Haftungsfreistellung – Ein Fall fürs Strafgericht?

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Übernimmt die Gesellschaft an das Management gerichtete Strafen, ist Vorsicht geboten: Ist das Unternehmen zu großzügig, droht die Bestrafung wegen Untreue. Sind bereits in der Vergangenheit Strafen übernommen worden, sollte überlegt werden, die Strafe an das Unternehmen zurückzuzahlen, um Straffreiheit zu erlangen.

In vielen Fällen – vor allem im strafrechtlichen Bereich – sind Unternehmen froh, wenn der Verstoß gegen ein (Straf-)Gesetz dadurch bereinigt werden kann, dass der verantwortliche Manager (nur) eine Geldstrafe leistet. Bei der Frage, wer die Geldstrafe wirtschaftlich zu tragen hat, sind die Blicke der betroffenen Personen dann aber oft an das Unternehmen gerichtet: Es wird erwartet, dass die Gesellschaft die Strafe bezahlt oder dem betroffenen Vorstandsmitglied bzw Geschäftsführer zumindest im Nachhinein refundiert. Durch solche Haftungsfreistellungen können die beteiligten Personen aber sprichwörtlich vom Regen in die Traufe kommen. Wie die Finanzmarktaufsicht (FMA) für den Bankenbereich ausgesprochen hat, kann die Übernahme einer Strafe durch die Gesellschaft nämlich eine Untreuehandlung sein. Den „Tätern“ drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Die von der FMA für die Beurteilung einer solchen Untreue festgelegten Parameter, gelten durchaus auch für Nicht-Banken.

Die „Standard“-Haftungsfreistellung.
Mitglieder der Geschäftsführung versuchen oft bereits beim Abschluss ihres Vorstands- bzw Geschäftsführervertrages möglichen Haftungen vorzubauen, indem sie Haftungsfreistellungen in ihren Vertrag verhandeln. In den Verträgen heißt es dann oft, dass sich die Gesellschaft dazu verpflichtet, das Organ „auf erstes Anfordern von sämtlichen Kosten und Strafen, die aus behördlichen und/oder gerichtlichen Verfolgungen resultieren, gänzlich schad- und klaglos zu halten“. Ergänzend dazu, wird oft festgehalten, dass dem Organ auch ein anwaltlicher Vertreter nach dessen Wahl beizustellen ist. Nach dem Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit), der Art der Strafe oder der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft wird in der Regel nicht differenziert.

Zivilrechtlich unwirksam.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich in den vergangenen Jahren bereits mehrfach mit derartigen Haftungsfreistellungen auseinandergesetzt und urteilte klar: Haftungsfreistellungen, die abgeschlossen werden, bevor die strafbare Handlung begangen wird, sind nichtig und führen weder zu einem Anspruch des betroffenen Organs noch zu einer Verpflichtung des Unternehmens. Der OGH hat dies wie folgt begründet: „Das Übel der Strafe soll nach dem Gesetz denjenigen treffen, der den Verstoß gegen die Strafsanktion stehende Bestimmung zu vertreten hat. Eine davon abweichende, im Vorhinein getroffene zivilrecht-liche Vereinbarung verstößt gegen diesen Zweck und kann somit nicht wirksam getroffen werden“ (9 ObA 284/92). Im Ergebnis sind damit die in den Anstellungsverträgen vereinbarten Haftungsfreistellungen unwirksam.
Wird die Übernahme der Strafe hingegen erst nach der Gesetzesverletzung vereinbart, sind die Zivilgerichte großzügiger. In diesem Fall wird die vertragliche Überwälzung von (Verwaltungs-)Geldstrafen für zulässig erachtet, soweit nicht vorsätzliche Schädigung und damit schwerstes Verschulden des betroffenen Organs vorliegt.

Untreue durch Übernahme der Strafe?
Die FMA baut nun auf der zivilrechtlichen Judikatur zur Übernahme von Strafen auf und verknüpft sie gleichzeitig mit dem strafrechtlichen Untreuetatbestand. Die FMA verfolgt dabei den (richtigen) Gedanken, dass die Vereinbarung der Übernahme der Strafe vor Begehung der gestraften Handlung zivilrechtlich unwirksam ist. Würde nun die Gesellschaft trotz dieser Unwirksamkeit die Strafe bezahlen bzw refundieren, wäre dies die Bezahlung einer Nichtschuld. Mit anderen Worten: Die Gesellschaft würde eine Zahlung vornehmen, obwohl keine rechtliche Verpflichtung dazu besteht. Dies ist – entsprechender Vorsatz vorausgesetzt – eine Untreuehandlung. § 153 StGB (Untreue) verbietet nämlich, dass
• ein Träger gesetzlicher, behördlicher oder rechtsgeschäftlich eingeräumter Befugnis
• durch wissentlichen Missbrauch dieser Vertretungsmacht
• seinen Machtgeber an dessen Vermögen schädigt.

