Publizitätspflichten bei M&A Transaktionen

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Bei M&A-Transaktionen zwischen Unternehmen, von denen zumindest eines (oder aber die Zielgesellschaft) „kapitalmarktorientiert“ ist, sind neben gesellschafts- und unternehmensrechtlichen Bestimmungen auch kapitalmarktrechtliche Regelungen zu beachten.

Beim Erwerb und der Veräußerung eines Unternehmens bzw. einer Beteiligung durch ein kapitalmarktnahes Unternehmen stellt sich die Frage, ob hierbei – und bejahendenfalls wann – eine die börserechtliche Ad-hoc Meldepflicht auslösende Insider-Information vorliegt. Darunter ist eine der Öffentlichkeit nicht bekannte, genaue Information zu verstehen, die direkt oder indirekt einen Emittenten von Finanzinstrumenten (oder letztere selbst) betrifft, und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.

Veröffentlichungspflichtige Insider-Information
Die herrschende Meinung erachtet öffentlich nicht bekannte M&A-Transaktionen bei entsprechender Kursbeeinflussungsmöglichkeit als veröffentlichungspflichtige Insider-Information. Die Kursbeeinflussungsmöglichkeit ist im Vorhinein aus der Sicht eines verständigen Anlegers dahingehend zu prüfen, ob aus der zu erwartenden Kursbewegung ein erheblicher Kauf-/Verkaufsanreiz resultiert. Bagatellfälle, die nicht geeignet sind, den Kurs erheblich zu beeinflussen, sind nicht von der Ad-hoc-Meldepflicht erfasst. Besteht die „Kapitalmarktnähe“ lediglich darin, dass eines der beteiligten Unternehmen Schuldverschreibungen emittiert hat, wird vertreten, dass das Kriterium der Möglichkeit zur Kursbeeinflussung weniger streng zu sehen ist.

„Genaue“ Information
Wann genau bei M&A-Transaktionen, die sich in aller Regel über einen längeren, mehrere Zwischenschritte umfassenden Zeitraum erstrecken, eine Insider-Information vorliegt, ist im Detail strittig. Ausschlaggebend ist der Genauigkeitsgrad der Information. Das Gesetz erachtet eine Information dann als genau, wenn sie bereits existierende Tatsachen erfasst bzw. solche Tatsachen, die mit „hinreichender Wahrscheinlichkeit“ in Zukunft eintreten werden, und diese Tatsachen ausreichend „bestimmt“ sind, um die Kursbeeinflussungseignung abschätzen zu können. Nicht nur der bereits erfolgte Abschluss einer Transaktion ist bei Kurserheblichkeit zu melden, sondern es ist bereits im Verhandlungsprozess selbst laufend zu prüfen, ob der Eintritt des Abschlusses „hinreichend wahrscheinlich“ und somit zu veröffentlichen ist. Dabei gilt es zu beachten, dass eine überhastete Meldung die Marktintegrität ebenso stören (und somit haftungsbegründend sein) kann, wie eine verspätete Marktinformation.

Hinreichende Wahrscheinlichkeit des Ereigniseintritts
Während der Begriff der hinreichenden Wahrscheinlichkeit keine genauere gesetzliche Definition erfährt, kann als Untergrenze der Eintrittswahrscheinlichkeit jedenfalls 50 % angenommen werden. Der UVS Wien hat in einer 2010 ergangenen Entscheidung einen sehr hohen Wahrscheinlichkeitsgrad gefordert. Demnach kann von hinreichender Genauigkeit nur gesprochen werden, wenn nach kaufmännischem Ermessen kein vernünftiger Grund, am Abschluss zu zweifeln, besteht und über alle wesentlichen Vertragspunkte Einigkeit herrscht – der Abschluss des Geschäftes somit als reine Formsache anzusehen ist.

Erstmaliges Auftreten von Insider-Informationen bei M&A-Transaktionen
Umgelegt auf die einzelnen Zwischenschritte einer M&A-Transaktion bedeutet dies, dass Vorbereitungen zu Transaktionsverhandlungen (z.B. interne Entscheidung zur Kontaktaufnahme oder Abgabe eines nicht bindenden Angebotsschreibens) im Normalfall noch nicht als Insider-Informationen zu qualifizieren sind.

Ebensowenig wird ein Letter of Intent – sofern es sich nicht um einen verbindlichen Vorvertrag handelt – für sich allein ausreichen, um von einer Insider-Information auszugehen (daran ändert auch in der Regel eine zeitlich befristete Exklusivitätsvereinbarung nichts).

