Auch wer in Facebook postet, haftet nach dem Medienrecht!

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Die neue Nutzung und Wahrnehmung des Internets, das vielzitierte Web 2.0, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Nachrichten nicht mehr zentralisiert von großen Medienunternehmen, sondern von den Nutzern des Internets selbst erstellt und verbreitet werden.

Diese Weiterentwicklung des Internets kommt aus dem Bedürfnis heraus, Wissen zu sammeln und zu verteilen bzw. Communities aufzubauen und darin Raum zum Austausch zu geben. Egal ob über Weblogs oder aber in angelegten Profilen auf Social Media Plattformen wie Facebook, wird am öffentlichen Meinungsbildungsprozess teilgenommen. Welche fundamentalen Auswirkungen derartige Kommunkationskanäle haben können zeigte sich zuletzt eindrucksvoll an dem über Facebook organisierten Arabischen Frühling als Demokratiebewegung.

Das Web 2.0 ist mittlerweile auch längst in Unternehmen angekommen. Internationale Unternehmen wie unter anderem Henkel oder die Deutsche Bank setzen bei ihren Marketingaktivitäten zur Verbesserung von Sympathiewerten oder dem Aufbau von Kundenbeziehungen auf Web 2.0-Elemente. Allerdings hinkt die Entwicklung des rechtlichen Rahmens dieser neuen Kommunikationslandschaft der Geschwindigkeit deren Fortschritts deutlich nach, was zu nicht unerheblichen rechtlichen Folgen für den Einzelnen führen kann.

Der Gesetzgeber steht technologischen Entwicklungen schon grundsätzlich zunächst abwartend gegenüber und reagiert in der Regel erst dann mit der Anpassung des Rechtsrahmens, wenn die Rechtsprechung bei der Anwendung der bestehenden Gesetzeslage auf die neuen Gegebenheiten kaum mehr Land sieht. Dies ist und war auch bei der Anpassung des Medienrechts an die (frühere) technische Fortentwicklung der Fall. Erst mit der MedienG-Novelle 2005 ging der Gesetzgeber auf bestimmte Probleme, die sich bei der Rechtsanwendung auf die Neuen Medien ergaben, ein, obwohl zu diesem Zeitpunkt neue Medien, wie vor allem das World Wide Web, zu den klassischen Medien bereits nahezu aufgeschlossen hatten. Auch war der Umfang der Anpassungen nicht unbedingt als vorausblickend zu loben. Zwar wurden unter anderem „kleine Websites“, also solche, die keinen über die Darstellung des persönlichen Lebensbereichs oder die Präsentation des Medieninhabers hinausgehenden Informationsgehalt aufweisen, von der Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen ausgenommen. Die wirtschaftlich für den Betreiber einer Website oder einer gleichartigen Kommunikationsplattform erheblich relevanteren Bestimmungen über die Entschädigungsansprüche im Falle von bestimmten rechtsverletzenden Äußerungen blieben jedoch unverändert aufrecht. Dies führt dazu, dass gemäß den gültigen gesetzlichen Bestimmungen unter anderem auch in privaten Nutzerprofilen von Social Media Plattformen wie Facebook aber auch auf Websites im Falle von ehr- oder anderen persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerungen Entschädigungsbeträge bis zu EUR 50.000,00 bezahlt werden müssen, obwohl der bei der Schaffung des MedienG beabsichtigte Gesetzeszweck hinter diesen Strafzahlungen in der Absicherung einer, die Persönlichkeitsrechte wahrenden, Presse nicht aber einer Beschränkung der Kommunikation unter Privatpersonen, lag. Die österreichischen Mediengerichte machen bei der Bemessung der Entschädigungsleistung auch keinerlei Unterschied dazwischen, welche tatsächliche Reichweite eine rechtswidrige Veröffentlichung in einem Online-Medium, beispielsweise als Posting, aufweist, obwohl gerade der Umfang und die Auswirkungen der Veröffentlichung bei der Strafhöhe zu berücksichtigen sind. Begründet wird dies damit, dass die zugestandene geringere Verbreitung derartiger Online-Beleidigungen durch deren längere Abrufbarkeit aufgewogen wird. Medienunternehmen, die neben ihrer Druckschrift auch eine Online-Ausgabe betreiben, haben daher – trotz unterschiedlicher Abrufzahlen – oft für beide Veröffentlichungen die gleiche Höhe an Entschädigung zu leisten.

