Derzeit befinden sich die Diskussionen zur Umsetzung des Reformpakets des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zur Stärkung der Regulierung, der Aufsicht und des Risikomanagements im Bankensektor – gemeinhin bekannt als „Basel III“ – auf europäischer Ebene in der „heißen Phase“. Mit Hinblick auf das geplante Inkrafttreten eines Großteils der Regelungen per 1.1.2013 wäre eine baldige Einigung auch dringend geboten.
Von der Finanzkrise zu Basel III.
Als Reaktion auf die Finanz- und Bankenkrise beschlossen die G 20 im September 2009 den Bankensektor zu reformieren und grundlegende Schwachstellen zu beseitigen. Der Basler Ausschuss legte Ende 2010 ein allgemein als Basel III bezeichnetes Regelwerk vor. Am 20.7.2011 hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge zur Umsetzung von Basel III präsentiert. Anders als bei der Implementierung von Basel II ist der Hauptteil der Regelungen nicht im Richtlinienentwurf sondern in der Verordnung (der Entwurf umfasst mehr als 700 Seiten!) umgesetzt. Zweck dieses Vorgehens ist die Schaffung eines „Single Rule Book“, bei dem in den nationalen Rechtsordnungen keine Abweichungen bzw. Ausnahmeregelungen möglich sind.
Ausgangspunkt der Reformüberlegungen war, dass die Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute bei Ausbruch der Finanzkrise sowohl quantitativ als auch qualitativ unzureichend war. Insofern stellt das Eigenmittelregime auch den Kernbereich von Basel III dar.
Qualitative Regelungen. Anders als bisher soll es nicht drei sondern nur noch zwei Kategorien von regulatorischen Eigenmitteln geben. Innerhalb des Kernkapitals (Tier 1) wird wiederum zwischen hartem Kernkapital (Common Equity Tier 1) sowie zusätzlichem Kernkapital (Additional Tier 1) unterschieden. Während die beiden Bestandteile des Kernkapitals der Verlusttragung im „going concern“ – also bei laufender Geschäftstätigkeit – dienen, soll das Ergänzungskapital (Tier 2) Verluste im „gone concern“ – also im Liquidationsfall – absorbieren.
Nach derzeitigem Stand dürfte insbesondere die Anrechenbarkeit als Eigenmittel von zwei in Österreich gebräuchlichen Kapitalinstrumenten – Partizipationskapital und Vorzugsaktien – betroffen sein.
Die neuen qualitativen Regeln für die Anrechenbarkeit der regulatorischen Eigenmittel gelten bereits ab 1.1.2013, sodass jene Kapitalbestandteile, die den Kriterien nicht entsprechen, nicht mehr wie bisher anrechenbar sein werden, außer die Kreditinstitute passen die Emissionsbedingungen der jeweiligen Instrumente an (was aber im Regelfall die Zustimmung der Investoren voraussetzt), wobei jedoch Übergangsbestimmungen (Phasing-Out) mit jährlichen Abschlägen von der Anrechenbarkeit in Höhe von etwa 10 % vorgesehen sind.
Qualitative Regelungen. Während das Gesamteigenmittelerfordernis von 8 % der risikogewichteten Aktiva (risk weighted assets, RWA) grundsätzlich unverändert bleibt, kommt es zu einer neuen Gewichtung der Eigenmittelbestandteile. Die Kernkapitalquote steigt schrittweise von derzeit 4 % auf 6 %, wobei zumindest 4,5 % an hartem Kernkapital zu halten sind – für international aktive österreichische Großbanken gelten die Vorschriften ohne Übergangsfristen bereits ab 1.1.2013.
Zusätzlich sieht der Richtlinienentwurf die Einführung von zwei neuen Kapitalpuffern vor. Der Kapitalerhaltungspuffer beträgt in der Endstufe 2,5 % der RWA. Faktisch erhöht sich dadurch die Mindestquote an hartem Kernkapital von 4,5 % auf 7 %. Bei Nichteinhaltung des Kapitalerhaltungspuffers sind Gewinnausschüttungssperren (einschließlich Einschränkungen bei der variablen Vergütung) vorgesehen. Der antizyklische Kapitalpuffer wird nicht als feste Größe sondern als Bandbreite (0 % bis 2,5 % der RWA) festgelegt und kann von den nationalen Aufsichtsbehörden bei Gefahr einer Konjunkturüberhitzung vorgeschrieben werden.
Auswirkungen von Basel III.
Der Bedarf an zusätzlichen Eigenmitteln zur Umsetzung der neuen regulatorischen Vorschriften wird in Österreich auf etwa EUR 11 bis 14 Milliarden und europaweit bis 2019 auf etwa EUR 460 Milliarden geschätzt. