OGH: Auch eine Sicherheitsfachkraft kann einfach abberufen werden!

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Das die Abberufung einer Sicherheitsfachkraft ohne vorherige Befassung des Arbeitssicherheitsausschusses zulässig ist, stellt der OGH in 8 ObA 31/11h klar.

Unternehmen, insbesondere ab einer gewissen Größe, haben eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu beachten. Im Zusammenhang mit den generellen Regelungen des Arbeitsverfassungsgesetzes kommt es zu zahlreichen Überschneidungen mit Regelungen des ArbeiternehmerInnenschutzgesetzes. Diese manifestieren sich insbesondere darin, dass Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers enthalten sind, die sich zum Teil in beiden Gesetzen wieder finden. Unternehmen sehen sich daher mit der „Flut“ dieser doppelten Vorschriften konfrontiert und stehen in diesem Zusammenhang vor dem Problem, welche Vorschriften vorrangig zu befolgen bzw. ob sämtliche Vorschriften parallel zu beachten sind, oder lediglich alternativ zu beachten wären.

Einer dieser konkreten Problemstellungen ergibt sich bei der Bestellung von Präventivfachkräften nach dem ASchG und in weiterer Folge mit der Abberufung derartiger Kräfte. Nunmehr hatte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Abberufung einer Sicherheitsfachkraft, bei welcher gemäß ASchG zunächst der Arbeitsschutzausschuss zu befassen ist, unter Außerachtlassen dieser Vorschrift dennoch zulässig war!

Sachverhalt.
Ein Unternehmen war aufgrund der Größe einer ihrer Betriebsstätte dazu angehalten, Präventivfachkräfte – im Konkreten eine Sicherheitsfachkraft – zu bestellen. Das Unternehmen vereinbarte mit einem ihrer Dienstnehmer an diesem Betriebsstandort, dass dieser diese Aufgaben wahrnimmt. Dies wurde in einer eigenen Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem Dienstnehmer festgehalten. In dieser wurde eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit beider Seiten unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist vereinbart. Aufgrund von Strukturänderungen musste das Tätigkeitsausmaß des Dienstnehmers als Sicherheitsfachkraft erweitert werden. Das Unternehmen schlug daher dem Dienstnehmer eine entsprechende Adaptierung der Vereinbarung vor. Diese Adaptierung wurde vom Dienstnehmer abgelehnt. Das Unternehmen kündigte daraufhin entsprechend der Vereinbarung diese unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist auf.

Der Dienstnehmer bekämpfte diese Kündigung insbesondere damit, indem er seine Tätigkeit als Sicherheitsfachkraft als Teil seiner ursprünglichen dienstvertraglichen Verpflichtung qualifiziert wissen wollte. Dadurch wäre es dem Unternehmen nicht möglich diese Vereinbarung aufzukündigen, da es Teil seines „Grunddienstverhältnisses“ war. Das Unternehmen hätte diese „Teilkündigung“ nicht vornehmen können. Im Übrigen wäre die Aufkündigung seiner Tätigkeit als Sicherheitsfachkraft unwirksam, da das Unternehmen entgegen den Vorschriften des ASchG vor ihrem Ausspruch den Arbeitsschutzausschuss nicht damit befasste.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage des Dienstnehmers ab. Der Dienstnehmer erhob gegen das Berufungsurteil eine außerordentliche Revision und diese wurde vom Obersten Gerichtshof für zulässig erachtet.

Der Dienstnehmer erachtete seine Tätigkeit als Sicherheitsfachkraft als im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sohin seines „Grunddienstverhältnisses“ als gegeben. Hiezu hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass laut ASchG die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers innehat, wonach primär betriebseigene Sicherheitsfachkräfte heranzuziehen seien. Er hielt fest, dass der Begriff betriebseigene Sicherheitsfachkräfte, die „im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses“ beschäftigt werden, infolge des „weiten“ Arbeitnehmerbegriffes des ASchG, weit ausgelegt werden muss. Es bestanden nach dem Obersten Gerichtshof keine Bedenken, dass ein Dienstnehmer neben seiner entgeltlichen dienstvertraglichen Tätigkeit für seinen Dienstgeber im Rahmen einer Nebentätigkeit (in einer gesonderten Tätigkeit) die Tätigkeit als Fachkraft ausübt.

