Die Flexible Kapitalgesellschaft – ein erster Überblick

866
Christoph Leitgeb, Partner bei DSC Doralt Seist Csoklich
MMag. Dr. Christoph Leitgeb, Partner bei DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte

Um österreichische Startups und Gründer:innen im internationalen Vergleich zumindest den gesellschaftsrechtlich den Hemmschuh auszuziehen, wurde am 26. Mai 2023 ein Ministerialentwurf zur Schaffung einer Flexiblen Kapitalgesellschaft / Flexible Company (Flexible Kapitalgesellschafts-Gesetz – FlexKapGG) veröffentlicht.

Österreichische Startups und Gründer:innen haben unzählige Hürden zu überwinden. Dabei geht es nicht nur um eine innovative Idee, deren Umsetzung oder deren Vermarktung. Auch gesellschaftsrechtliche Steine liegen im Weg. Allen voran zum Beispiel die rigide Struktur der bislang im österreichischen Recht vorgesehenen Gesellschaftsformen und die nicht vernachlässigbare Höhe des Mindeststammkapitals, die die Notariatsaktspflicht für GmbH-Anteilsübertragungen und die Einheitlichkeit des GmbH-Geschäftsanteils.

Als neue Rechtsform wird die „Flexible Kapitalgesellschaft“ oder auch „FlexCo“ vorgeschla-gen. Als Hybridform zwischen der GmbH und der Aktiengesellschaft baut sie grundsätzlich auf dem GmbH-Gesetz auf, verfügt aber – etwa im Bereich der Kapitalmaßnahmen – über zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten. Zusätzlich sieht der Ministerialentwurf eine (neuerliche) Absenkung des GmbH-Mindeststammkapitals vor.

Herabsetzung des Stammkapitals und der Stammeinlagen bei FlexCo und GmbH

Statt bisher EUR 35.000,00 soll sowohl für die FlexCo als auch für die GmbH ein Stammka-pital von mindestens EUR 10.000,00 gelten. Für die FlexCo sollen die Stammeinlagen der einzelnen Gesellschafter:innen mindestens EUR 1 betragen und nicht unter diesen Betrag herabgesetzt werden dürfen. Für die GmbH-Gesellschafter:innen soll der Mindeststammeinlagenbetrag unverändert bei EUR 70 belassen werden.

FlexCo: Vereinfachte Fassung von Umlaufbeschlüssen

Während bei GmbH’s die Fassung eines Umlaufbeschlusses nur mit Zustimmung aller Ge-sellschafter:innen zulässig ist, soll der Gesellschaftsvertrag einer FlexCo vorsehen können, dass eine Abstimmung im schriftlichen Wege auch ohne vorliegende Zustimmung aller Gesellschafter:innen möglich ist. Zudem kann der Gesellschaftsvertrag einer FlexCo auch eine Stimmabgabe in Textform erlauben, sodass Umlaufbeschlüsse auch per E-Mail oder Telefax gefasst werden können.

Unternehmenswert-Anteile: Stimmrechtslose Anteile für die Beteiligung von Mitarbei-ter:innen einer FlexCo

Vor allem zur Beteiligung von Mitarbeiter:innen sieht der Ministerialentwurf für die FlexCo die Möglichkeit der Schaffung einer neuen Anteils-Klasse, nämlich von Unternehmens-wert-Anteilen vor. Diese dürfen 25 % des Stammkapitals nicht erreichen. Die Mindeststammeinlage bzw. bei Stückanteilen der geringste Nennbetrag wird gegenüber Geschäftsanteilen nochmals herabgesetzt, nämlich auf bloß 1 Cent.

Die Unternehmenswert-Anteile sehen im Allgemeinen kein Stimmrecht vor und sind daher an Vorzugsaktien angelehnt. Sofern der Gesellschaftsvertrag nicht auch in anderen Fällen den Inhabern von Unternehmenswert-Anteilen ein Stimmrecht einräumt, sind die Unternehmenswert-Beteiligten nur dann stimmberechtigt, wenn in ihren Anspruch auf den ihnen zustehenden Anteil am Bilanzgewinn und Liquidationserlös eingegriffen oder eine Umwandlung von Unternehmenswert-Anteilen in Geschäftsanteile eingegriffen werden soll. Auch wenn das Instrument des Unternehmenswert-Anteils vor allem zur leichteren Beteiligung von Mitarbeiter:innen geschaffen werden soll, können Unternehmenswert-Anteile auch an Nicht-Mitarbeiter:innen vergeben werden.

Anders als im Falle von Gesellschafter:innen, die einen Geschäftsanteil halten, sind Unter-nehmenswert-Beteiligte nicht namentlich in das Firmenbuch einzutragen. Im Firmenbuch ersichtlich sind nur die Tatsache auf, dass Unternehmenswert-Anteile begeben wurden sowie die Summen der Stammeinlagen sowie der darauf geleisteten Einlagen.

Die Geschäftsführer:innen haben ein Anteilsbuch, in dem Name und Geburtsdatum, gege-benenfalls die Firmenbuchnummer, die Stammeinlagen sowie die hierauf geleisteten Einlagen für jeden Unternehmenswert-Beteiligten zu vermerken sind. Bei der erstmaligen Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen sowie jeweils 9 Monate nach jedem Bilanzstichtag haben die Geschäftsführer:innen Listen mit den entsprechenden Angaben aus dem Anteilsbuch beim Firmenbuch einzureichen.

