OGH: Die Aufgabe eines eingeschriebenen Briefes beweist noch nicht dessen Zustellung

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Um die Wahrung von Fristen (z.B. in Mietverträgen für die Kündigung, etc.) beweisen zu können, werden Briefe „eingeschrieben“ versendet. Dies allein genügt jedoch im Zweifelsfall nicht, wie der OGH unlängst festhielt.

Nach allgemein gültigen Erfahrungssätzen kann man zwar davon ausgehen, dass eingeschrieben aufgegebene Briefsendungen typischerweise auch zugestellt werden. Behauptet der vermeintliche Adressat im Streitfall jedoch, dass er den eingeschriebenen Brief nicht erhalten hat, trifft die Beweislast für die Zustellung den Absender. Der OGH verweist dazu auf die allgemeine Beweislastregel des § 266 ZPO, wonach jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat. Ist für die Wahrung einer Frist die Zustellung eines Schriftstückes an den Adressaten erforderlich, muss der Absender dies beweisen. Eine Verschiebung der Beweislast kommt nur dann in Betracht, wenn ein allgemein, also für jedermann auf gleiche Weise bestehender Beweisnotstand vorliegt und wenn objektiv typische, also auf allgemein gültigen Erfahrungssätzen beruhende Geschehensabläufe für den Anspruchswerber sprechen. Dem Absender wird es in der Regel nicht möglich sein, die Zustellung eines eingeschriebenen Briefes unter Beweis zu stellen. Einen Beweisnotstand begründet dies für den OGH aber noch nicht. Dem Absender steht nämlich die Möglichkeit offen, den Brief „eigenhändig“ oder „mit Rückschein“ zustellen zu lassen. Die Österreichische Post bietet diese Form der Zustellung als entgeltpflichtiges Service an. Durch diese Form der Zustellung wird der Absender in die Lage versetzt, eine Bestätigung über die Abgabe der Sendung vorzuweisen.

Wem Sicherheit über die Zustellung eines Schriftstückes wichtig ist, sollte dieses mit Rückschein oder eigenhändig zustellen lassen.

OGH vom 30.06.2010, 3 Ob 69/10h

Dr. Christian Nordberg

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Foto: Walter J. Sieberer

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