Banking: Contingent Convertibles (CoCos)

387

Dr. Uwe Rautner, Rechtsanwalt und Partner bei Rautner Huber Rechtsanwälte OG in Wien, über die nächste Generation von Nachranganleihen für Banken.

Die bestehenden Eigenmittelvorschriften für Banken werden mit der Umsetzung des Reformpakets des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel III) auf EU-Ebene schrittweise ab dem 1. Jänner 2013 verschärft. Der Vorschlag der EU-Kommission soll die bestehenden Eigenkapitalrichtlinien durch eine Richtlinie und eine Verordnung (CRD IV-Paket; in der Folge gemeinsam „CRD IV“ genannt) ersetzen. Primäres Ziel dieses Reformvorhabens ist es, die neben dem quantitativen auch die qualitativen Anforderungen an das Kernkapital von Banken zu erhöhen. Nach den neuen Regeln setzt sich das Kernkapital einer Bank aus dem harten Kernkapital und dem zusätzlichen Kernkapital zusammensetzen: Während das harte Kernkapital grundsätzlich nur mehr aus Stammaktien und Gewinnrücklagen bestehen darf, da nur diese uneingeschränkt und sofort zur Verlustabdeckung zur Verfügung stehen, dürfen dem zusätzlichen Kernkapital hybride Kapitalformen hinzugerechnet werden, welche die erhöhten Anforderungen an die Verlusttragefähigkeit solcher Instrumente nach CRD IV erfüllen.

CRD IV sieht einen 14-Punkte-Kriterienkatalog vor, dem hybride Kapitalformen entsprechen müssen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass bei Eintreten eines Auslöseereignisses (Trigger Event) der Kapitalbetrag der Instrumente wertberichtigt oder diese in hartes Kernkapital umgewandelt werden müssen. Ein Auslöseereignis liegt nach CRD IV dann vor, wenn die harte Kernkapitalquote der Bank unter 5,125 % oder einen über 5,125 % liegenden Wert fällt, wenn dieser in den Bedingungen dieser Instrumente spezifiziert wurde. Darunter fallen sogenannte bedingte Pflichtwandelanleihen (Contigent Convertible Bonds; in der Folge „CoCos“ genannt), die nach den neuen Regeln somit schon vor deren Wandlung zur Gänze den Eigenmitteln der Bank als zusätzliches Kernkapital hinzugerechnet werden können.

CoCos unterscheiden sich von herkömmlichen Wandelanleihen insbesondere dadurch, dass der Gläubiger nicht zur Wandlung berechtigt sondern bei Eintritt eines Auslöseereignisses dazu verpflichtet ist. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich dabei um einen debt-to-equity swap, der im Vorfeld vereinbart und im Krisenfall vollzogen wird. Aufsichtsrechtliches Ziel dieser hybriden Kapitalformen ist es, nachrangige Gläubiger sowie Eigenkapitalgeber verstärkt an den Kosten des Krisenmanagements von Banken zu beteiligen: Dadurch soll einerseits der Staat entlastet werden, notleidende Banken mit Mitteln der Steuerzahler rekapitalisieren zu müssen, andererseits das Finanzsystem als Ganzes gestärkt werden.

Anforderungen an das Aktienrecht.

Der Einsatz von CoCos setzt jedoch voraus, dass deren Ausgabe im Rahmen der aktienrechtlichen Bestimmungen rechtssicher und effektiv erfolgen kann. Bei der Ausgabe von Wandelanleihen müssen in der Regel die für die Gewährung von Umtauschrechten an Anleihegläubiger notwendigen jungen Aktien durch eine bedingte Kapitalerhöhung des Emittenten unter Bezugsrechtsausschluss der bestehenden Aktionäre geschaffen werden. Während nach dem Wortlaut des § 159 Abs 2 Z 1 des österreichischen Aktiengesetzes (öAktG) eine bedingte Kapitalerhöhung zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen zulässig ist, ist hingegen die Schaffung von bedingten Kapital für den umgekehrten Fall, wo eine Verpflichtung des Gläubigers zum Umtausch der Wandelanleihe in Aktien festgelegt wird, gesetzlich nicht vorgesehen. In der österreichischen Lehre wird die Bedienung von Pflichtwandelanleihen mit bedingtem Kapital unter Verweis auf Stimmen in der deutschen Literatur überwiegend abgelehnt und zwar auch für solche Fälle, die das Wandlungsrecht der Emittentin und nicht dem Investor einräumen (umgekehrte Wandelanleihe): Umgekehrte Wandelanleihen und CoCos haben gemeinsam, dass sie dem Investor eine Wandlungspflicht auferlegen.

