Mit der Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) zum 1.1.2011 sollte eine Modernisierung und Effizienzsteigerung der Betriebsverfassung herbeigeführt werden (ErlRV 901 BlgNR 24. GP 3). Dabei wurde u.a. das Verfahren zur Betriebsratswahl „gestrafft“.
Vorher war es in Betrieben, in welchen eine Mehrheit der Arbeitnehmer der Einrichtung eines Betriebsrates zumindest gleichgültig gegenüberstand denkbar, das ein Betriebsrat trotz Initiierung eines Wahlverfahrens nicht zustande kam: Dazu musste lediglich der in der Betriebsversammlung zur Durchführung der Wahl gewählte „Wahlvorstand“ untätig bleiben, dh die Wahl nicht weiter betreiben. Um die Wahl in diesem Fall wieder in Gang zu bekommen, musste zunächst eine Betriebsversammlung einberufen werden, wobei dieses Recht bei bereits bestehendem Betriebsrat nur diesem, ansonsten einer genau bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern und nur in Ausnahmefällen den überbetrieblichen Interessenvertretungen zukam. Für die Enthebung des Wahlvorstands musste sich dann mehr als die Hälfte der Belegschaft versammeln und mit einfacher Mehrheit zustimmen.
Die Neuregelung sieht nun folgendes vor: Ist die Wahl binnen acht Wochen vom Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, kann die Betriebsversammlung durch jeden einzelnen Arbeitnehmer sowie alternativ durch Mitglieder von Gewerkschaft oder Arbeiterkammer einberufen werden. Das Präsenzquorum wurde auf ein Drittel der Belegschaft reduziert.
Das hohe Präsenzquorum der Alt-Regelung sah der Gesetzgeber offenbar als uneffizient und unmodern an. Dies kann nur als statement für das Betriebsratswesen verstanden werden – auch gegen die schweigende und damit gleichgültige Mehrheit. Hintergrund der Neuregelung ist dabei sich auch die sinkende Akzeptanz von Betriebsräten, die sich zunehmend insbesondere in Unternehmen mit internationaler Konzernstruktur oder auch in „jungen“ österreichischen Unternehmen zeigt. Dort bestehen oftmals Arbeitnehmervertretungen, jedoch nicht in Form des im ArbVG vorgesehenen Betriebsrats (zB „Vertrauensräte“, „Ombudsleute“).
Naturgemäß wird dies von AK und Gewerkschaft kritisch gesehen, die ihre – durch das ArbVG verbriefte – Mitwirkung auf Betriebsebene schwinden sehen. Deren Bedenken, dass im ArbVG nicht vorgesehene „Ersatzvertretungen“ – im Unterschied zum rechtmäßig gewählten Betriebsrat – keinerlei gesetzliche (und einklagbare) Rechte auf Mitbestimmung zukommen, sind auf den ersten Blick auch nachvollziehbar. Fraglich bleibt jedoch, warum der Gesetzgeber – mit Hilfe der Interessenvertretungen, welchen durch die Neuregelung noch mehr Mitsprache verliehen wird – die Belegschaften nunmehr zu ihrem Glück geradezu zwingen will. Der untätige Wahlvorstand kann von der Belegschaft ohnehin jederzeit in einem sehr raschen Verfahren abgewählt und der Weg für eine Betriebsratsinstallation freigemacht werden. Hierfür ein Aktivwerden der Mehrheit der Belegschaft zu verlangen, entsprach sowohl dem Willen des „Ur-Gesetzgebers“ des ArbVG, als auch einem allgemeinen Demokratieverständnis. In der Neuregelung zeigt sich jedoch wieder einmal die österreichische Version des sozialpartnerschaftlichen Demokratieverständnisses. Ist eine Mehrheit der Belegschaft nicht Willens, aktiv einen gegen den untätigen Wahlvorstand vorzugehen, wird ihr diese Entscheidung durch die überbetrieblichen Interessenvertretungen kurzerhand abgenommen und sie bekommt eine „Minderheitsvertretung“ quasi aufgezwungen. Mit der „Modernisierung“ des ArbVG geht offenbar auch im Jahre 2011 nicht der Gedanke einher, dass Arbeitnehmer/innen ihre eigenen Interessen ausreichend und in demokratischer Form wahren können, auch wenn Ihnen das ArbVG in seiner alten Fassung dazu alle Rechte bereits an die Hand gab.
Dr. Katharina Körber-Risak ist Arbeits- und Sozialrechtlerin bei der Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH
Foto: beigestellt
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