Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwalt und Immobilienrechtsexpertin bei Burka Vitek Moser Rechtsanwälte in Wien erläutert die wichtigsten Gesetzesstellen zur Novelle zum Wohnungseigentumsgesetz 2022.
Zur Nutzung, Änderung und Erhaltung des Wohnungseigentumsobjekts laut § 16 WEG
Ob ein Wohnungseigentümer eine die Widmung betreffende oder bauliche Änderung an seinem WE-Objekt bzw. am Zubehör vornehmen darf oder hierfür die Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer benötigt, hängt nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich von dem Umstand ab, ob die Änderung eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer bewirkt; Widmungsänderungen bedürfen als Sachverfügung jedoch grundsätzlich der Zustimmung. Liegt die für eine zustimmungspflichtige Widmungs- oder bauliche Änderung erforderliche Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer nicht vor, kann die fehlende Zustimmung im wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren ersetzt werden.
Bei bestimmten privilegierten Änderungen bedarf es jedoch nicht der vorgenannten Genehmigungsvoraussetzungen, zu welchen gemäß der Novelle nunmehr auch die Schaffung von Barrierefreiheit sowie der Einbau von E-Ladestationen zum Langsamladen zählen. Für die barrierefreie Ausgestaltung eines WE-Objekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft sowie die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs entfällt sohin die Prüfung des Erfordernisses der Verkehrsübung bzw. des wichtigen Interesses.
Gemäß den Gesetzesmaterialien fällt unter den Begriff „Langsamladen“ sowohl einphasiges Laden mit einer Ladekapazität bis zu 3,7 kW als auch dreiphasiges Laden mit einer Ladekapazität bis zu 5,5 kW; dreiphasiges Laden mit einer Ladekapazität bis zu 11 kW oder 22 kW ist nicht umfasst.
Da jedoch der Betrieb einer gemeinschaftlichen Ladevorrichtung als effizienter und ökonomischer angesehen wird, wurde diese gesetzliche Regelung insofern ergänzt, als die Eigentümergemeinschaft, wenn eine gemeinsame Ladevorrichtung besteht bzw. geschaffen wird, den Beschlussfassen kann, die jeweiligen Wohnungseigentümer die Nutzung der eigenen nach dem 31.12.2021 eingebauten Ladestation nach Ablauf fünf Jahren nach der Errichtung von zu unterlassen haben. Bei einer gemeinschaftlichen Beschlussfassung über die Schaffung einer gemeinsamen Elektro-Ladeanlage sind die Wohnungseigentümer mit eigener Einzelladestation vom Stimmrecht laut den Gesetzesmaterialien ausgeschlossen.
Weiters wurde für gewisse Änderungen eine Zustimmungsfiktion eingeführt.
„In den Fällen der barrierefreien Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, der Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs, der Anbringung einer Solaranlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt, der Anbringung von sich in das Erscheinungsbild des Hauses harmonisch einfügenden Vorrichtungen zur Beschattung eines Wohnungseigentumsobjekts sowie des Einbaus von einbruchsicheren Türen gilt die Zustimmung eines Wohnungseigentümers als erteilt, wenn er von der geplanten Änderung durch Übersendung auf die in § 24 Abs 5 WEG bestimmte Weise verständigt worden ist und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widerspricht. In der Verständigung muss die geplante Änderung klar und verständlich beschrieben und müssen die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruchs genannt werden. Ein Widerspruch muss dem die Änderung anstrebenden Wohnungseigentümer auf Papier oder in dauerhaft speicherbarer elektronischer Form übermittelt werden. Eine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung seines Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekts muss ein Wohnungseigentümer allerdings auch dann nicht dulden, wenn er einen Widerspruch unterlassen hat.“ (§ 16 Abs 5 WEG)
Eine weitere Neuerung betrifft die Frage der Kostentragung für von einzelnen Wohnungseigentümern vorgenommene Änderungen.
Nach herrschender Judikatur sind die Mehrkosten einer eigennützigen Änderung von der Eigentümergemeinschaft zu tragen. Gemäß dem neu geschaffenen § 16 Abs 6 WEG sind derartige Folgemehrkosten nunmehr vom Wohnungseigentümer selbst zu tragen.
Zu präzisieren ist, dass die Erhaltungspflicht für die allgemeinen Teile der Liegenschaft weiterhin bei der Eigentümergemeinschaft liegt, die durch eine Änderung verursachten Mehrkosten sind dem betreffenden Wohnungseigentümer vorzuschreiben. Für bereits entstandene Folgemehrkosten besteht kein Rückforderungsanspruch, da nur Kosten erfasst werden, welche seit dem 01.01.2022 anfallen.
Zu den Aufgaben und Befugnisse des Verwalters laut § 20 WEG
Das Gesetz räumt dem Verwalter nunmehr die Möglichkeit ein, die Finanzierung für Erhaltungsmaßnahmen zu splitten.
