Entschädigungsansprüche aufgrund von Betriebsschließungen

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Valentina Arnez ist Partnerin bei Oberhammer Rechtsanwälte
Valentina Arnez ist Partnerin bei Oberhammer Rechtsanwälte

Von Betriebsschließungen betroffene Betriebe sollen einen Anspruch auf Verdienstentgang nach dem EpidemieG geltend machen können. Es steht auch ein Schadenersatzanspruch für Handelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400m2 im Raum. Aber was heißt das konkret?

Um die Verbreitung von Covid-19 Infektionen zu verhindern, wurde unter anderem Mitte März das Covid-19-Maßnahmengesetz („Covid-G“) beschlossen. Das Covid-G ist die gesetzliche Grundlage für die über zahlreiche Unternehmen verhängten Betretungsverbote. Kurz davor erfolgten aber bereits Betriebsschließungen und -einschränkungen aufgrund des Epidemiegesetzes („EpidemieG“). Insbesondere Gastronomie- und Hotelleriebetriebe wurden teilweise gleichzeitig durch unterschiedliche Verordnungen beschränkt.

Anders als das Covid-G und die darauf beruhenden Verordnungen, bietet das EpidemieG eine Grundlage dafür, dass die von den Betriebsschließungen betroffenen Unternehmen bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Entschädigungsanspruch „gemäß ihrem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen“ geltend machen können. „Der tatsächliche Verdienstentgang betroffener Unternehmen wird aus heutiger Sicht wohl nur zu einem geringen Teil durch die Corona-Hilfsmaßnahmen ausgeglichen“, meint Rechtsanwältin Valentina Arnez. Die Frist für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen endet gemäß § 33 EpidemieG sechs Wochen ab Beendigung der betriebsbeschränkenden Maßnahmen.

Aufgrund einer gesonderten Verordnung mussten Handelsbetriebe, deren Kundenbereich über 400m2 beträgt, weiterhin geschlossen bleiben, während etwa kleinere Handelsbetriebe sowie Bau- und Gartenmärkte wieder am 14. April öffnen durften. Ein aufgrund der Verlängerung des Betretungsverbots entstandener Schaden könnte auf Grundlage des Amtshaftungsgesetzes geltend gemacht werden.

Aus unserer Sicht ist die rechtliche Umsetzung der Beschränkungen kritisch zu beurteilen. Je nach Branche und auch Bundesland ergeben sich unterschiedliche rechtliche Anknüpfungspunkte, auf die ein Entschädigungsanspruch gestützt werden kann“, erläutert Arnez und ergänzt: „Unter www.covid-entschaedigung.at haben wir eine Online-Plattform eingerichtet. Auf dieser können sich betroffene Unternehmen informieren, und falls gewünscht, können sie ihre Ansprüche durch unsere Kanzlei zu vorab definierten Pauschalen abwickeln lassen.“

Im Wesentlichen können betroffene Betriebe in folgende Gruppen unterteilt werden:

Erste Gruppe: Bestimmte Skitourismusbetriebe in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten.

Darunter fallen alle Seilbahnanlagenbetriebe sowie Beherbergungsbetriebe in diesen Bundesländern; in Tirol sind davon außerdem auch Schibusverkehrsbetriebe und Gastgewerbebetriebe erfasst. Der Zugang zu diesen Betrieben wurde teilweise bereits ab 14. März durch die jeweiligen Bezirkshauptmannschaften („BHs“) aufgrund des EpidemieG beschränkt bzw. gänzlich geschlossen.

Da diese Betriebe regional für ca. zwei Wochen durch die BHs aufgrund des EpidemieG geschlossen waren, scheint die Anspruchsgrundlage zunächst unproblematisch. Allerdings sieht das Covid-G ausdrücklich vor, dass ab Inkrafttreten einer auf dem Covid-G beruhenden Verordnung („Covid-Maßnahmen-VO“) die Bestimmungen des EpidemieG betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangen sollen. Es wird teilweise die Ansicht vertreten, dass damit Ersatzansprüche nach dem Epidemiegesetz „ausgehebelt“ wurden. Was sind die „Besonderheiten“ in dieser Gruppe:
Beherbergungsbetriebe: Erst ab 4. April wurden in ganz Österreich Betretungsverbote über Beherbergungsbetriebe auf Basis einer solchen Covid-Maßnahmen-VO verhängt. Ersatzansprüche nach dem EpidemieG müssten somit für den Schließungszeitraum im März zustehen.

Gastronomiebetriebe in Tirol: Diese sind gleichzeitig per Verordnung der BHs nach dem EpidemieG sowie per Covid-Maßnahmen-VO geschlossen worden. Welche Verordnung gilt nun? Die Verordnungen der Tiroler BHs beschreiben detaillierter, welche Gastronomiebetriebe von der Schließung umfasst sein sollen. Diese Verordnungen sind somit wesentlich spezieller ausgestaltet und müssten daher dem generellen Betretungsverbot nach der Covid-Maßnahmen-VO vorgehen.

Das EpidemieG kann daher aus unserer Sicht für diese Betriebe in der Zeit bis zum Außerkrafttreten der Verordnungen der BHs (Ende März) herangezogen werden. Anträge wären somit binnen sechs Wochen vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahme (somit grds bis 6. Mai) geltend zu machen.

