Keine Haftung des bloß faktischen Geschäftsführers für Steuerschulden

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Faktischer Geschäftsführer ist, wer nach außen wie ein Geschäftsführer auftritt und nach innen faktisch die Geschäfte der Gesellschaft führt; beides jedoch ohne formell als Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt zu sein. Der tatsächlich bestellte Geschäftsführer ist in solchen Fällen lediglich als Strohmann tätig. Die eigentliche Geschäftsführung liegt bei einem Dritten, der quasi als graue Eminenz im Hintergrund die Fäden zieht.

Die zivil- bzw gesellschaftsrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers wird im juristischen Schrifttum durchaus ausgiebig behandelt. Hierbei gilt grundsätzlich, dass der faktische Geschäftsführer dann wie ein formell als Geschäftsführer bestelltes Mitglied der Geschäftsführung haftet, wenn er in Folge maßgeblicher Einflussnahme auf die Leitung der Gesellschaft diese oder deren Gläubiger schädigt (Stichwort „Durchgriffshaftung“).

Anderes gilt im Bereich des Steuerrechts. Die einschlägige Bestimmung des § 9 der Bundesabgabenordnung (BAO), die eine Ausfallshaftung der gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen vorsieht, gilt nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich für die formell bestellten Mitglieder der jeweiligen Leitungsorgane (Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Mitglieder von Stiftungsvorständen,…). Andere Personen – wie etwa faktische Geschäftsführer – können nach dieser Bestimmung daher nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine erst jüngst ergangene Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates (UFS 22.2.2011, RV/1438-10/W). In dieser hatte sich die Berufungsbehörde im Rahmen eines Haftungsverfahrens mit dem Argument des (formell bestellten) Geschäftsführers auseinanderzusetzen, wonach in Wirklichkeit eine andere Person faktisch die Geschäfte geführt habe. Deshalb – so der Berufungswerber im Haftungsverfahren sinngemäß – könne ihm persönlich an der Nichtentrichtung von Abgaben der Gesellschaft kein Vorwurf gemacht werden. Der UFS hat diese Sichtweise nicht geteilt. Im Gegenteil: Das für die Geschäftsführerhaftung gemäß § 9 BAO notwendige Verschulden sei bereits dann gegeben, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw überhaupt eine Beschränkung in Kauf nimmt, die ihm die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber den Abgabenbehörden unmöglich macht. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stelle eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar. Aufgrund dieser schuldhaften Pflichtverletzung des formellen Geschäftsführers dürfe die Abgabenbehörde – auch nachständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – davon ausgehen, dass diese die Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Die Entscheidung des UFS schließt freilich nahtlos an die frühere Judikatur zur abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung an. Die Überlassung der faktischen Geschäftsführung an einen Dritten (regelmäßig ein Gesellschafter oder bei Privatstiftungen der Stifter) stellt per se eine vorwerfbare Fehlleistung dar, zumal sich der formelle Geschäftsführer damit in der Regel seiner Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten begibt. Will man sich nicht potentiellen Haftungsrisiken aussetzen, ist daher von der Übernahme einer bloß formellen Geschäftsführungsfunktion aus abgabenrechtlicher Sicht dringend abzuraten.

Dr. Franz Althuber, LL.M. ist Rechtsanwalt bei DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte in Wien und Leiter der Practice Group
Dr. Klaus Perl ist Rechtsanwaltsanwärter

www.dlapiper.com

Foto: Dr. Franz Althuber, beigestellt

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