BAIER Rechtsanwälte: OGH Entscheidung zu Schiedsverhandlungen während der Covid-19 Krise

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Gregor Grubhofer

Der OGH erachtet während der Covid-19 Krise die Durchführung von Schiedsverhandlungen per Videokonferenz auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage und ohne Zustimmung der Parteien in einem VIAC-Verfahren für zulässig.

Schon bisher konnten aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 277 ZPO ordentliche Gerichte eine Beweisaufnahme (z.B. die Einvernahme von Zeugen) per Videokonferenz durchführen. In diesem Fall muss ein Zeuge für seine Einvernahme nicht in der Gerichtsverhandlung persönlich erscheinen. Mit Einführung des § 3 des 8. COVID-19-Gesetzes wurde darüber hinaus eine generelle gesetzliche Grundlage geschaffen, wonach Gerichte die gesamte Gerichtsverhandlung per Video-Konferenz durchführen können, sodass in dessen Anwendungsbereich überhaupt keine Zusammenkunft der Beteiligten mehr erforderlich ist. Diese Möglichkeit ist jedoch nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung bis zum 31.12.2020 beschränkt. Darüber hinaus ist die Abhaltung einer virtuellen Gerichtsverhandlung nur dann zulässig, sofern sich keine der Parteien dagegen ausspricht.

Gesetzliche Grundlage in Österreich fehlt
Im österreichischen Schiedsverfahrensrecht fehlt hingegen (noch) eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Durchführung einer Schiedsverhandlung per Videokonferenz. Unstrittig ist jedoch, dass auch ein Schiedsgericht mit Zustimmung der Parteien eine Schiedsverhandlung per Video-Konferenz durchführen kann. Dem entsprechend hat zum Beispiel die Internationale Handelskammer in Paris (ICC) neue ICC-Schiedsregeln beschlossen, welche in Art 26 ausdrücklich vorsehen, dass das Schiedsgericht die Durchführung einer Schiedsverhandlung per Video-Konferenz anordnen kann. Die neuen ICC-Schiedsregeln treten am 01.01.2021 in Kraft, sodass für alle ab diesem Zeitpunkt aufgrund einer Schiedsklage neu eingeleiteten Schiedsverfahren die Zustimmung zur Abhaltung einer Schiedsverhandlung per Video-Konferenz von jenen Parteien angenommen wird, welche die ICC-Schiedsregeln bereits zuvor vereinbart haben (siehe „dynamischer Verweis“ in Art 6 Abs. 1 der ICC- Schiedsregeln). Davon ausgenommen ist der seltene Fall, dass die Parteien ausdrücklich eine bestimmte ältere Fassung der ICC-Schiedsregeln vereinbart haben. Parteien, welche die ICC-Schiedsregeln vereinbaren, nehmen sohin regelmäßig in Kauf, dass im Streitfall Verfahrensregeln zur Anwendung gelangen können, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung noch gar nicht vorhersehbar waren.

Das freie Ermessen der Schiedsrichter
In den so genannten Wiener Regeln, d.h. den Schiedsverfahrensregeln des Vienna International Arbitral Centre (VIAC) ist die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung in Art 30 geregelt. Hier fehlt noch eine ausdrückliche Ermächtigung des Schiedsgerichts, mündliche Verhandlungen gegen den Parteienwillen auch virtuell abzuhalten. Das Schiedsgericht könnte sich hier nur auf Art 28 der Wiener Regeln stützen, wonach es das Verfahren nach „seinem freien Ermessen“ durchzuführen hat, sofern eine Vereinbarung der Parteien dem nicht entgegensteht. Vor Eintritt der Covid-19 Pandemie hat jedoch vermutlich keine Partei damit gerechnet, dass unter einer „mündlichen Verhandlung“ im Sinne des Art 30 der Wiener Regeln auch eine virtuelle Schiedsverhandlung verstanden werden könnte. Dennoch hat der Oberste Gerichtshof in einer jüngst ergangenen Entscheidung (18 ONc 3/20s) die schiedsgerichtliche Anordnung einer virtuellen Schiedsverhandlung auch gegen den Willen einer Partei in einem Schiedsverfahren gemäß den Wiener Regeln für zulässig erachtet. Der Oberste Gerichtshof führte hierbei unter anderem ins Treffen, dass gerade bei einem drohenden Stillstand der Rechtspflege im Zuge einer Pandemie die Videokonferenz eine „rechtsstaatlich gedeckte Möglichkeit“ bieten würde, eine Schiedsverhandlung ohne physische Präsenz der Teilnehmer durchzuführen.

Gregor Grubhofer, Anwalt bei BAIER Rechtsanwälte, zum jüngst ergangene OGH-Urteil: „Grundsätzlich ist in der Covid-19 Krise das Bedürfnis, dass ein Schiedsgericht die Abhaltung einer Schiedsverhandlungen auch im Wege einer Video-Konferenz unter bestimmten Umständen anordnen können soll, nachvollziehbar. Von einer eindeutigen rechtstaatlichen Deckung könne aber nur dann ausgegangen werden, sofern entweder eine entsprechende Rechtsgrundlage analog zu § 3 des 8. COVID-19-Gesetz auch für Schiedsverfahren geschaffen wird oder eben die Schiedsregeln, welche die Parteien vereinbart haben, eine derartige Ermächtigung des Schiedsgerichts ausdrücklich – wie z.B. in den neuen ICC Schiedsregeln – vorsehen. Beides lag jedoch in dem vom OGH entschiedenen Fall nicht vor. “

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