Zweite Gruppe: Betriebsbeschränkungen in ganz Österreich

Hierunter fallen alle anderen Betriebe (mit wenigen Ausnahmen), deren Zutritt aufgrund der Covid-Maßnahmen-VO in ganz Österreich untersagt wurde, etwa alle Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit Kundenbereich, alle Sport- und Freizeitbetriebe, alle Gastronomiebetriebe sowie alle Beherbergungsbetriebe.

In den Gesetzesmaterialien wurde nicht erläutert, weshalb die Schließungen und Betretungsverbote nach dem Covid-G anders zu behandeln sind als jene nach dem EpidemieG oder anders formuliert, warum etwa im Falle eines Betretungsverbots aufgrund einer Covid-Maßnahmen-VO die Bestimmungen des EpidemieG betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangen sollen. Also muss man auf altbewährte Interpretationsregeln zurückgreifen:

Die getroffene Wortwahl des Covid-G lässt den Schluss zu, dass das EpidemieG nur bei gänzlicher Schließung nicht anzuwenden sei, nicht hingegen bei einer bloßen Beschränkung des Zugangs zum Kundenbereich. Nach dem EpidemieG wären sowohl Schließungen als auch Beschränkungen von Betrieben möglich.

Es könnte auch gemeint sein, dass lediglich die Bestimmungen zur Schließung eines Betriebs nach § 20 EpidemieG ausgeschlossen sind und nicht alle anderen Bestimmungen des EpidemieG (zB zur Vergütung des Verdienstentgangs). Schlussendlich wurde auch explizit bestimmt, dass das EpidemieG generell unberührt bleiben sollte. Rechtlich problematisch ist jedenfalls, dass im Covid-G keine gesetzliche Anspruchsgrundlage, etwa für eine Vergütung des Verdienstentgangs, vorgesehen ist.

Ein allfälliger Ausschluss von Entschädigungsansprüchen für jene Betriebe, die aufgrund des Covid-G im Vergleich zu jenen, die nach dem EpidemieG geschlossen wurden, wirft außerdem erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken auf. Beide Gesetze bezwecken die Verbreitung einer ansteckenden Krankheit zu vermeiden. Denkbar ist daher, Entschädigungsansprüche durch analoge Anwendung des EpidemieG geltend zu machen, wären diese Betriebe doch auch nach den Bestimmungen des EpidemieG zu schließen oder zumindest zu beschränken gewesen.

Auch für diese Betriebe gilt die 6-Wochen Frist zur Antragseinbringung. Da etwa Handelsbetriebe mit Betriebsfläche bis zu 400 m2 und alle Bau- und Gartenmärkte mit 14. April wiedereröffneten, müsste der Antrag somit bis zum 25. Mai bei den BHs (oder dem zuständigen Magistrat) einlangen.

Dritte Gruppe: Betriebsschließungen einzelner Bundesländer durch Verordnung der Landeshauptleute

Betriebe aus der ersten Gruppe wurden nach Aufhebung der Verordnungen der BHs Ende März praktisch aufgrund gleichlautender Verordnungen der Landeshauptleute nach dem Covid-G geschlossen bzw. beschränkt. Außerdem fallen darunter auch andere Betriebe, die ebenso von den Landeshauptleuten gemäß Covid-G geschlossen wurden (zB Seebäder in Burgenland ab 3. April).

Das Covid-G sieht für derartige Verordnungen der Landeshauptleute keinen Ausschluss einzelner Bestimmungen des EpidemieG vor. Zu den Beherbergungsbetrieben wurde sogar in der Verordnung nach dem Covid-G festgehalten, dass bereits in Kraft stehende Verordnungen der Landeshauptleute oder BHs unberührt blieben. Aus unserer Sicht ist daher der erörterte Ausschluss einzelner Bestimmungen des EpidemieG auf diese Betriebsschließungen nicht anwendbar. Trotzdem muss auch hier – mangels Anspruchsgrundlage im Covid-G – auf das EpidemieG in analoger Anwendung zurückgegriffen werden.

Vierte Gruppe: Drohende Schadenersatzansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz

Seit dem 14. April 2020 dürfen Handelsbetriebe, deren Kundenbereich maximal 400m2 beträgt, wieder betreten werden. Betriebe, deren Verkaufsfläche mehr als 400m2 beträgt, mussten bis 30. April weiterhin geschlossen bleiben.

Die Grundlage dafür schaffte eine Änderung der Covid-Maßnahmen-VO. Hier steht ein möglicher Schadenersatzanspruch aufgrund des Amtshaftungsgesetzes im Raum, dh ein zusätzlich entstandener Schaden, der aufgrund dieser Verlängerung des Betretungsverbots für bestimmte größere Handelsbetriebe rechtswidrig und schuldhaft verursacht wurde, könnte geltend gemacht werden. Das Covid-G sieht zwar einen – aus Sicht des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips der Gewaltenteilung – rechtlich bedenklichen, sehr weiten Spielraum zur Verordnung von Covid-Maßnahmen vor, jedoch mit einer wesentlichen Beschränkung: „soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist“. „Wir können diese Maßnahme sachlich nicht nachvollziehen. Auch bei der Erlassung von Verordnungen muss der vollziehende Bundesminister den Gleichheitssatz und den gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraum wahren. In der Covid-19-Lockerungsverordnung vom 30.04.2020 hat man diesen Punkt nun berücksichtigt und setzt beim Betreten des Kundenbereichs auf eine allgemein gültige Beschränkung von zumindest 10m2 Verkaufsfläche pro Kunde, unabhängig von der Größe der Verkaufsfläche des Handelsbetriebs“, so Arnez.

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