In Deutschland, wo die entsprechenden Bestimmungen des Aktiengesetzes mit jenen in Österreich im Wesentlichen übereinstimmen, war es bislang strittig, ob für CoCos bzw umgekehrte Wandelanleihen die Schaffung von bedingtem Kapital möglich ist. Mit der Aktienrechtsnovelle 2012 soll nun in Deutschland durch punktuelle Anpassungen des deutschen Aktienrechts eine erhöhte Rechtssicherheit für die Bedienung und Schaffung solcher Instrumente erreicht werden. Der deutsche Regierungsentwurf sieht nun vor, dass bedingtes Kapital auch zur Bedienung von umgekehrten Wandelanleihen, die der Emittentin ein Wandlungsrecht einräumen und damit dem Investor zugleich eine Wandlungspflicht auferlegen, möglich sein soll.

Fraglich ist dabei, inwieweit der Emittentin in den Anleihebedingungen auch eine (schuldrechtliche) Verpflichtung zur Wandlung auferlegt werden muss oder kann: Allerdings scheint eine (aufsichtsrechtliche) Wandlungspflicht der Emittentin nach dem Kompromissvorschlag des Rates der Europäischen Union vom 9. Jänner 2012 zu CRD IV für die aufsichtsrechtliche Anerkennung dieser Instrumente als zusätzliches Kernkapital zu genügen. Der Verordnungsvorschlag der Kommission legt hingegen noch einen Automatismus der Wandlung bei Eintritt eines Auslöseereignisses nahe.

Eine Privilegierung dieser Instrumente für den Finanzsektor soll insbesondere dadurch erfolgen, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Schaffung von bedingtem Kapital keinen betraglichen Grenzen unterliegen soll. Derzeit sieht § 192 Abs 3 des deutschen Aktiengesetzes (dAktG), der im Wesentlichen § 159 Abs 4 öAktG entspricht, nämlich noch eine Höchstgrenze für die Schaffung von bedingtem Kapital vor: Der Nennbetrag des bedingten Kapitals darf insgesamt die Hälfte des zur Zeit des Beschlusses über die bedingte Kapitalerhöhung vorhandenen Grundkapitals nicht übersteigen. Diese Höchstgrenze dient insbesondere dem Schutz der Aktionäre vor einer Verwässerung der bestehenden Eigentümerstruktur. Aufgrund der Funktion von CoCos bzw umgekehrten Wandelanleihen als Sanierungsinstrument erscheint diese Höchstgrenze jedoch nicht mehr zweckmäßig und ein Abgehen für Fälle drohender Zahlungsunfähigkeit sachlich gerechtfertigt. In Deutschland soll nach dem Regierungsentwurf die 50%-Höchstgrenze für Banken dann nicht gelten, wenn die bedingte Kapitalerhöhung zur Erfüllung eines Umtauschs im Falle einer Belastungssituation beschlossen wird.

Im Bereich des Finanzsektors ist – wie die Erfahrungen aus der letzten Finanzmarktkrise gezeigt haben – die Möglichkeit der Sanierung von Banken von besonderer Bedeutung, um Rettungsmaßnahmen des Staates zu Lasten der Steuerzahler möglichst zu vermeiden und die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems als Ganzes zu erhalten. CoCos bzw umgekehrte Wandelanleihen können durch Einbeziehung der nachrangigen Gläubiger sowie Eigenkapitalgeber zur Sanierung von Banken beitragen. Ähnlich wie in Deutschland wäre es daher auch in Österreich wünschenswert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für solche Instrumente zu schaffen, um den gemeinschaftsweiten Vorgaben nach CRD IV an die Eigenmittel von Banken zu entsprechen.

Dr. Uwe Rautner, LL.M.
www.rautnerhuber.com

Flower