Interview: Die „Hard Facts“ des 12 Stunden Tages

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Der Arbeitsrechtsexperte Mag. Horst Lukanec im Interview zu den Hard Facts des 12 Stunden Tages

Sieberer: Herr Mag. Lukanec, im Nationalrat wurden heute wesentliche Änderungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes beschlossen. Können Sie uns sagen wann diese Änderungen relevant sein werden und uns die wichtigsten Facts nennen?

Lukanec: Die Änderungen treten bereits mit 1. September 2018 in Kraft. Die wohl folgenreichste Änderung ist, dass die höchstzulässige tägliche bzw. wöchentliche Arbeitszeit generell auf 12 Stunden bzw. 60 Stunden erhöht wird. Die 11. und 12. tägliche Arbeitsstunde kann jedoch von den Arbeitnehmern grundsätzlich ohne Angaben von Gründen abgelehnt werden (Stichwort „Freiwilligkeit“).

Zu einer Änderung der Normalarbeitszeit von generell 8 Stunden täglich bzw. 40 Stunden wöchentlich kommt es jedoch nicht.

Werden diese verlängerten Arbeitszeiten zu mehr Einkommen führen?

Naja, im Wesentlichen handelt es sich bei der Erhöhung der höchstzulässigen Arbeitszeiten um eine Maßnahme die natürlich einen größeren Spielraum für grundsätzlich zuschlagspflichtige Mehrleistungen bietet.

Was passiert bei „All-In Vereinbarungen“?

Ob diese auch Mehrleistungen zwischen 10 und 12 Stunden pro Tag bzw. 50 und 60 Stunden wöchentlich abdecken wird anhand der konkreten Vertragsbestimmungen beurteilt werden müssen und könnte im Einzelfall eventuell zum Streitfall führen.

Was passiert mit den „bisher maximal 10 Überstunden pro Woche“?

Bis dato durften maximal 320 Überstunden pro Jahr erbracht werden. Die Änderung des AZG wird dieses Überstundenkontingent zum einen deutlich erhöhen, es aber auch deutlich flexibilisieren. Künftig wird es zulässig sein, maximal 20 Überstunden pro Woche zu erbringen, jedoch unter EU-rechtlichen Einschränkungen. Im Ergebnis können bei idealer Verteilung – also 8 Überstunden pro Woche – 416 Überstunden pro Jahr erbracht werden dürfen.

Gibt es auch neue Ausnahmen vom Geltungsbereich des AZG/ARG?

Wesentliche Änderungen betreffen die Erweiterung des Personenkreises der von den Bestimmungen des AZG bzw. ARG ausgenommenen Arbeitnehmern. Insbesondere werden neben den „leitenden Angestellten“ nun auch „sonstige Arbeitnehmer denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist“ vom Geltungsbereich des AZG und des ARG ausgenommen werden. Grundvoraussetzung für die Ausnahme der „sonstigen Arbeitnehmer denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist“ ist jedoch, dass die Arbeitszeit nicht gemessen wird oder im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt wird.

Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint die Reichweite dieser neuen Ausnahmebestimmung durchaus fraglich und hätte z.B. die Auswirkung, dass auch für solche Arbeitnehmer keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt werden müssten und insbesondere die gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen bzw. Grenzen im Hinblick auf Überstundenleistungen nicht zur Anwendung gelangen würden.

Was passiert mit der Wochenend- und Feiertagsruhe?

Hier gibt es eine neue Ausnahmebestimmung bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf geben und zwar grundsätzlich branchenunabhängig für alle Unternehmen – ausgenommen Verkaufstätigkeiten nach dem Öffnungszeitengesetz.

Alle Unternehmen haben künftig die Möglichkeit, für diese Fälle Vereinbarungen abschließen zu können, um Arbeitnehmer an maximal 4 Wochenenden oder Feiertagen (pro Arbeitnehmer) einsetzen zu können, wobei die 4 Wochenenden nicht hintereinanderliegen dürfen.

Wie auch bei der 11. und 12. täglichen Arbeitsstunde können die Arbeitnehmer die Arbeitsleistung an den Wochenenden bzw. Feiertagen jedoch grundsätzlich ohne Angaben von Gründen ablehnen.

Es sind also Änderungen die insgesamt sehr weitrechend sein werden?

Ja, aus diesem Grund haben wir die kommenden Änderungen als Themenschwerpunkt in unseren aktuellen vierteljährlichen Newsletter aufgenommen. Diesen Newsletter findet man auf unserer Website.

Danke für das Interview

www.bindergroesswang.at

 

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