2011 – Die neue Unabhängigkeit des Stiftungsvorstandes

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Es besteht akuter Handlungsbedarf ab Jänner 2011 für Stiftungen, deren Beirat mit Abberufungskompetenz ausgestattet ist. Insbesondere die meisten Sparkassen-Privatstiftungen werden Umbesetzungen im Vorstand vornehmen müssen.

So manchem Teilnehmer des Österreichischen Stiftungstages 2006 im Wiener Kursalon Hübner sind noch heute die wohlplatzierten Worte des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser, der als einer der Abschlussredner auftrat, in Erinnerung. „Es möge alles so bleiben wie es ist“, lautete sein optimistischer Wunsch für die Zukunft des Stiftungsrechts, und er äußerte diesen gleich drei Mal. Man kann nicht gerade sagen, dass er in Erfüllung ging: Mit dem Budgetbegleitgesetz-Justiz 2011-2013 werden ab Jänner 2011 gravierende Einschnitte im Stiftungssteuerrecht vorgenommen, aber auch im materiellen Stiftungsorganisationsrecht kommt es zu gewichtigen Änderungen.

Verschlechterungen, Verbesserungen, „Verschlimmbesserungen“. Mit dem Wegfall des günstigen Hälftesteuersatzes für nicht ausgeschüttete Gewinne wird der so genannte „Thesaurierungseffekt“ und damit der wesentlichste bislang noch verbliebene steuerliche Anreiz für eine Stiftung gestrichen. Wo früher die Wahrung der Diskretion einen Wert darstellte, gibt es nun „dank“ der von der Financial Action Task Force geäußerten Kritik streng sanktionierte Offenlegungspflichten. Und wo früher die Interessen der Begünstigten ganz legitim im Stiftungsvorstand vertreten waren (was als ein Aspekt der viel gelobten „Flexibilität“ des österreichischen Stiftungsrechts gepriesen wurde), werden künftig Inkompatibilitätsbestimmungen die Einflussmöglichkeiten zurückdrängen und für eine unabhängige Stiftungsverwaltung sorgen. Auf diesen – für die so genannte Governance vieler Privatstiftungen sehr begrüßenswerten – Schritt des Gesetzgebers soll hier ein näherer Blick geworfen werden.

Unabhängigkeit des Vorstands gestärkt. Der Vorstand als das oberste Organ der Stiftung soll bei seiner zentralen Aufgabe, nämlich bei der Erfüllung des Stifterwillens, bestärkt werden. Ein faktisches Unterlaufen der Aufgabenverteilung des Privatstiftungsgesetzes muss, so die Überlegungen des Gesetzgebers (im Einklang mit der nunmehr fast einem Jahrzehnt gesicherten Judikatur) unterbunden werden. Der Stiftungsvorstand soll nicht fürchten müssen, jederzeit ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes abberufen zu werden. Eine freie Abberufungsbefugnis etwa des Stifters oder des Beirats schränkt die Geschäftsführung des Vorstands unzulässig ein und führt dazu, dass der Abberufungsberechtigte in alle Vorstandsentscheidungen eingreifen kann. Mit der Änderung des Privatstiftungsgesetzes wird nunmehr zumindest eine Dreiviertelmehrheit vorgeschrieben, wenn das Abberufungsrecht einem Stiftungsorgan zukommt. Andererseits soll eine Abberufung durch ein Stiftungsorgan, das mehrheitlich mit Begünstigten und begünstigtennahen Personen besetzt ist, nur mehr möglich sein, wenn eine grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur Aufgabenerfüllung oder Insolvenz vorliegt. Mit anderen Worten: Sonstige wichtige Abberufungsgründe können nur mehr gerichtlich im Wege eines Abberufungsverfahrens geltend gemacht werden. Als strategische Alternative könnten hinkünftig auch die begünstigtennahen Organmitglieder ihrerseits ihre Funktion niederlegen bzw mit einer „Aufstockung“ des betreffenden Organs die Mehrheitsverhältnisse ändern. Jeder Privatstiftung, die beispielsweise ihren Beirat mit Abberufungsrechten ausgestattet hat, sei daher empfohlen, ihre Stiftungsurkunde überprüfen zu lassen, um zu gewährleisten, dass das gewollte Zusammenspiel der Organe ab 2011 auch noch funktioniert.

