Im Blickpunkt: Das Bankeninterventions- und –restrukturierungsgesetz

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Günther Loibner und Haimo Sunder-Plassmann
Günther Loibner und Haimo Sunder-Plassmann

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Die Finanzmarktkrise hat deutlich gezeigt, dass viele Kreditinstitute ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel eine weltweite Krise nicht bewältigen können.

Ohne entsprechende Stützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand wären einige Kreditinstitute vor der Insolvenz gestanden, was wiederum kaum vorhersehbare Konsequenzen für den gesamten Finanzmarkt gehabt hätte. Diese Erfahrung hat verdeutlicht, dass zusätzliche Verfahren, die schon im Vorfeld solcher krisenhaften Entwicklungen ein wirksames Gegensteuern ermöglichen und im erforderlichen Fall auch eine geordnete Abwicklung von Banken ermöglichen, etabliert werden müssen.

Da dieses Problem aufgrund der weitreichenden Verflechtung der Kreditinstitute untereinander auch erhebliche Auswirkungen auf den weltweiten Finanzmarkt hat, hat die EU einen Entwurf einer Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Bank Recovery and Resolution Directive, kurz BRRD) erarbeitet. Der österreichische Gesetzgeber hat diesen Entwurf zum Anlass genommen und im Juni 2013 das Bankeninterventions- und –restrukturierungsgesetz (BIRG) verabschiedet, welches mit 01.01.2014 in Kraft treten wird. Das BIRG findet auf alle Kreditinstitute und Finanzholdinggesellschaften Anwendung, wohingegen Wertpapiergesellschaften – anders als im Richtlinienentwurf – vom Anwendungsbereich nicht erfasst werden.

Ziel dieses Gesetzes ist es, den (österreichischen) Finanzmarkt zu stabilisieren und zu verhindern, dass zukünftig öffentliche Mittel zur Rettung von Banken und Kreditinstituten aufgewendet werden müssen. Das derzeit für Kreditinstitute anwendbare Aufsichtsverfahren stellt auf manifeste Gesetzesverletzungen ab, greift also in der Regel zu spät ein, um gute Chancen auf die Sanierung eines Kreditinstitutes zu bieten. Zu diesem Zweck soll für die Aufsichtsbehörden ein Rahmen geschaffen werden, durch geeignete Maßnahmen eine drohende Bankeninsolvenz abzuwenden, indem ein frühes Eingreifen ermöglicht wird.

Das BIRG sieht zur Erreichung des Gesetzeszweckes die verpflichtende Erstellung eines Sanierungsplanes und die ebenfalls verpflichtende Erstellung eines Abwicklungsplanes vor. Die im Bankwesengesetz (BWG) neu implementierten Frühinterventionsmaßnahmen und der Sanierungsplan dienen letztlich der Prävention, während der Abwicklungsplan eine geordnete und für den Finanzmarkt nicht destabilisierende Abwicklung eines Kreditinstitutes sicherstellen soll.

In den Sanierungsplänen sind die vom Kreditinstitut bei signifikanter Verschlechterung der Finanzsituation zu ergreifenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Finanzstabilität des Kreditinstitutes zu definieren. Das BIRG sieht in seiner Anlage zu § 6 BIRG die im Sanierungsplan darzustellenden Informationen vor, welche unter anderem eine strategische Analyse, eine Aufstellung der kritischen Funktionen, einen Zeitplan für die Umsetzung, ein Spektrum an Kapital-, Liquiditäts- und Restrukturierungsmaßnahmen, etc. enthalten. Ein zentraler Aspekt des Sanierungsplanes sind darüber hinaus die vom Kreditinstitut festzulegenden Auslöseereignisse gemäß der Risikotragfähigkeit, sohin die Definition von Ereignissen, bei deren Vorliegen der Sanierungsplan umgesetzt werden soll. Eine weitere Vorgabe besteht darin, dass keine Zuhilfenahme öffentlicher Mittel, jedoch die Inanspruchnahme von Nationalbankfazilitäten im Sanierungsplan vorgesehen werden darf. Die Sanierungspläne sind von den Kreditinstituten zu erstellen und von der FMA zu überprüfen, wobei die Österreichische Nationalbank über gutachterliche Äußerungen in die Prüfung eingebunden wird. Sanierungspläne sind mindestens einmal jährlich, sonst bei Bedarf (wesentliche Änderungen im Kreditinstitut) oder über Verlangen der FMA zu aktualisieren.

Bei potenziellen Sanierungshindernissen (kein Wesentlichkeitserfordernis) oder unverbesserten Mängeln des Sanierungsplanes kann die FMA zum Teil einschneidende Maßnahmen (Verringerung des Risikoprofils, Änderung der Finanzierungsstrategie, etc.) anordnen.

