurz MoU) oder einer „Punktation“ festgehalten.
Die Besonderheit ist, dass diese Vereinbarungen im Gegensatz zu einem Vorvertrag oder einem Optionsvertrag im Regelfall keine Rechtspflicht zum Abschluss eines Beteiligungs- und/oder Kauf- und Abtretungsvertrages beinhalten. Maßgeblich ist jedoch der Inhalt der Vereinbarung und nicht deren Bezeichnung. Eine rechtliche Bindungswirkung wird typischerweise in den Themenbereichen Exklusivität, Geheimhaltung (sofern diesbezüglich nicht ohnedies eine gesonderte Vereinbarung abgeschlossen wird), Kostentragungsregelung für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen, Abwerbeverbot, Gerichtsstand etc. vereinbart.
Trotz der in weiten Teilen unverbindlichen Ausgestaltung dieser Vereinbarungen kommt diesen in der Praxis eine faktisch hohe Bindungswirkung zu. Werden in diesen Vereinbarungen die wesentlichen Parameter für die spätere Beteiligung skizziert, so erwartet der Investor (im Regelfall zu Recht), dass diese Eckpunkte auch Eingang in den Beteiligungs- und/oder Kauf- und Abtretungsvertrag finden. Eine Abweichung kann nur dann gut argumentiert werden, wenn sich der Sachverhalt ändert oder ein besonderer für den Investor nachvollziehbarer Grund besteht, der bei Abschluss dieser Vereinbarungen noch nicht bekannt war. Probleme bereiten oft auch fachspezifische englischsprachige Abkürzungen, deren inhaltliche Tragweite dem potentiellen Vertragspartner des Investors nicht voll bewusst sind. Typischerweise werden folgende Themenbereiche bereits angesprochen: Beteiligungshöhe, Parameter der Kaufpreisermittlung und –auszahlung, (übliche) Haftungs- und/oder Gewährleistungszusagen und/oder Freistellungen, Exklusivität, Abwerbeverbot, Kostentragungsregelungen, welche Partei legt die Erstentwürfe der Verträge vor.
Vor der zur Verfügungsstellung von Informationen, die nicht allgemein zugänglich sind oder über diese hinausgehen sollte mit dem Investor eine verbindliche Geheimhaltungsvereinbarung (auch Vertraulichkeitserklärung, Non Disclosure Agreement kurz „NDA“) abgeschlossen werden. Ziel dieser Vereinbarung ist, die Geschäftsidee, das Produkt, die Geschäfts- und/ oder Betriebsgeheimnisse der Zielgesellschaft vor unrechtmäßiger Nachahmung und/oder Drittverwendung zu schützen. Damit diese Geheimhaltungsvereinbarung einen werthaltigen Schutz bieten kann, werden vielfach Pönalen (Vertragsstrafen) vereinbart, um der durch einen Vertragsverstoß geschädigten Partei den Nachweis der Schadenshöhe zu ersparen; allein der Nachweis, dass ein Vertragsverstoß durch den Vertragspartner zu verantworten ist, ist im Regelfall bereits schwierig genug.
Es gibt zahlreiche Investoren, die grundsätzlich den Abschluss einer Geheimhaltungserklärung (insbesondere aber die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall eines Verstoßes) ablehnen. In solchen Fällen ist pragmatisch abzuwägen, ob das Risiko eines Missbrauches die Chancen einer Beteiligung aufwiegt. Gibt es keine Möglichkeit seriöse Informationen über den potentiellen Investor vorab zu erhalten, wäre der Verzicht auf eine Geheimhaltungsvereinbarung ein riskantes (und für den Geschäftsführer wohl auch haftungsrechtlich relevantes) Unterfangen.
Foto: beigestellt
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.