Am 13. April 2011, also unmittelbar vor der anstehenden Positivierung der Vorratsdatenspeicherung, entschied der OGH, dass die Staatsanwaltschaft Auskünfte über Stammdaten eines Internetusers zur Aufklärung von Strafdaten ohne gerichtliche Bewilligung anordnen darf (die schriftliche Ausfertigung des Urteils liegt noch nicht vor).
Damit scheint eine langjährige Kontroverse darüber entschieden, ob dem von der Staatsanwaltschaft direkt beim Internetprovider gestellten Auskunftsverlangen, wer (Stammdaten) hinter einer bestimmten dynamischen IP-Adresse steht, ohne Bewilligung eines Richters gefolgt werden muss.
Kernproblem ist, dass zwar das Ergebnis der gewünschten Auskunft bloß ein Stammdatum (z.B. Herr N. Maier) ist, die Auswertung der beim Provider gespeicherten Lock-Files, aufgrund der, der Anschlussinhaber identifiziert werden kann, jedoch die Verarbeitung von Verkehrsdaten (Kommunikationsgeheimnis), erfordert.
Der OGH vertritt in seiner am 13. April 2011 mündlich verkündeten Entscheidung die Ansicht, dass eine bloß interne Verarbeitung von Verkehrsdaten beim Provider das Datengeheimnis gegenüber dem Staat bewahrt. Der allein relevante „äußere“ Vorgang, nämlich die Bekanntgabe von Stammdaten an die StA, würde in das Fernmeldegeheimnis (Artikel 10a StGG) nicht eingreifen. Auch würde das Datenschutzgesetz 2000 ausdrücklich Eingriffe in das Datengeheimnis zum Zweck der Strafrechtspflege zulassen. Die hier nur kursorisch wiedergegebene Begründung des Obersten Gerichtshofes überzeugt jedoch nicht restlos.
Im Ergebnis wird durch das Abstellen auf das bloße Ergebnis des Auskunftsverlangens (Stammdaten), der Grundrechtschutz verweigert, weil (unzulässig) abgeschnitten. Dem OGH ist zwar zuzustimmen, dass die Bekanntgabe von Stammdaten allein nicht in die Grundrechtsphäre der Betroffenen eingreift (man denke nur an Auskünfte aufgrund eines Teilnehmerverzeichnisses). Allerdings darf die Verarbeitung und Übermittlung von Verkehrsdaten direkt beim Internetprovider nicht negiert werden. Der Umstand, dass Internetprovider ohnehin die rechtliche Befugnis haben müssen, Verkehrsdaten zu verarbeiten und auch zu übermitteln, kann den hoheitlichen und staatlich veranlassten Eingriff in die vorhandenen Daten nicht legitimieren. Zum einen existiert für Provider keine rechtliche Grundlage, Verkehrsdaten zu verarbeiten und an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Im Gegenteil, es besteht eine Löschungsverpflichtung nach § 99 Abs. 1 TKG 2003 bzw. die alleinige Speichermöglichkeit ausschließlich für Verrechnungszwecke. Zum anderen erfordert jedes staatliche Handeln, dass in eine grundrechtlich geschützte Sphäre eines Grundrechtsträgers eingreift, den Grundrechtschutz. Daher gehen auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts davon aus, dass Verkehrsdaten dem Fernmeldegeheimnis des Artikel 10a StGG und Artikel 8 EMRK und damit auch dem Richtervorbehalten unterliegen.
Kurz die (ohnehin zu bezweifelnde) rechtliche Befugnis der Internetprovider für den von der Staatsanwaltschaft gewollten Zweck, Verkehrsdaten zu verarbeiten und zu übermitteln, kann nicht die grundrechtlichen Schranken, die hoheitlichem Handeln bei Eingriffen in verfassungsrechtlich geschützte Rechte vorgegeben sind, ersetzen. Die hoheitlich veranlasste Verarbeitung und Übermittlung von Verkehrsdaten, die letztlich in die (bloße) Bekanntgabe von Stammdaten mündet, sollte daher „nur aufgrund eines richterlichen Befehls in Gemäßheit bestehender Gesetze zulässig“ sein.
Angesichts der bevorstehenden Einschränkungen, die mit der sich gerade in Umsetzung befindlichen Vorratsdatenspeicherung einhergehen, wurde hier eine Chance vertan, im Sinne des Grundrechtschutzes dem manchmal allzu willfähigen Gesetzgeber Grenzen zu setzen.
Dr. Michael Hasberger
Foto: beigestellt
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