Ist für Erhaltungsarbeiten und größere Verbesserungsarbeiten eine Kreditfinanzierung in Aussicht genommen, „kann der Verwalter den Wohnungseigentümern die unmittelbare Zahlung des auf ihren Miteigentumsanteil entfallenden Teils der an sich erforderlichen Kreditsumme ermöglichen. Macht ein Wohnungseigentümer von dieser Möglichkeit Gebrauch, sind die Aufwendungen für die dadurch vermindert notwendige Kreditfinanzierung ausschließlich von den anderen Wohnungseigentümern zu tragen.“
Ein allfälliges Finanzierungserfordernis kann grundsätzlich entweder durch Sondervorschreibungen oder aber durch eine Kreditaufnahme seitens der Eigentümergemeinschaft gedeckt werden. Die neu eingeführte Möglichkeit eines „Finanzierungssplittings“ entspricht sowohl dem Bedürfnis der Wohnungseigentümern als auch einer bereits „gelebten Praxis“.
Die Darlehensaufnahme erfolgt weiterhin durch die Eigentümergemeinschaft, die Befreiung der „Sofortzahler“ von den mit der Kreditfinanzierung verbundenen Kosten bezieht sich sohin ausschließlich auf das Innenverhältnis.
Die Auskunftspflicht des Verwalters in Bezug auf überlassene Daten der Wohnungseigentümer wurde konkretisiert:
„Weiters hat der Verwalter jedem Wohnungseigentümer, der dies zur Verständigung der anderen Wohnungseigentümer im Zusammenhang mit der Ausübung von Rechten und Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aus dem Wohnungseigentum ergeben, von ihm verlangt, Auskunft über die Namen und die Zustellanschriften der anderen Wohnungseigentümer zu geben; E-MailAdressen dürfen nur mit der Einwilligung des betreffenden Wohnungseigentümers mitgeteilt werden. Der Wohnungseigentümer darf die mitgeteilten Daten ausschließlich für die genannten Verständigungszwecke verwenden. Ein Wohnungseigentümer kann dem Verwalter die Weitergabe seiner Zustellanschrift nur dann untersagen, wenn er ihm gleichzeitig eine andere inländische Anschrift oder eine E-Mail-Adresse bekannt gibt, über die er verständigt und die an andere Wohnungseigentümer weitergegeben werden kann.“ (§ 20 Abs 8 WEG)
Zu den Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft laut § 24 Abs 4 WEG
Im Rahmen der Novelle wurden Erleichterungen im Zusammenhang mit der Mehrheitsfindung bei Beschlussfassungen normiert.
„Für die Mehrheit der Stimmen der Wohnungseigentümer ist entweder die Mehrheit aller Miteigentumsanteile oder die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, ebenfalls berechnet nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile, erforderlich. Im zweitgenannten Fall muss die Mehrheit überdies zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreichen. Bei Stimmengleichheit kann jeder Wohnungseigentümer die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung des Gerichts beantragen. Wer den Wohnungseigentümern einen Vorschlag für einen Beschluss zur Abstimmung unterbreitet, hat darin über die gesetzlichen Regelungen über die Stimmenmehrheit zu informieren und darauf hinzuweisen, dass demnach ein auch mehrheitliches Unterbleiben der Stimmabgabe eine wirksame Beschlussfassung nicht jedenfalls verhindert.“ (§ 24 Abs 4 WEG)
Ab 01.07.2022 sind sohin zwei Formen der Mehrheitsfindung möglich. Das geltende Recht, dass ein Mehrheitsbeschluss vorliegt, wenn der Beschluss von der Mehrheit aller Miteigentumsanteile gefasst wird, bleibt unverändert. Zusätzlich bzw alternativ kommt ein Mehrheitsbeschluss auch dann wirksam zustande, wenn er mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen, berechnet nach den Miteigentumsanteilen, gefasst wird und diese Zweidrittelmehrheit zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile (die positiven Stimmen müssen sohin zumindest 33,34% insgesamt entsprechen) entspricht. Unter „alle abgegebenen Stimmen“ sind sowohl „Ja“ und „Nein“ Stimmen zu subsumieren als auch alle ungültigen Stimmen.
Ausdrücklich ist jedoch auch auf die neu geschaffene spezielle Informationspflicht des Beschlussinitiators (üblicherweise sohin des Verwalters) hinzuweisen, wonach bei der Vorbereitung der Beschlussfassung über die gesetzlichen Regelungen über die Stimmenmehrheit und die Rechtsfolgen des Unterbleibens der Stimmabgabe zu informieren.
Die neuen Willensbildungsvorschriften treten mit 01.07.2022 in Kraft und sind auf Willensbildungsvorgänge anzuwenden, welche nach dem 30.06.2022 eingeleitet werden.