Inkompatibilität und Interessenwahrnehmung. Eine Entscheidung des sechsten Senats des Obersten Gerichtshof vom 16. Oktober 2009 wurde zur wohl meistdiskutierten stiftungsrechtlichen Frage des Jahres 2010. Der OGH sprach in dieser Entscheidung (6 Ob 145/09f, auf Basis eines Sachverhalts, der einen eklatanten Interessenskonflikt vermuten ließ) aus, dass berufsmäßige Vertreter der Begünstigten nicht Mitglieder des Stiftungsvorstandes werden dürfen. Naturgemäß entbrannte eine Woge der Entrüstung durch die juristische Literatur (schließlich sind Rechtsanwälte und Notare die klassischen Kandidaten für eine Funktion in der Familien-Privatstiftung) und die Lehre bemühte sich überwiegend, den Anwendungsbereich der OGH-Entscheidung dahingehend einzuschränken, dass man im Einzelfall jeweils differenzieren müsse, ob das Mandat des betreffenden Vorstandsmitglieds mit der Stiftung zu tun habe. Die Firmenbuchpraxis verlangte ab Mitte des Jahres 2010 (beginnend in Westösterreich) zunehmend Bestätigungen von neu gewählten Vorstandsmitgliedern, dass sie kein Mandat der Begünstigten tragen, bevor Eintragungen genehmigt wurden. Mit der Novelle werden ab 2011 die Überlegungen des OGH aufgegriffen und es wird eine Entscheidung zu Gunsten der Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands gefällt: Hinkünftig darf niemand mehr in den Vorstand bestellt werden, der von Begünstigten oder deren Angehörigen „mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Stiftungsvorstand beauftragt“ wurde. Dasselbe gilt für Vertreter von juristischen Personen, welche von Begünstigten beherrscht werden.

Verhinderung der Umgehung der Unvereinbarkeitsbestimmungen. Den parlamentarischen Materialien zu Folge soll mit der geschilderten Änderung im Vorstands-Inkompatibilitätsrecht verhindert werden, dass jene Vorschriften, welche die Tätigkeit von Begünstigen in einem Stiftungsorgan ausschließen, umgangen werden. Könnten die Begünstigten eine Person entsenden, die ihnen weisungsunterworfen ist, wäre diese in ihrem Verhalten steuerbar. Weisungsgebundenheit finde man typischer Weise in einem Auftragsverhältnis, daher stellt der neue Gesetzestext auf eine Beauftragung ab, anstatt auf eine bestimmte Berufszugehörigkeit.

Ausblick. Schon auf Grund der OGH-Entscheidung aus dem Jahr 2009 wurde prognostiziert, es werde zu einer „Wanderung“ der Vorstandsmitglieder kommen und professionelle Stiftungsverwalter würden von Stiftung zu Stiftung untereinander ihre Funktionen tauschen. Ein solches Phänomen blieb bislang allerdings aus. Auch die neue Rechtslage wird gewiss nicht schlagartig in bestehende Strukturen eingreifen, wohl aber dazu führen, dass bei vielen Stiftungen eine Professionalisierung eintritt. Große Schwierigkeiten mit der neuen Regelung des materiellen Stiftungsrechts werden vornehmlich solche Stiftungen bekommen, die traditionell eng mit den von ihnen begünstigten Personen bzw Körperschaften zusammenarbeiten. Insbesondere Sparkassen-Privatstiftungen, die wichtige kulturelle und gemeinnützige Zwecke verfolgen, aber auf Grund ihrer oft sehr engen personellen Verflechtung mit ihren Gemeinden in der Literatur kritisiert werden, sind nun am Zug.

Mag. Peter Melicharek
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Foto: beigestellt

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