Der Oberste Gerichtshof entschied jüngst (OGH 16.12.2015, 3 Ob 194/15y; noch nicht im RIS veröffentlicht) über einen dem UN-Kaufrecht unterliegenden internationalen Kunstkauf.
Es lagen erhebliche Mängel vor, sodass die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach Art. 49 Abs 1 lit a CISG (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods) ausgesprochen wurde. Diese Vertragsaufhebung wegen wesentlicher Vertragsverletzung lässt Rückschlüsse zu, wie ein vergleichbarer Fall nach nationalem Gewährleistungsrecht zu entscheiden wäre.
Warhol-Originaldruck.
Die klagende GmbH erstand (grenzüberschreitend) in der Galerie der Beklagten einen Unikat-Handsiebdruck von Andy Warhol. Für das Werk aus 1985 zahlte die Klägerin € 70.000,-. Das Bild war gerahmt sowie hinter Acrylglas und soweit ersichtlich in einem einwandfreien Zustand. Als die Klägerin rund eineinhalb Jahre später das Bild neu rahmen lassen wollte, wurden Knicke im Karton, Kratzer in der Farboberfläche, eine verwackelte Schnittkante, auf der Rückseite zahlreiche Verletzungen der Kartonoberfläche und Papierlagen-Abrisse festgestellt.
Die Argumente der Parteien. Der Geschäftsführer der Klägerin gab an, für ihn würden diese Beeinträchtigungen erhebliche Mängel darstellen. Das Werk wäre für ihn in Kenntnis der Mängel subjektiv wertlos. Die Käuferin zog daher zu Gericht und begehrte Rückabwicklung, da eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art 25 CISG („eine von einer Partei begangene Vertragsverletzung ist wesentlich, wenn sie für die andere Partei solchen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, es sei denn, dass die vertragsbrüchige Partei diese Folge nicht vorausgehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte“).
Die Galerie wandte ein, es liege überhaupt keine erhebliche Verletzung vor. Die Klägerin hätte zudem das Werk bereits zum Kaufzeitpunkt eingehend untersuchen müssen. Die Mängel seien erst mit erheblicher Verspätung gerügt worden und daher sei gemäß Art. 39 Abs 1 CISG („der Käufer verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet“) das klägerische Begehren verspätet. Während das Verfahren lief, versuchte die beklagte Galerie – letztlich erfolglos – einen neuen Käufer für das Werk zu finden
Die Klägerin replizierte, es sei nicht üblich, dass Privatpersonen (jemand, der kein professioneller Akteur am Kunstmarkt ist) beim Ankauf eines solchen Werks den vorhandenen Bilderrahmen zerlegen, um den Zustand des Bildes festzustellen. Im seriösen Kunsthandel könne der Kunde im Zweifel damit rechnen, dass der Zustand eines Kunstwerks dessen Alter entspricht. Bei einem aus dem Jahr 1985 stammenden Druck von Andy Warhol konnte man einen zwar nicht druckfrischen, aber doch sonst makellosen Zustand erwarten.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen. Im Gerichtsverfahren ergab sich, dass der objektive Wertverlust durch die Beeinträchtigungen am Kunstmarkt etwa 35% betrug. Beide Vorinstanzen gaben dem Begehrens auf Rückabwicklung des Vertrags statt Die Klägerin habe keine Obliegenheit getroffen, das Bild nach dem Kauf (durch Ausrahmung) näher zu untersuchen. Die angemessene Frist für die Rüge habe deshalb erst mit der Erkennbarkeit der Mängel im Zuge der Neurahmung zu laufen begonnen.
Klarstellungen des OGH
Das Höchstgericht bestätigte diese Entscheidungen. Es sprach aus, dass die Klägerin bezüglich ihrer Untersuchungsobliegenheit wie eine Privatperson zu behandeln sei. Eine Ausrahmung und eingehende Überprüfung iSd Art 38 Abs 1 CISG sei ihr zum Zeitpunkt des Kaufes nicht zumutbar gewesen. Weiters bejaht der OGH das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung. Eine Verbesserung komme aufgrund der teilweisen Unbehebbarkeit nicht in Betracht. Die Rückabwicklung des Vertrages sei zwar immer nur der letzte Ausweg, jedoch hier gerechtfertigt. Hinzu komme, dass es im konkreten Fall sogar für die Galerie unmöglich war, das Werk weiterzuverkaufen – ein Weiterverkauf durch die Käuferin sei daher unzumutbar.
Ausblick
Es ist (mit Einschränkungen) zu begrüßen, dass der OGH sämtliche Käufer, die nicht dem Kreis der Profis am Kunstmarkt entstammen, schützt. Die Abgrenzung, die im konkreten Fall gezogen wurde, nämlich ein Kauf „zu Dekorationszwecken“ ist allerdings womöglich zweifelhaft, denn wenn der Kaufzweck nicht ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht wird, ergeben sich bei solchen rein intrinsischen Faktoren in der Praxis erhebliche Beweisschwierigkeiten. Fraglich bleibt, ab welchem (höheren) Kaufpreis und bei welcher Expertise einem Käufer doch eine eingehendere Untersuchung zugemutet werden kann. Fraglich bleibt auch, welcher Sorgfaltsmaßstab anwendbar ist, wenn der Käufer beispielsweise zu Investitionszwecken oder für ein privates Spekulationsgeschäft kauft.
Wem ein makelloser Zustand auch von nicht sichtbaren Bestandteilen eines Werks (z.B. der Rückseite; nach klassischem österreichischen Gewährleistungsrecht wäre womöglich fraglich, ob überhaupt ein Mangel vorliegt) wichtig ist, dem sei auch trotz des nunmehrigen OGH-Urteils geraten, die Augen wegen möglicher „versteckter“ Mängel offenzuhalten. Im internationalen Kunsthandel gehören bei höherpreisigen Werken Echtheitszertifikate, Condition Reports und/oder ein ausdrücklich bedungener Werkzustand schon länger zum Branchenstandard. Redliche Verkäufer sollten (und werden), wenn sie Kenntnis von möglichen Mängeln haben, diese seriöser Weise im Verkaufsgespräch ansprechen.
Rechtsanwalt Mag Peter Melicharek, TEP und Mag Monika Widmann (Rechtsanwaltsanwärterin)
Foto: beigestellt
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