Sind Ausbildungskosten „Lost Investment“?

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Welche Möglichkeiten und Rechte der Arbeitgeber hat, um diese Investitionen in sein Human Capital abzusichern, dazu die Redaktion im Interview mit Arbeitsrechtsexperten Dr. Rudolf M. Ganzert.

Arbeitgeber investieren beachtliche Summen in die Aus- und Weiterbildung ihrer Arbeitnehmer, um durch die Erweiterung der Qualifikationen, die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten und zu steigern. Die Redaktion hat sich für Sie umgehört und beantwortet wichtige Fragen.

Redaktion: In welcher Form muss der Rückersatz von Ausbildungskosten vereinbart werden?
Dr. Rudolf Ganzert: Für die Rechtsgültigkeit ist immer eine schriftliche Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer notwendig. Das bedeutet, es muss eine von beiden Seiten unterschriebene Vereinbarung errichtet werden. Einseitige Bestätigungen im E-Mail-Verkehr oder schriftliche Vermerke auf einem vorgelegten Seminarfolder genügen keinesfalls! Auch auf pauschale Vorwegvereinbarungen im Arbeitsvertrag sollte man sich nicht verlassen, sondern idealerweise immer eine anlassfallbezogene Einzelvereinbarung mit dem Arbeitnehmer abschließen.

Welche Kosten können vom Arbeitnehmer überhaupt zurückverlangt werden?
Ganzert: Rückersatzfähig sind innerhalb der vereinbarten Bindungsdauer nur die Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung, die Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die auch bei anderen Arbeitgebern verwertbar sind. Darunter fallen Kurs- und Teilnahmegebühren, Prüfungstaxen, Kosten für Lernunterlagen sowie notwendige Reise- und Aufenthaltskosten, die vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendet wurden. Bloße Einschulungen oder die innerbetriebliche Präsentation eigener Produkte und Leistungen des Arbeitsgebers sind nicht rückersatzfähig.

Sind die während der Ausbildung angefallenen Lohnkosten auch allenfalls zu ersetzende Ausbildungskosten?
Ganzert: Grundsätzlich ja! Rückersatz für fortgezahltes Entgelt während der Ausbildung kann vom Arbeitgeber nur dann verlangt werden, wenn dies ausdrücklich schriftlich vereinbart wurde und der Arbeitnehmer für die Dauer der Ausbildung zur Gänze freigestellt wurde. In der Praxis wird ein Lohnkostenrückersatz nur bei länger dauernden Ausbildungen vereinbart, nicht jedoch z.B. für eintägige Seminare.

Welche weiteren Gültigkeitsvoraussetzungen muss eine Rückersatzvereinbarung noch erfüllen?
Ganzert: Ist der Arbeitnehmer noch nicht volljährig, so muss die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters eingeholt werden. Die vereinbarte Bindungsdauer der Rückzahlungsverpflichtung darf auch keine unzumutbare Beschränkung des Kündigungsrechtes des Arbeitnehmers darstellen. Die Bindungsdauer hängt daher einerseits von der Höhe der Kosten und andererseits von der wirtschaftlichen Verwertbarkeitsdauer der bezahlten Ausbildung ab. Das Gesetz sieht 5 Jahre bzw. in Ausnahmefällen, wie etwa einer Berufspilotenausbildung, 8 Jahre als Höchstgrenze für die Bindungsdauer vor. Angesichts der Rasanz der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung, wird in der Praxis, selbst bei sehr teuren Ausbildungen, selten eine Bindungsdauer von mehr als 3 Jahren vereinbart. Nach der Rechtsprechung unbedingt erforderlich für eine wirksame Rückersatzvereinbarung ist auch eine Aliquotierung des Rückerstattungsbetrages, d.h. dessen stufenweise Reduzierung vom Ende der Ausbildung bis zum Ende der vereinbarten Bindungsdauer. Auch die Höhe des Rückerstattungsbetrages sollte in der Vereinbarung möglichst genau ziffernmäßig bestimmt werden.

Welche Etappen der Aliquotierung werden üblicherweise vereinbart?
Ganzert: Zu empfehlen ist eine monatliche oder unter Umständen sogar eine tageweise Aliquotierung des Rückerstattungsbetrages. Bei einer Bindungsdauer von 3 Jahren würde sich der rückzuerstattende Betrag dann z.B. um 1/36 für jeden Monat reduzieren. Abraten würde ich aber von einer quartalsweisen oder jährlichen Aliquotierung. Ob nämlich im Streitfall das Arbeitsgericht diese Aliquotierungsschritte noch als zulässig erachten würde, ist angesichts der Rechtsprechung derzeit fraglich und die Folge wäre dann eine Nichtigkeit der gesamten Rückersatzvereinbarung, womit letztendlich der Arbeitgeber auf den Ausbildungskosten sitzen bleiben würde.

Besteht eine Rückerstattungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei jeder Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses?
Ganzert: Nein! Kein Rückersatzanspruch besteht bei Kündigung durch den Arbeitgeber, unbegründeter Entlassung des Arbeitnehmers oder Entlassung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit, begründeten vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, Beendigung während der Probezeit und Fristablauf bei befristeten Arbeitsverhältnissen. Als Faustregel gilt daher, dass der Arbeitgeber die Ausbildungskosten nur bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer zurück erhält oder wenn das Arbeitsverhältnis aus dem Verschulden des Arbeitnehmers beendet wird.
Und bei einer einvernehmlichen Auflösung?
Ganzert: Bei dieser Beendigungsart bleibt die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers voll aufrecht. Ich empfehle jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit jedenfalls die Aufnahme eines entsprechenden Punktes über das Schicksal der Ausbildungskosten in die schriftliche Auflösungsvereinbarung.

Danke für das Interview.

Das Interview führte Mag. Walter J. Sieberer

www.ganzert.at

Foto: Walter J. Sieberer

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