Grenzüberschreitende Förderung von Grünstrom

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Andreas Gunst ist Partner in der Praxisgruppe Finance & Projects von DLA Piper Weiss-Tessbach
Andreas Gunst ist Partner in der Praxisgruppe Finance & Projects von DLA Piper Weiss-Tessbach

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Ein Fall vor dem europäischen Gerichtshof kann zu fundamentalen Änderungen bei grenzüberschreitendem Handel mit erneuerbaren Energien und zu deren Vergütung führen.

Für österreichische und andere europäische Grünstromerzeuger ergeben sich neue Handels- und Optimierungsmöglichkeiten. Und für Endkunden hoffentlich eine kostengünstigere Förderung von Grünstrom.

Im Fall Alands Vindkraft (C-572/12) bestätigte ein Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs in einem Gutachten die Anwendbarkeit der Warenverkehrsfreiheit im europäischen Strombinnenmarkt auf die Teilnahme an Fördermechanismen für erneuerbaren Energien.

Vergütungen für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien unterliegen in Europa grundsätzlich rechtlichen oder faktischen nationalen Beschränkungen. Der Konflikt um die Vereinbarkeit dieser Beschränkungen mit der Warenverkehrsfreiheit schwelt schon seit mehr als einem Jahrzehnt.

Bereits im Jahr 2001 beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof mit dieser Frage im Fall Preussenelektra. Damals, im Frühstadium der Strommarktliberalisierung und aufgrund fehlender Einheitlichkeit bei Herkunftszertifikaten für Grünstrom, erlaubte der Gerichtshof solche nationalen Beschränkungen bei Fördermechanismen zum Zwecke des Umweltschutzes temporär.

Die daraufhin umgesetzten und weiter entwickelten Fördermechanismen in Europa nahmen diese eigentlich zeitlich beschränkte Rechtfertigung als festen Bestandteil auf. Erst in 2008, als eine neue europäische Richtlinie zur Förderung von erneuerbaren Energien in den Gesetzgebungsprozess einbracht wurde, flammte der Konflikt kurzzeitig wieder auf. Die ersten Formulierungen der Richtlinie wiesen noch eine schrittweise Öffnung der nationalen Fördermechanismen auf.

Nach starken Wiederstand von einer Gruppe von Mitgliedsstaaten wurde die eigentlich angedachte Öffnung der Fördermechanismen dann gegenteilig in eine Rechtfertigung von nationalen Beschränkungen umgewandelt. Diese Rechtfertigung war nun Gegenstand der Überprüfung in Alands Vindkraft.

Der Sachverhalt des Falls trifft den Kern des Problems von solchen nationalen Beschränkungen wie kaum ein anderer. Der Betreiber eines Windparks auf den Aland Inseln vor der Küste Schwedens durfte nicht am schwedischen Fördermechanismus teilnehmen. Die Aland Inseln gehören nicht zu Schweden, haben allerdings nur eine Stromverbindung mit dem schwedischen Festland.

Nach Ablehnung der Teilnahme im schwedischen Fördermechanismus durch die Behörden verwies ein schwedisches Gericht den Fall an den Europäischen Gerichtshof. Die Argumente von Schweden und von anderen im Verfahren beigezogenen Mitgliedsstaaten für solche Beschränkungen waren durchaus vielschichtig und rechtlich komplex. Im Ergebnis drehten sie sich alle um die eine Frage: sind solche nationalen Beschränkungen dem Umweltschutz dienlich?

Es ist zunächst einmal nicht sonderlich ersichtlich, warum die Frage, ob ein Windrad 10 Kilometer vor oder hinter einer Grenze steht, entscheidend dafür ist, ob seine Förderung dem Umweltschutz dient. Umweltschutz ist schließlich eine anerkannt grenzüberschreitende Thematik.

In den Argumenten der Mitgliedsstaaten, die nationale Beschränkungen von Fördermechanismen unterstützen, wird der Umweltschutz auch nur als allgemeinere Verpackung von einer Reihe von Bedenken benutzt.

Zum einen sind da die Bedenken, dass höhere Vergütungen für eine Erzeugungsart im Vergleich mit anderen Mitgliedsstaaten ‚unfair‘ ausgenützt würden indem Grünstrom in den höherpreisigen Mitgliedsstaat gehandelt würde und damit inländische Strompreise ’noch weiter‘ belastet werden.

Es wird hier argumentativ von einzelnen Mitgliedsstaaten die Pistole auf die Brust gesetzt. Zusätzlicher importierter Grünstrom würde zu einer solch übermäßigen Belastung führen, das der nationale Fördermechanismus zusammenbrechen würden. Aber ist das wirklich so?

Die Belastung von Endverbrauchern mit der Förderung von erneuerbaren Energien ist in der Tat ein sehr wichtiger Punkt. Die Kausalität, allerdings, zwischen importierten Grünstrom, dessen Teilnahme an einem nationalem Fördermechanismus, und steigenden Belastung ist aber bei genauem Hinblicken nicht gegeben. Vielmehr würde unter bestimmten Umständen eine Teilnahme von importiertem Grünstrom am Fördermechanismus eher eine Entlastung bringen.

Das Problem der Argumentation liegt darin, dass es mit Blick auf national gesteckte Verbrauchsziele für Grünstrom vollkommen egal ist, ob man dieses Ziel mit nationaler oder ausländischer Erzeugung deckt. Hat man das Ziel erreicht, würde man weitere Förderung einfach stoppen. Und da in dem meisten Fördermechanismen grundsätzlich eine fixe Vergütung vorsehen, ist ausländischer Grünstrom auch nicht kostenintensiver als nationaler.

Warum es zu einer unfairen Ausnutzung des Fördermechanismus durch ausländischen Grünstrom kommen würde, ist deshalb auch schwer nachvollziehbar. Das einzig überzeugende Argument wäre, das ausländischer Grünstrom günstiger produziert wird, und deshalb nicht die Höhe der nationalen Vergütung erfordert. Das käme aber einer Armutszeugnis über die Wirtschaftlichkeit heimischer Grünstromerzeugung gleich. Dann sollte eine kosteneffiziente Förderung von Grünstrom besser dazu führen, gerade auch Importe zu fördern.

Im Ergebnis kommt deshalb auch der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs in Alands Vindkraft nicht umhin, keine sinnvollen, dem Umweltschutz dienlichen Zwecke in den nationalen Beschränkungen zu sehen. Allerdings schlägt er eine zweijährige Anpassungsperiode vor, um im Übergangszeitraum die Richtlinie und die nationalen System anpassen zu können.

Es hat in der Vergangenheit in einzelnen Fällen bereits grenzüberschreitenden Handel und Förderung von Grünstrom auf freiwilliger Basis gegeben. Norwegen und Schweden haben vor Kurzem einen gemeinsamen Fördermechanismus geschaffen. Es gab auch Förderung einer Anlage in irischen Territorialgewässern durch den britischen Fördermechanismus. Auch das Handeln mit sogenannten Levy Exemption Certificates ist so ein Beispiel, an dem sogar österreichische Erzeuger teilnehmen.

Es sind diese Erfahrungen, die den Weg für grenzüberschreitende Teilnahme an Fördermechanismen ebnen und gestalten.

Andreas Gunst

www.dlapiper.com

Redaktion und Foto: Walter J. Sieberer

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