Zur Gefahr des Verlustes von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen und dem Entstehen steuerlicher Nachteile für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer bei ungültigen „Parallel-Arbeitsverträgen“.
Ausgangslage
Eine Entscheidung des tschechischen obersten Verwaltungsgerichtes vom 09. Dezember 2010 (3 Ads 119/2010 – 58) sorgt nach wie vor für Verwirrung und Aufsehen in den Reihen der Organmitglieder von tschechischen Kapitalgesellschaften. Die Entscheidung selbst ist in zivilrechtlicher Hinsicht nicht neu und bestätigt im Wesentlichen die schon bisher geltende Judikaturlinie, wonach bei gleichzeitiger Mitgliedschaft im Vorstand einer AG oder Tätigkeit als Geschäftsführer einer s.r.o. (= GmbH) diese Person nicht gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft stehen darf, wenn die, aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses, ausgeübte Tätigkeit sowie jene als Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einander ganz oder teilweise überlappen. Neu ist allerdings, dass diese Judikaturlinie erstmals direkt im öffentlichen Recht umgesetzt wird und dazu führt, dass einem Generaldirektor und Geschäftsführer erworbene Ansprüche aus der Sozialversicherung nicht ausbezahlt werden.
Ist dies der Fall, besteht also neben der Tätigkeit als Vorstand oder Geschäftsführer auch ein arbeitsrechtliches Verhältnis zur Gesellschaft, das sich mit dem Tätigkeitsbereich als Organmitglied deckt, so ist das Arbeitsverhältnis rückwirkend nichtig (also so als wäre es niemals eingegangen worden).
Da in gegenständlichem Fall die Tätigkeit als Geschäftsführer mit jener als (angestellter) Generaldirektor im Wesentlichen identisch war, wurde dem Geschäftsführer die Auszahlung ihm, auf Basis des Arbeitsverhältnisses, zustehender Ansprüche, aus der Sozialversicherung, aufgrund der Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses, versagt. Nach Ansicht der tschechischen Sozialversicherungsanstalt soll es sich zwar nur um Einzelfälle handeln, welche von diesen gravierenden Folgen betroffen sind, die Praxis zeigt aber, dass das gleichzeitige Bestehen von Organfunktion und Arbeitsverhältnis in Tschechien durchaus häufig vorzufinden ist.
Besonders relevant ist dieses Thema auch deshalb, da es sowohl tschechische Staatsbürger als auch ausländische Staatsangehörige betreffen kann; zum Teil auch dann, wenn diese im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung nach Tschechien entsandt werden.
Auswirkungen auf die jeweiligen Funktionen
1. Geschäftsführer
Obwohl auf eine Entscheidung betreffend einen Geschäftsführer einer GmbH zurückgehend, sind die Auswirkungen für Geschäftsführer nicht so gravierend, wie möglicherweise für andere Organmitglieder. Weil Geschäftsführer bereits ex lege Teilnehmer an der Pensionsversicherung sind, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie im Schnitt pro Monat die gesetzlich festgesetzte Einkommensgrenze in Höhe von CZK 6.200,00 (für das Jahr 2011) überschritten haben, besteht bei ihnen nicht die Gefahr auch die Ansprüche aus der Pensionsversicherung zu verlieren. Die Monate, in denen sich die Entlohnung oberhalb dieser Grenze bewegt hat, werden für die Pensionsversicherung angerechnet und zwar auch dann, wenn es in diesen Jahren zum Zusammenfall der Organfunktion und des Beschäftigungsverhältnisses gekommen ist.
Im Gegensatz zur Pensionsversicherung, welche in der Regel, aufgrund der Überschreitung des Schwellenwertes jedenfalls bestehen wird, ist der Geschäftsführer ausdrücklich nicht für die Fälle der Arbeitsunfähigkeit versichert. Während ein Arbeitnehmer grundsätzlich immer der Krankengeldversicherung unterliegt, ist dies jedenfalls nicht der Fall, wenn es sich um einen Geschäftsführer handelt, der gleichzeitig, bezogen auf seine Geschäftsführertätigkeit, in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis zur Gesellschaft steht und dessen Arbeitsvertrag sohin nichtig ist.
Derartige Geschäftsführer haben daher keinen Anspruch auf Krankengeld und – besonders für Frauen in derartigen Funktionen entscheidend – auch keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Bei der Krankenversicherung gilt gleiches wie bei der Krankengeldversicherung, jedoch erst ab dem Jahr 2009, denn bis Ende des Jahres 2008 waren die Geschäftsführer auch in der Krankenversicherung pflichtversichert, weshalb die entsprechenden Leistungen ordnungsgemäß abgeführt wurden.
Die Zahlungen, die auf eine nicht bestehende Versicherung abgeführt wurden (Pensionsversicherung, falls die Einkommensgrenze nicht überschritten wurde; Krankenversicherung ab dem Jahr 2009), werden automatisch von der Tschechischen Sozialversicherungsanstalt (CSSZ) rückerstattet, ein Anspruch auf die jeweiligen Versicherungsleistungen besteht jedoch nicht.
2. Vorstandsmitglieder
Anders als bei Geschäftsführern werden aus der Entlohnung des Vorstandsmitglieds keine Beiträge an die Pensionsversicherung abgeführt. Weiters sind Vorstandsmitglieder auch keine Teilnehmer an der Krankenversicherung. Sie nehmen an der Gesundheitsversicherung teil, dies allerdings erst ab dem Jahr 2008. Hier ist die Situation also deutlich ernsthafter als im Falle des Geschäftsführers einer GmbH, da hier das Risiko droht, dass aus dem Titel des ungültigen Arbeitsvertrages ihre Teilnahme an der Pensionsversicherung, Krankenversicherung und Gesundheitsversicherung (bis zum Jahr 2007) nicht entstanden ist. Auch hier würde die Sozialversicherungsanstalt die fehlerhaft erstatteten Beiträge automatisch zurückerstatten.
Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass sich die Mitglieder des Vorstandes freiwillig zur Pensions versicherung anmelden, wobei die entsprechenden Beiträge 35 Jahre lang zu zahlen sind, damit ein Anspruch auf Alterspension entsteht. Sollten es die Vorstandsmitglieder unterlassen haben, sich freiwillig anzumelden, und sollte sich ihr Arbeitsverhältnis als ungültig herausstellen, würde im Falle der Nichteinhaltung der 35-Jahresfrist kein Anspruch auf Alterspension entstehen.
Problematik der steuerlichen Nichtabsetzbarkeit der Vergütungen
Die Vergütungen, die auf Grundlage der ungültigen Arbeitsverträge ausbezahlt wurden, könnten als Aufwendungen der Gesellschaft betrachtet werden, die steuerlich (ESt der juristischen Personen) nicht absetzbar sind. Im Zusammenhang mit den Entlohnungen der Geschäftsführer und der Statutarorgane einer AG hat die Generalfinanzdirektion der Tschechischen Republik eine Stellungnahme erlassen, gemäß welcher die Entlohnungen auf Grundlage eines Arbeitsvertrages dann steuerlich anerkannt werden können, wenn vom Zahler sowohl die Steuer aus der abhängigen Tätigkeit als auch die gesetzlichen Abgaben auf die Sozial- und Gesundheitsversicherung abgeführt wurden und falls nicht eindeutig und vollständig nachgewiesen werden kann, dass es sich um eine Entlohnung für die Ausübung der Funktion des Geschäftsführers oder des Mitglieds des Statutarorgans handelt.
Weitere mögliche Folgen
Möglich, aber eher unwahrscheinlich ist eine Ungültigkeit der Rechtshandlungen, die von Personen, bei denen der oben angeführte Zusammenfall vorhanden war, gesetzt wurden. Dies insbesondere deshalb, da lediglich das Arbeitsverhältnis nichtig sein kann, das Bestehen der Organfunktion hievon aber grundsätzlich nicht betroffen ist.
Diskutiert wird derzeit auch die Frage einer allfälligen Limitierung der Haftung für Schäden, die bei der Ausübung der Funktion entstanden sind und zwar vor dem Hintergrund, dass die Haftung der Arbeitnehmer auf maximal 4,5 Monatsgehälter beschränkt ist. Dies ist jedoch unseres Erachtens nicht von besonderer Relevanz, zumal die meisten Haftungsfälle nicht auf die Tätigkeit als Arbeitnehmer, sondern auf jene als Organmitglied zurückzuführen sein werden.
Aktuelle Entwicklung in diesem Bereich
Generell ist festzuhalten, dass von öffentlicher Seite eher kalmierend und sehr pragmatisch an diese Problematik herangegangen wird. So hat etwa das tschechische Arbeits- und Sozialministerium in einer offiziellen Stellungnahme die Sozialversicherungsanstalten dazu aufgefordert, die Zusammenfälle der Funktionen nicht aktiv zu prüfen und anzufechten, um eine Häufung allfälliger Härtefälle zu vermeiden und die durch das oben angeführte Urteil verursachte Rechtsunsicherheit nicht noch weiter zu verstärken.
Die Sozialversicherungsanstalt hat ihrerseits in einer offiziellen Stellungnahme die Überzeugung geäußert, dass es sich bei den Zusammenfällen um Einzelfälle handelt, die in einer absoluten Minderheit sind. Das Justizministerium hat bereits einen Entwurf der Novelle des Handelsgesetzbuches, konkret der Bestimmungen des § 134 und § 192, vorgelegt, durch welchen ein Zusammenfall des arbeitsrechtlichen Verhältnisses und der Ausübung der Organfunktion ausdrücklich gesetzlich erlaubt werden soll. Dieser Entwurf sieht vor, dass nur spezielle Führungs- und Kontrolltätigkeiten in der ausschließlichen Kompetenz des Statutarorgans bleiben müssen, während alle anderen Tätigkeiten auch auf Grundlage eines Arbeitsvertrages ausgeübt werden können.
Fazit und Empfehlungen
Sowohl Geschäftsführer, als auch Vorstandsmitglieder können derzeit und zukünftig gleichzeitig auch bei der Gesellschaft angestellt sein. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass sich der Arbeitsinhalt nicht mit der Tätigkeit als Vorstand oder Geschäftsführer überschneidet.
Bestehende Arbeitsverträge, welche in diesem Punkt keine ausreichenden Klarstellungen enthalten, sollten daher entsprechend spezifiziert werden, wobei stets bedacht werden muss, dass nach der Judikatur der Gerichte nicht die Bezeichnung im Vertrag, sondern der tatsächliche Arbeitsinhalt maßgeblich ist. Eine juristisch saubere Trennung wird daher nahegelegt.
Sind bereits sozialversicherungsrechtliche Prüfungen anhängig oder angekündigt, so sollte jedenfalls im Hinblick auf die bevorstehende Novelle argumentiert werden, insbesondere dann, wenn zwischenzeitig bereits Ansprüche (va. Pensions-, Kranken- und Mutterschaftsgeld) geltend gemacht werden müssen, aber aufgrund der jüngsten Rechtsprechung verweigert werden.
Dr. Christian Lutz LL.M.
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