Insolvenz-Welle: Restrukturierung als Notbremse

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Felix Hörlsberger und Magdalena Nitsche von DORDA
Felix Hörlsberger und Magdalena Nitsche von DORDA

2023 wurde nicht nur die Zahl der Insolvenzanträge des Vorjahres deutlich übertroffen, sondern auch jeweils jener der beiden Jahre vor der Pandemie. Nach einer ersten Insolvenzwelle kleiner Unternehmen sind nun auch vermehrt größere Unternehmen betroffen.

Dennoch herrscht bei Akteuren auf dem C-Level oft Unklarheit, was Sanierung und Insolvenz sowie insbesondere die damit verbundenen Haftungsgefahren betrifft. Dabei kann das Timing beispielsweise darüber entscheiden, ob man als Mitglied der Geschäftsführung bei Sanierungsbemühungen persönlich haftet und – wenn auch nur in extremen Fällen – mit einem Bein im Strafrecht steht.

Partner Felix Hörlsberger und Rechtsanwältin Magdalena Nitsche von DORDA, eine der größten Rechtsanwaltskanzleien Österreichs, klären über außergerichtliche Möglichkeiten zur Vermeidung einer Insolvenz auf und erläutern, wieso die neue Restrukturierungsordnung in Österreich – anders als in Deutschland – bislang kein Erfolgsmodell ist.

2023 wurden in Österreich 5.380 Insolvenzanträge gezählt. Das bedeutet einen 13-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr bzw. einen 7-prozentigen Zuwachs im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Covid-Pandemie. Die Tendenz ist in jedem Fall steigend, denn der KSV1870 erwartet 2024 sogar 5.800 bis 6.000 Insolvenzanträge.1 „Waren 2023 viele Insolvenzen zu beobachten, die durch die Hilfszahlungen in der Pandemiezeit verzögert eingetreten sind, ziehen drohende Unternehmenspleiten nun weite Kreise und betreffen größere Unternehmen, unter anderem in den Bereichen Immobilien, Automotive und Retail. Wir empfehlen Unternehmen, sich davor zu wappnen„, erklärt Felix Hörlsberger, Partner und Leiter der Praxisgruppe Versicherung und Restrukturierung bei der Kanzlei DORDA.

Schnelles, überlegtes Handeln gefordert

„Viele Geschäftsführer:innen setzen sich nicht mit dem Szenario einer drohenden Insolvenz auseinander. Dabei ist schnelles und richtiges Handeln, idealerweise in Abstimmung mit Rechtsexpert:innen, besonders wichtig. Das Stichwort ist hier ‚Krisenfrüherkennung‘, die nur funktioniert, wenn die Geschäftsleitung stets über betriebswirtschaftlich relevante Daten Kenntnis hat und auf dieser Basis prüft, ob die finanzielle Situation des Unternehmens gefährdet ist bzw. möglicherweise bereits ein Insolvenzantragsgrund vorliegt. Riskant ist es, wenn Geschäftsleiter zu lange zu optimistisch in die Zukunft schauen. Eine Sanierung ist dann oft gar nicht mehr möglich„, unterstreicht Rechtsanwältin Magdalena Nitsche.

Rund jedes zweite Konkursverfahren wird einer Studie zufolge verschleppt oder zu spät eingeleitet. Bei Sanierungsverfahren ist es etwa ein Drittel.2 Das liegt an den recht engen Fristen. Die Nichteinhaltung kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. „Liegt ein Insolvenzgrund vor, müssen Geschäftsführer spätestens binnen 60 Tagen einen Insolvenzantrag stellen. Andernfalls machen sie sich persönlich für durch die Verzögerung entstandenen Schäden der Gläubiger und zusätzlich für nach der Insolvenz erfolgte Zahlungen haftbar„, sagt Nitsche. Bei Fehlverhalten kann zudem der Straftatbestand der fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen oder betrügerischer Krida erfüllt sein, wenn beispielsweise Vermögen der Gesellschaft verringert wird, wodurch die Befriedigung von Gläubigern geschmälert oder gar vereitelt wird.

Durch frühzeitiges Erkennen der Gefahrenlage und schnelles Handeln kann in vielen Fällen die Eröffnung eines Konkursverfahrens verhindert werden. Gerichtliche und öffentliche Sanierungsverfahren stellen eine – in Österreich sehr gut funktionierende – Möglichkeit dar, sind jedoch oft mit Kollateralschäden, wie etwa Reputationsschäden bei Kunden, Lieferanten oder Partnern verbunden. Darüber hinaus fallen Gerichtskosten und die Kosten des Insolvenz- bzw. Sanierungsverwalters an.

Außergerichtlicher Ausgleich als beliebte Option

In Österreich hat sich der außergerichtliche Ausgleich bewährt. Dabei handelt es sich um einen privatrechtlichen Vertrag zwischen Schuldner und Gläubigern. Dieser räumt Unternehmen eine hohe Flexibilität ein. In der Regel werden höhere Quoten für die Gläubiger erzielt. Zudem erspart sich das Unternehmen die Gerichtskosten„, zählt Hörlsberger die Vorteile auf.

In einer ersten Phase kann von den beteiligten Banken eine „Standstill-Periode“ vereinbart werden. In dieser Zeit kann der Schuldner ein Restrukturierungskonzept vorbereiten und allenfalls weiter Kreditlinien in Anspruch nehmen. Es muss in dieser Phase aber sichergestellt sein, dass kein Gläubigerschaden entsteht. Die zweite Phase dient dazu, eine Restrukturierungsvereinbarung aufzusetzen, der alle Banken zustimmen müssen. Dabei wird analysiert, ob eine Stundung reicht oder ob neue Liquidität von Banken oder den Eigentümern benötigt wird. „Das betroffene Unternehmen muss laufend Zahlen liefern, Berichte erstellen und dabei unterschiedliche Meilensteine erfüllen. Bei einer außergerichtlichen Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten ist von größter Bedeutung, die Finanzgläubiger möglichst rasch einzubinden und an Lösungen zu arbeiten. Oftmals geht das aber nur, wenn auch der Eigentümer bereit ist, einen Finanzierungsbeitrag zu leisten“, so Nitsche.

Neue Restrukturierungsordnung bisher nicht relevant

In Österreich trat am 17.7.2021 die Restrukturierungsordnung (ReO) in Kraft. Basierend auf der EU-Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL), wurde ein gerichtliches Verfahren geschaffen, das nicht zwingend öffentlich ist und bei dem Eigenverwaltung vorgesehen ist. Im Gegensatz zum außergerichtlichen Ausgleich muss der Restrukturierungsplan nur von der einfachen Kopfmehrheit der Gläubiger sowie zumindest 75 Prozent Summenmehrheit pro Gläubigerklasse und nicht von allen Gläubigern angenommen werden.

Während Deutschland die EU-Richtlinie mit dem StaRUG (seit 1.1.2021 in Kraft) nicht nur umgesetzt hat, sondern das Gesetz mittlerweile in rund 30 Fällen erfolgreich angewendet wurde, sind in Österreich bisher keine Anwendungsfälle der ReO bekannt. Das hat laut Hörlsberger folgende Gründe: „Erstens ist die Umsetzung in Österreich etwas missglückt und zu kompliziert. Zweitens ist die Richtlinie auf Unternehmen zugeschnitten, deren Geschäftsmodell nach wie vor funktioniert, die jedoch hohe Finanzverbindlichkeiten aufweisen. Das trifft meist nur auf sehr große Unternehmen zu, von denen es in Deutschland schlicht und einfach mehr gibt. Drittens existieren hierzulande die 2015 von Banken und Beratern erstellten und sehr populären Grundsätze für Restrukturierungen in Österreich, die oft für außergerichtliche Sanierungen herangezogen werden. Aufgrund dieser Rechtslage ist davon auszugehen, dass die außergerichtliche Einigung in Österreich weiterhin hohes Ansehen genießt. Darüber hinaus gibt es in Österreich das sehr gut funktionierende gerichtliche Sanierungsverfahren, über welches sich Unternehmen, im besten Fall innerhalb von drei Monaten, sanieren können.“

Fotos: Studio Koekart, beigestellt, Montage

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