Die Vertreter eines Unternehmens dürfen somit keine Vertretungshandlungen setzen, die – wiederum entsprechender Vorsatz vorausgesetzt – das Unternehmen schädigen. Handelt das Management untreu, kann der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft werden. Wird der Gesellschaft dabei ein Schaden von mehr als 3.000 Euro bzw 50.000 Euro zugefügt, erhöht sich der Strafrahmen sogar auf drei bzw zehn Jahre. Wesentlich ist, dass der Tatbestand der Untreue keinen Bereicherungsvorsatz voraussetzt. Der Täter macht sich daher auch dann strafbar, wenn er aus der Übernahme der Strafe durch die Gesellschaft keinen persönlichen Vorteil zieht.

Standpunkt der FMA.
Folglich hält die FMA (bezogen auf den Fall der Aktiengesellschaft) fest, dass die Übernahme der Strafe durch die Gesellschaft eine Untreuehandlung der Aufsichtsratsmitglieder indiziert, wenn
• die Übernahme der Strafe mit dem Aufsichtsrat schon vor der Begehung der Tat vereinbart wurde;
• die Tat vorsätzlich begangen wurde, oder
• der Aufsichtsrat sein Ermessen zur Übernahme der Strafe pflichtwidrig ausgeübt hat.

Wenngleich die FMA ihre Stellungnahme für den Bankenbereich abgegeben hat, sind die definierten Kriterien aber dahingehend verallgemeinerungsfähig, dass sie auch für Nicht-Banken gelten. Die Regeln gelten auch für die GmbH, wobei sie sich hier an die gegenüber der Geschäftsführung vertretungsbefugte Generalversammlung richten (davon ausgenommen der Fall, dass sämtliche Gesellschafter der Übernahme der Strafe zustimmen). Vom strafrechtlichen Verbot umfasst sind ferner die von der Geldstrafe befreiten Vorstandsmitglieder bzw Geschäftsführer. Sie kommen zwar nicht als unmittelbare Täter in Betracht, unterliegen aber als sog „Beitragstäter“ demselben Strafrahmen.

Präventions-Checkliste.
Um zu vermeiden, dass durch die Übernahme von (Verwalungs-)Geldstrafen die handelnden Personen selbst zu Tätern der Untreue werden, ist daher Folgendes zu beachten:
• die Übernahme der Strafe darf erst nach der Begehung der Tat erfolgen;
• es darf sich um keine Vorsatztat handeln und
• der Aufsichtsrat bzw die Generalversammlung muss ihr Ermessen pflichtgemäß ausüben.
Zur pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens zählt es wiederum, dass i) das entsprechende Gremium die Übernahme der Strafe erst nach entsprechender Diskussion und Reflexion im Entscheidungsgremium beschließt, ii) die Übernahme nur dann erfolgt, wenn das betroffene Organ nicht bereits mehrmals (vor allem nicht für den gleichen Straftatbestand) bestraft wurde, und iii) sich die Gesellschaft nicht in einer wirtschaftlich angespannten Situation befindet.

Straffreiheit durch Tätige Reue.
Sofern ein Unternehmen in der Vergangenheit entgegen den vorgenannten Grundsätzen (Verwaltungs-)Geldstrafen übernommen hat, sollte im Sinn der „Tätigen Reue“ überlegt werden, den Schaden wieder gutzumachen und dadurch Straffreiheit zu erlangen. Konkret müsste der Gesellschaft die bezahlte Geldstrafe zur Gänze zurückerstattet werden. Sofern diese Schadensgutmachung erfolgt, bevor die zur Strafverfolgung berufene Behörde (das ist im konkreten Fall die Staatsanwaltschaft) davon erfahren hat, bewirkt die „Tätige Reue“ eine vollständige Straffreiheit: Der „Täter“ kann somit nicht mehr bestraft werden – die Strafe bleibt aber auch beim Manager.

TIPPS FÜR DIE PRAXIS
1. An Organe gerichtete Geldstrafen dürfen erst nach Begehung der Tat übernommen werden und auch nur dann, wenn es sich nicht um eine Vorsatztat handelt.
2. Im entsprechenden Gremium (Aufsichtsrat, Generalversammlung) bedarf die Übernahme der Strafe einer entsprechenden Diskussion und Reflexion (dies ist auch im Sitzungsprotokoll zu dokumentieren).
3. Bei wirtschaftlich angespannter Situation des Unternehmens ist die Übernahme einer Strafe weitgehend unzulässig.
4. Pflichtwidrig übernommene Strafen können den Untreuetatbestand (Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren) erfüllen.

MMag. Dr. Christopher Schrank

www.btp.at

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