„Das Web 2.0 bietet neben Chancen auch viele Gefahren!“
Oliver Scherbaum
Rechtsanwalt

Die Keule einer zivil- und medienrechtlichen Haftung schwebt jedoch nicht nur über dem Betreiber einer Kommunikationsplattform für seine darauf abgegebenen eigenen Äußerungen, sondern auch für die Mitteilungen Dritter, denen Gelegenheit zur Veröffentlichung von Beiträgen, beispielsweise in Weblogs oder in eingerichteten Online-Communities geboten wird. Nach Ansicht der Mediengerichte kommt dem Gründer einer Facebook-Gruppe die Eigenschaft als Medieninhaber iSd § 1 MedienG zu, zumal er – allein – die Entscheidung darüber hat, welche Beiträge in der Gruppe allgemein abrufbar gehalten werden. Ihm obliegt daher allein die Möglichkeit, fremde Postings zu löschen und Nutzer von der Teilnahme an der Gruppe zu sperren. Dies führt unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen, deren Vorliegen es im Einzelfall zu prüfen gilt, dazu, dass sich Unternehmen mit Entschädigungsansprüchen Dritter konfrontiert sehen, die von Mitgliedern der Gruppe, sei es durch Worte oder auch Lichtbilder, diffamiert oder beleidigt werden. Aus rechtlicher Sicht empfiehlt es sich daher, derartige Foren laufend zu überwachen und allenfalls rechtswidrig anmutende Einträge Dritter zu löschen. Eine Löschung ist jedenfalls dann vorzunehmen, wenn der Betreiber der Gruppe von der rechtswidrigen Äußerung, beispielsweise aufgrund eines Aufforderungsschreibens des Betroffenen, Kenntnis erlangt.

Dem Wunsch einer möglichst uneingeschränkten Teilnahme am öffentlichen Meinungsbildungsprozess, insbesondere im Lichte der Meinungsfreiheit, steht freilich die Problematik neuer Medien gegenüber, dass diese – im Gegensatz zu ihren gedruckten Geschwistern – kein Ablaufdatum haben, weltweit abrufbar sind und anonym nutzbar sind. Natürliche Personen, wie auch Unternehmen, stehen immer häufiger vor dem Problem, die weitere Abrufbarkeit ins Netz gestellter, rechtswidriger Beiträge nicht verhindern zu können, weil der zuständige Medieninhaber nicht ausfindig gemacht oder aber mit rechtlichen Mitteln nur schwer belangt werden kann. Beleidigungen, unwahre Behauptungen, Diffamierungen und ähnliches bleiben so längere Zeit, vielleicht sogar Jahr zugänglich, und scheinen sogar in den obersten Regionen in Suchmaschinen auf. Die Betreiber von Suchmaschinen sind auch nicht gerade „zuvorkommend“, was die Löschung von rechtswidrigen Beiträgen betrifft, sondern verlangen für gewöhnlich eine gerichtliche Entscheidung, mit der die Rechtswidrigkeit der inkriminierten Website festgestellt wurde. Die Erwirkung einer solchen Entscheidung setzt jedoch wiederum zumindest voraus, dass die hinter den rechtswidrigen Äußerungen stehende Person bekannt ist und gerichtlich verfolgt werden kann. Hier helfen in bestimmten Fällen zwar die Bestimmungen des E-Commerce Gesetzes weiter, sofern zumindest strafrechtlich relevante Inhalte Gegenstand der Ermittlungen sind. Oft ist dem anonymen Angreifer aber, trotz findiger rechtlicher Überlegungen, überhaupt nicht beizukommen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der bestehende Rechtsrahmen den Anforderungen an die faktischen Auswirkungen des Web 2.0 keineswegs gerecht wird und dringender Handlungsbedarf des Gesetzgebers besteht. Wesentliche Bedeutung kommt aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit von Persönlichkeitsverletzungen im Web dabei der Aufgabe zu, die internationale Zuständigkeit der Staaten für derartige Verletzungen wirksam zu regeln. Bis dahin bleibt es der Rechtsprechung und der medienrechtlich tätigen Anwaltschaft vorbehalten, mit den bestehenden gesetzlichen Mitteln gegen Rechtsverletzungen in und durch das Web 2.0 vorzugehen.

Dr. Oliver Scherbaum
www.w-b-s.at

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