Zur Frage, ob eine Abberufung der Sicherheitsfachkraft ohne vorherige Befassung des Arbeitsschutzausschusses zulässig sei, urteilte der OGH wie folgt:
Der Arbeitsschutzausschuss hat sich generell mit den Fragen der Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und menschengerechte Arbeitsgestaltung zu befassen. Aus der Bestimmung des ASchG ergibt sich nicht, dass die Zustimmung des Arbeitsschutzausschusses zur Abberufung erforderlich sei, eine Abberufung kann nicht verhindern werden. Er soll lediglich über die geplante Abberufung informiert werden und Gelegenheit haben, die dafür und dagegen sprechenden Erwägungen zu „diskutieren“. Die mangelnde Befassung des Arbeitsschutzausschusses bei Abberufung einer Sicherheitsfachkraft nach ASchG müsse im Zusammenhang mit dem ArbVG gesehen werden. Die se regelt ebenfalls die Unterlassung der Befassung eines Arbeitsschutzausschusses, bezieht aber die Sanktion der Rechtsunwirksamkeit nach ihrem klaren Wortlaut aber nur auf die Bestellung von Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinern. Die Rechtsunwirksamkeit wird aber nicht auf die Abberufung bezogen.

Eine planwidrige Lücke der Bestimmungen des ArbVG stellte der OGH nicht fest. Er hielt fest, dass zunächst einmal der klare Wortlaut der Bestimmungen des ArbVG die Annahme eines Versehens des Gesetzgebers entgegenstünde. Der Gesetzgeber hat in den Bestimmungen ausdrücklich von der Bestellung und nicht von Abberufung gesprochen, wobei er im selben Absatz beide Fälle ausdrücklich nennt! Bereits daraus ergebe sich, dass die Annahme eines Versehens des Gesetzgebers nicht zulässig sei. Im Übrigen habe der Gesetzgeber auch im gleichzeitig geschaffenen ASchG dahingehend differenziert, indem der im ASchG nur den Arbeitsschutzausschuss im Zusammenhang mit der Abberufung, nicht aber mit der Bestellung von Präventivkräften sich befassen lässt. Auch die Gesetzesmaterialien sprechen gegen eine planwidrige Lücke. Weiters verwies der Oberste Gerichtshof, dass der Gesetzgeber auch in seinen Bestimmungen gerade für solche Arbeitnehmer (Anmerkung: Präventivfachkräfte, Sicherheitsfachkräfte) einen eigenen (Motiv-)Kündigungs- bzw. Benachteiligungsschutz geschaffen habe. Das ArbVG bezweckt den Schutz der allgemeinen Interessen am innerbetrieblichen Arbeitsschutz, während die Interessen einer einzelnen Sicherheitsfachkraft durch Bestimmungen im ArbVG gewahrt werden.

Zu der Frage, ob die Kündigung der Vereinbarung aus „unlauteren“ Motiven erfolgte, hielt der Oberste Gerichtshof zusammengefasst fest, dass es, sofern kein derartiges verpöntes Motiv vorliege, eine Anfechtung gemäß ArbVG und AVRAG von vornhinein ausscheidet. Das vom Unternehmen unterbreitete Adaptierungsanbot, welches aufgrund der Änderung innerhalb des Betriebes erforderlich war, wurde die Annahme vom Dienstnehmer abgelehnt. Der Oberste Gerichtshof hielt fest, dass an einer notwendigen oder sachgerechten – auch verschlechternden – Änderungsvereinbarung für die Zukunft noch kein infragestellen bestehender Ansprüche des Arbeitnehmers bedeutet, weil der Änderungswunsch deren Anerkennung geradezu voraussetzt. Insofern kann daher in der Ablehnung eines Abänderungsbegehrens durch den Arbeitnehmer auch keine Geltendmachung von Ansprüchen gesehen werden, die vom Arbeitgeber in Frage gestellt werden (9 Oba/11v).

Wie eingangs ausgeführt, war das Unternehmen im Zusammenhang mit der Abberufung einer Sicherheitsfachkraft nicht nur mit den Vorschriften des ASchG konfrontiert, sondern auch mit den Bestimmungen des AVRAG und dem ArbVG. Der Oberste Gerichtshof legt in seiner Entscheidung die Wechselwirkung der jeweiligen Bestimmungen aus den jeweiligen Gesetzen dar und vermeidet letztendlich in begrüßenswerter Weise eine Vervielfachung von durch den Dienstgeber zu berücksichtigenden Vorschriften.

Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt und Experte für Arbeitrecht
www.rechtsanwalt-1010.at

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