Auch die Teilnahme an einer Due Diligence Prüfung, selbst wenn diese zu einem zufrieden stellenden Ergebnis führt, stellt für gewöhnlich keine hinreichend genaue Information dar, zumal die Vertragsverhandlungen meist noch ausstehen.

Während Vertragsverhandlungen liegt eine genaue Information im Allgemeinen erst vor, wenn über alle wesentlichen Eckpunkte des Vertrages, wie insbesondere Kaufpreis und Haftungsregelungen, Einigkeit erzielt wurde und zugleich eine feste Erwerbs- und Veräußerungsabsicht besteht. Eine allenfalls noch einzuholende Zustimmung durch ein weiteres Gesellschaftsorgan (z.B. Aufsichtsrat) steht dem Vorliegen einer Insider-Information nicht entgegen, sofern mit der Zustimmung gerechnet werden kann.

Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Transaktion kann bei Käufer und Verkäufer unterschiedlich bewertet werden – so geht die FMA etwa davon aus, dass bei fester Absicht, ein Unternehmen (eine Beteiligung) oder einen Betriebsteil zu veräußern, bereits vor dem Zeitpunkt des Feststehens eines Käufers von einer Insider-Information auszugehen ist.

Unverzüglichkeit der Meldepflicht
Die Insider-Information ist der Öffentlichkeit unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, bekannt zu geben. Ebenso sind erhebliche Veränderungen (z.B. Kaufpreisänderungen) zu bereits bekannt gegebenen Insider-Informationen unverzüglich zu veröffentlichen.

Aufschubmöglichkeit der Ad-hoc Meldung
Unter bestimmten Voraussetzungen besteht allerdings die gesetzliche Möglichkeit, die Veröffentlichung der Insider-Information vorerst aufzuschieben, und zwar wenn (i) die Bekanntgabe die berechtigten Interessen des Unternehmens gefährden könnte, (ii) keine Eignung zur Irreführung der Öffentlichkeit vorliegt und (iii) die Vertraulichkeit der Information gewährleistet werden kann. Beispiele für berechtigte Interessen sind z.B. die ausstehende Organzustimmung (also Fälle, in denen die Zustimmung ungewiss ist) oder die Befürchtung, dass ein Konkurrenzunternehmen laufende Verhandlungen vereiteln könnte.

Rechtsfolgen bei Missachtung
Die Verletzung der Ad-hoc Pflicht kann von der FMA mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu 60.000 Euro geahndet werden (sowohl gegen die organschaftlichen Vertreter als auch gegen die Gesellschaft selbst). Zusätzlich kann die Öffentlichkeit über den Verstoß gegen die Meldepflicht informiert sowie in besonders schwerwiegenden Fällen die Börsezulassung entzogen werden. Überdies besteht – unabhängig von der zivilrechtlichen Haftung – die Möglichkeit, dass sich die Organe der Gesellschaft gerichtlich strafbar machen, wenn sie in einer Ad-hoc-Mitteilung vorsätzlich Tatsachen unrichtig wiedergeben, verschleiern oder verschweigen.

Sonstige zu beachtende Bestimmungen
Bei M&A-Transaktionen betreffend börsenotierter Zielgesellschaften ist im Übrigen auch die Beteiligungstransparenz zu beachten. So hat eine Offenlegung der Beteiligungsverhältnisse zu erfolgen, wenn infolge einer offenlegungspflichtigen Transaktion die Beteiligung eines Aktionärs gesetzliche festgelegte Stimmrechtsschwellen (ab 5 %) erreicht, überschreitet oder unterschreitet.

Zusätzlich zu und unabhängig von den kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen können gegebenenfalls auch zusammenschluss- und übernahmerechtliche Vorschriften (Verpflichtung zur Stellung eines Pflichtanbots an die Aktionäre einer börsenotierten Gesellschaft) sowie das Außenwirtschaftsgesetz zu berücksichtigen sein. Letzteres sieht beim Erwerb österreichischer Beteiligungen durch Käufer aus „Drittstaaten“ eine vorherige Genehmigungspflicht durch den Wirtschaftsminister vor, sofern das betreffende Unternehmen in bestimmten, für die Öffentlichkeit bedeutsamen Bereichen (u.A. Verteidigungsindustrie, Energieversorgung, Telekommunikation) tätig ist.

MMag. Philip Hoflehner
Mag. Norbert Wiegele
www.taylorwessing.com

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