Wettbewerbsbeschränkungen durch Ankermieter?

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Birgit Kraml
Dr. Birgit Kraml ist Counsel bei Wolf Theiss und ein erfahrenes Mitglied der Praxisgruppe Immobilien- und. Baurecht

Der europäische Gerichtshof hat sich kürzlich mit der kartellrechtlichen Vereinbarkeit von Mietvertragsklauseln auseinandergesetzt, die einem Ankermieter das Recht einräumen; das Vermieten von Geschäftsräumen ans dritte Parteien zu verhindern.

Solche Klauseln können wettbewerbsbeschränkend sein.

Ankermieter sind für Geschäftsräume, insbesondere Einkaufszentren, wesentlich. Ihre zentrale Bedeutung wird meist in Mietverträgen widergespiegelt, in denen das Recht des Vermieters beschränkt wird, individuell und ohne die vorherige Zustimmung des Ankermieters andere Geschäftsraummietverträge mit potenziellen Konkurrenten des Ankermieters abzuschließen. Die Frage, ob solche Klauseln wettbewerbsbeschränkend sind, war bisher noch nicht abschließend geklärt worden.

In einer aktuellen Entscheidung (SIA „Maxima Latvija/Konkurences padome, C-345/14) stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass solche Verträge an sich eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs nicht bezwecken, sehr wohl aber bewirken können.

Da § 1 des österreichischen Kartellgesetzes im Wesentlichen Art 101 Abs 1 AEUV nachgebildet ist, hat die vorliegende Entscheidung auch im österreichischen Recht Relevanz.

Zum Fall
Maxima Latvija (Maxima) ist eine in Lettland agierende Lebensmitteleinzelhandelskette und als solche ein wichtiger Ankermieter. Maxima schloss eine Reihe von Geschäftsraummietverträgen mit Einkaufszentren ab, die eine Klausel enthielten, die Maxima als Ankermieter das Recht auf Einwilligung in die Vermietung der nicht von ihr gemieteten Geschäftsräume durch den Vermieter an dritte Parteien einräumte. Der lettische Wettbewerbsrat ging davon aus, dass die streitige Klausel eine vertikale Vereinbarung darstellt, mit der Absicht, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken bzw. zu verfälschen. Maxima erhob gegen die Entscheidung des Wettbewerbsrats Nichtigkeitsklage und der lettische Oberste Gerichtshof legte den Fall schlussendlich dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

Zur Entscheidung des EuGH
Der EuGH kam zum Schluss, dass solche Klauseln zwar nicht die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken, jedoch eine solche Verhinderung bzw. Einschränkung oder Verfälschung bewirken können. Die Auswirkungen der Klauseln müssen im wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang, in dem sie auftreten, beurteilt werden, ferner muss geprüft werden, inwiefern sie zusammen mit anderen Verträgen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen können. Im vorliegenden Fall muss bei der Beurteilung der Wirkung der Abkommen Folgendes berücksichtigt werden:

(a) Zugang zum relevanten Markt: Möglichkeit eines neuen Mitbewerbers, im Einzugsgebiet Fuß zu fassen, unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, administrativer oder rechtlicher Hindernisse;

(b) Beurteilung der Bedingungen, unter welchen Wettbewerbskräfte am relevanten Markt agieren; in diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, die Anzahl und Größe der am Markt vorhandenen Akteure zu kennen, sowie den Grad der Konzentration dieses Marktes, die Treue der Verbraucher gegenüber bestehenden Marken und die Konsumgewohnheiten;

(c) Erst wenn man nach sorgfältiger Abwägung zum Ergebnis kommt, dass der Marktzugang aufgrund gleichartiger Verträge auf diesem Markt erschwert wird, kann analysiert werden, in welchem Ausmaß diese Verträge zu einer Abschottung des Marktes führen, da nur solche Vereinbarungen verboten sind, die erheblich zur Abschottung des Marktes beitragen. Die Stellung der Vertragsparteien auf dem betreffenden Markt und die Laufzeit der Verträge werden dabei ebenfalls in Erwägung gezogen.

Der Gerichtshof betonte, dass diese Abwägungen nicht auf tatsächliche Auswirkungen der betreffenden Vereinbarung beschränkt sind, sondern auch zur Berücksichtigung ihrer potenziellen Auswirkungen verpflichten.

Daher muss auch nach dieser Entscheidung in jedem einzelnen Fall untersucht werden, ob die Klauseln zu einer Abschottung beitragen.

Dr. Birgit Kraml

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Foto: beigestellt

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