Mitverkaufsrecht von Unternehmenswert-Beteiligten

Der Gesellschaftsvertrag einer FlexCo hat vorzusehen, dass Unternehmenswert-Beteiligten ein Mitverkaufsrecht zusteht, wenn Gründungsgesellschafter:innen ihre Geschäftsanteile mehrheitlich veräußern. Die Gründungsgesellschafter:innen sind im Ge-sellschaftsvertrag zu definieren, wobei es sich um Gesellschafter:innen handeln muss, die im Zeitpunkt der Begebung der Unternehmenswert-Anteile eine Mehrheit des Stammkapitals repräsentieren.

Veräußern die Gründungsgesellschafter:innen in einem oder mehreren Schritten insge-samt mehr als die Hälfte dieser (Gründungs-)Geschäftsanteile, löst dies das Mitverkaufs-recht der Unternehmenswert-Beteiligten aus; die Gründungsgesellschafter:innen haben dafür zu sorgen – und nach ABGB zu garantieren –, dass der bzw. die potenzielle Erwerber:in anbietet, die Unternehmenswert-Anteile zu denselben Bedingungen und zu demselben Preis zu erwerben. Ist dieser Preis niedriger als der bei Vortransaktionen erzielte Preis, muss ein Preis angeboten werden, der dem nach Verkaufsvolumina gewichteten Durchschnitt aus den höheren Preisen bei Vortranskationen und dem Preis bei der nunmehrigen Transaktion.

Den Mitverkaufsberechtigten sind die Preise und sonstigen und sonstigen Konditionen der aktuellen Veräußerungstransaktion zugänglich zu machen, sofern Preisrelevante Vortransaktionen stattgefunden haben, auch die Preise der Vortragsaktionen.

Kein Notariatsaktserfordernis bei der Übertragung von Unternehmenswert-Anteilen und Geschäftsanteilen:

Für die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer FlexCo sieht der Ministerialentwurf, abweichend vom GmbHG kein Notariatsakterfordernis mehr vor. Ausreichend ist alternativ zu einer notariellen Urkunde eine von einem Rechtsanwalt errichtete Urkunde sowie die Prüfung der Zulässigkeit der Anteilsübertragung sowie die entsprechende Belehrung der Parteien über die Rechtsfolgen ihrer Erklärungen und mögliche weitere Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Anteilsübertragung. Gleiches gilt für Übernahmeerklärungen bei Kapitalerhöhungen sowie die Ausübung von Bezugsrechten. Bei Unternehmenswert-Anteilen soll die Entformalisierung noch weiter gehen. Hier reicht für die Übertragung bloß die Einhaltung der Schriftform.

Mindestnennbetrag von EUR 1,00 bei Stückanteilen

Während nach geltendem GmbHG der Grundsatz der Einheitlichkeit des Geschäftsanteils gilt, sieht der Ministerialentwurf die Möglichkeit vor, Stückanteile mit einem Mindestnennbetrag von EUR 1,00 zu schaffen. Zudem soll es Gesellschafter:innen möglich sein, Stückanteile unterschiedlicher Gattungen, somit mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet zu halten.

Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die FlexCo

Der Ministerialentwurf sieht eine gegenüber dem GmbHG erweiterte Möglichkeit zum Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die FlexCo vor. Dies betrifft sowohl die Einziehung der mit dem FlexKapGG neu in den Rechtsbestand einzuführenden Unternehmens-wert-Anteile als auch die Einziehung aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung oder eines höchstens 30 Monate geltenden Ermächtigungsbeschlusses der Generalver-sammlung.

Sofern der Rückerwerb auf der Grundlage eines Ermächtigungsbeschlusses einer General-versammlung erfolgen soll, hat die Geschäftsführung vor tatsächlicher Durchführung des Rückerwerbes die Gesellschafter:innen über die Bedingung des Rückerwerbs schriftlich unter Einhaltung jener Bestimmungen zu informieren, die für die Kommunikation zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschafter:innen vorgesehen ist.

Bedingte Kapitalerhöhung und genehmigtes Kapital

Während das GmbHG weder die bedingte Kapitalerhöhung noch ein genehmigtes Kapital zulässt, soll nach dem Ministerialentwurf beides für eine FlexKapG möglich sein. Die diesbe-züglich vorgesehenen Bestimmungen lehnen sich stark an die vergleichbaren Bestimmungen des AktG an.

Formwechselnde Umwandlungen auch bei FlexCo möglich

Nach dem Ministerialentwurf sind unter sinngemäßer Anwendung der auf die formwechselnde Umwandlung einer GmbH in die Rechtform einer AG bzw. umgekehrt anwendbaren Vorschriften des AktG und des GmbHG sinngemäß auch für die Umwandlung einer FlexCo in eine GmbH oder AG sowie umgekehrt für die Umwandlung von AG oder GmbH in eine FlexCo anwendbar.

FlexCo – ein erster Schritt Richtung internationaler Wettbewerbsfähigkeit

Sollte der Ministerialentwurf Gesetz werden, würde die österreichische Rechtsordnung eine gegenüber der derzeitigen GmbH deutlich modernere und den Erwartungen und Anforderungen auch von internationalen Investoren in erheblichen Aspekten entgegenkommende Rechtsform bieten.

Freilich wären über den Ministerialentwurf hinausgehende Erleichterungen und Flexibilisie-rungen denkbar, aber ein Anfang wäre gemacht.

Da die Rechtsform der FlexCo – anders als es die Erläuternden Bemerkungen zum Ministeri-alentwurf zunächst vermuten lassen – nicht nur Start-Ups, sondern auch etablierten, großen Unternehmen zur Verfügung steht, ist zu erwarten, dass sich die FlexCo rasch und auch auf Ebene von bestehenden Gesellschaften etablieren wird.

Foto: beigestellt, bearbeitet

 

Flower