Kreditinstitute sind weiters verpflichtet, Abwicklungspläne bzw. Gruppenabwicklungspläne zu erstellen, welche korrespondierend zu den Sanierungsplänen von der FMA unter Einbindung der Österreichischen Nationalbank geprüft werden. In den Abwicklungsplänen sind die Abwickelbarkeit, die Abwicklungsmaßnahmen (zB Umgründungsmaßnahmen, Verkäufe, etc.), die Trennung und Aufrechterhaltung kritischer Funktionen sowie allfällige Abwicklungshindernisse und deren Beseitigung darzustellen. Das BIRG sieht in seiner Anlage zu § 14 BIRG die in die Abwicklungspläne aufzunehmenden Informationen, wie insbesondere Abwicklungsszenarien und -strategien, Abwicklungsfinanzierung, Auswirkungen auf die Gruppe, Abwicklungsmaßnahmen, etc., detailliert vor. Auch die Abwicklungspläne sind mindestens einmal jährlich, sonst bei Bedarf (wesentliche Änderungen im Kreditinstitut) oder über Verlangen der FMA zu aktualisieren.
Bei potenziellen wesentlichen Abwicklungshindernissen (offensichtlich nicht jedoch bei unverbesserten Mängeln) kann die FMA ebenfalls zum Teil einschneidende Maßnahmen (Veräußerung bestimmter Vermögenswerte, Ausgabe von Finanzinstrumenten durch die Muttergesellschaft, Begrenzung maximaler Risikopositionen, etc.) anordnen.

Bei Vorliegen einer Kreditinstitutsgruppe muss ein Gruppensanierungsplan bzw. -abwicklungsplan erstellt werden, welcher auch wesentliche nachgeordnete, zugeordnete oder teilnehmende Kreditinstitute umfassen muss, weshalb diese von der Erstellungspflicht nicht mehr gesondert erfasst werden. Ergibt die Überprüfung des Sanierungsplanes durch die FMA einen Verbesserungsbedarf, muss das Kreditinstitut den Sanierungsplan binnen 3 Monaten verbessern, ein Abwicklungsplan muss binnen 4 Monaten verbessert werden.

Durch das dem BIRG immanente Proportionalitätsprinzip wird kleineren, für die Finanzmarktstabilität weniger bedeutsamen Kreditinstituten Rechnungen getragen, da diese mit Einreichung der Plandokumente um Erleichterungen (zB Reduktion des Detaillierungsgrades, etc.) oder ab Inkrafttreten des Gesetzes um Befreiung von der Erstellungspflicht bei der FMA ansuchen können. Auch in diese Entscheidungen der FMA ist die Österreichische Nationalbank durch die Erstattung von Gutachten eingebunden.

Die Verletzung der Erstellungs- oder Aktualisierungspflicht für Sanierungs- oder Abwicklungspläne und die Aufnahme unrichtiger Angaben in die Sanierungs- oder Abwicklungspläne sind für die verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen mit Verwaltungsstrafen bis zu € 150.000,00 bedroht. Die Unvollständigkeit der Plandokumente ist zwar offensichtlich nicht strafbar, doch können Frühinterventionsmaßnahmen gemäß § 71a f BWG angeordnet werden.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem BIRG und dem Entwurf einer Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten besteht insbesondere darin, dass im Richtlinienentwurf Abwicklungsmaßnahmen (beispielsweise die Übertragung von Vermögenswerten auf ein Brückeninstitut, „Bail-In“, etc.) vorgesehen sind, welche keinen Einzug in das BIRG gefunden haben. Der Grund dafür dürfte zum einen darin liegen, dass der Gesetzgeber wohl die Ergebnisse der Gesetzgebung auf EU-Ebene abwarten wollte und zum anderen, dass den im Richtlinienentwurf vorgesehenen Abwicklungsmaßnahmen zum Teil erhebliche grundrechtliche Bedenken entgegenstehen. Ob allerdings ohne solche Abwicklungsmaßnahmen die Zielsetzungen des BIRG erreicht werden können, ist fraglich. Insofern wird nach dem Inkrafttreten der Richtlinie ein neuerlicher Handlungsbedarf für den österreichischen Gesetzgeber bestehen, um die österreichische Rechtslage richtlinienkonform zu gestalten.

Die Übermittlung der Plandokumente an die FMA soll in zwei Phasen erfolgen. Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme von mehr als € 30 Milliarden oder bei Inanspruchnahme von ESM- oder EFSF-Unterstützungen („Euro-Rettungsschirm“) müssen Sanierungspläne bis 01.07.2014 und Abwicklungspläne bis 31.12.2014 an die FMA übermitteln. Alle übrigen Kreditinstitute müssen ihre Sanierungspläne bis 01.07.2015 und ihre Abwicklungspläne bis 31.12.2015 an die FMA übermitteln.

Das BIRG als vorgezogene Umsetzung des Richtlinienentwurfes ist somit Chance und Pflicht für die Kreditinstitute zugleich. Da nach dem Richtlinienentwurf zwar die Sanierungspläne von den Kreditinstituten, die Abwicklungspläne jedoch von den Abwicklungsbehörden erstellt werden sollen, sollten die Kreditinstitute im Rahmen der Erstellung der Sanierungs- und Abwicklungspläne aufgrund des BIRG bereits die erforderlichen Vorabreiten für die Erstellung dieser Plandokumente unter dem Regime der in weiterer Folge erlassenen Richtlinie leisten. Unter Umständen wäre durchaus an eine Zusammenarbeit mit der FMA zu denken, da die Intention des BIRG, bei aller Arbeit, die auf die Kreditinstitute zukommt, auch für die Kreditinstituten vorteilhaft ist.

www.splp.at

Foto: Walter J. Sieberer

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