Zur Eigentümerversammlung laut § 25 WEG
„Der Verwalter kann den Wohnungseigentümern die Möglichkeit zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung im Wege elektronischer Kommunikation, etwa durch eine Videokonferenzverbindung, einräumen.“ (§ 25 Abs 2a WEG) . Diese Bestimmung begründet jedoch nicht die Verpflichtung des Verwalters, den Wohnungseigentümern die Möglichkeit zu einer digitalen Teilnahme an der Eigentümerversammlung einzuräumen.
Einerseits verweist § 31 WEG – dem Klimaschutzgedanken Rechnung tragend – nunmehr auch auf künftige Aufwendungen zur thermischen Sanierung oder energietechnischen Verbesserung des Gebäudes.
Andererseits wird eine monatliche Mindestdotierung der Rücklage im Ausmaß der Gesamtnutzfläche aller WE-Objekte multipliziert mit € 0,90 normiert; lediglich in taxativ aufgezählten Ausnahmefällen darf dieser Betrag unterschritten werden. Sinn des gesetzlichen Mindestbetrages ist die Vermeidung einer „Unterdeckung“ der Rücklage.
Bei der Berechnung und Bemessung des gesetzlichen Mindestmaßes ist die Gesamtnutzfläche der Liegenschaft im Sinne der Nutzfläche aller WE-Objekte im Sinne des Nutzflächenbegriffs gemäß § 2 Abs 7 WEG heranzuziehen. Der Beitrag des einzelnen Wohnungseigentümers an der Dotierung der Rücklage richtet sich weiterhin nach dem bestehenden Aufteilungsschlüssel (gesetzlicher oder ein hievon abweichender vereinbarter oder ein vom Gericht festgesetzter Aufteilungsschlüssel
Der gesetzliche Mindestbetrag ist unabdingbar, sohin weder durch eine Beschlussfassung noch eine abweichende vertragliche zu reduzieren.
Die zulässigen Ausnahmen einer Unterschreitung sind taxativ aufzählt:
i. besonderes Ausmaß der bereits vorhandenen Rücklage,
ii. erst kurz zurückliegenden Neuerrichtung oder durchgreifenden Sanierung des Gebäudes,
iii. vertragliche Übernahme der Erhaltungspflicht nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG (allgemeine Teile der Liegenschaft, Behebung ernster Schäden in einem WE-Objekt) bei einer Reihen- oder Einzelhausanlage.
Festzuhalten ist, dass dieses gesetzliche Mindestmaß nicht unterschritten, sehr wohl jedoch – soferne der Bedarf gegeben ist – überschritten werden kann.
Der auf die Gesamtnutzfläche bezogene monatliche Mindestbetrag von € 0,90 unterliegt einer gesetzlichen Valorisierungsregel, welche ab 01.01.2024 alle zwei Jahre zu einer Anpassung des Mindestbetrags nach Maßgabe der Veränderung des VPI 2020 führt.
Zu den Übergangsbestimmungen zur Wohnrechtsnovelle 2006 laut § 58g WEG
„Wenn eine Eigentümerversammlung gemäß § 25 Abs 1 erster Satz WEG spätestens im Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2021 hätte durchgeführt werden müssen, der Verwalter jedoch wegen der COVID-19-Pandemie von deren Einberufung abgesehen hat, muss der Verwalter die Eigentümerversammlung bis spätestens 30. Juni 2022 durchführen. Fällt die Frist für die Durchführung einer Eigentümerversammlung in den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2021, so verlängert sich diese Frist um ein Jahr.“ (§ 58g Abs 6 WEG)
FAZIT
Da die Coronakrise auch Probleme im Hinblick auf die Durchführung von Eigentümerversammlungen aufgeworfen hat, wurde nunmehr nachträglich klargestellt, dass aufgrund der infektiologischen Situation von der Abhaltung von Eigentümerversammlungen Abstand genommen werden durfte und diese innerhalb der normierten Zeiträume nun nachzuholen sind.
Im Zuge von WE-Begründungen nach dem WEG 1975 bzw nach dem WEG 1948 wurden Geschäftsräumlichkeiten im Rahmen der Festsetzung der Jahresmietwerte bzw Nutzwerte gegenüber Wohnungen auf derselben Liegenschaft sehr hoch bewertet. Nunmehr wurde eine zeitlich bis 31.12.2024 befristete Möglichkeit zur Neufestsetzung der Nutzwerte für derartige Geschäftsräumlichkeiten geschaffen, da diese Festsetzung nicht mehr den heutigen Bewertungskriterien entspricht. Wurde im Zuge einer WE-Begründung vor dem 01.01.2002 eine Geschäftsräumlichkeit gegenüber Wohnungen mit mehr als dem Dreifachen bewertet wurde, besteht bis zum 31.12.2024 die Möglichkeit einer Antragstellung hinsichtlich einer Neufestsetzung der Nutzwerte.
Foto, Redaktion: Walter J. Sieberer
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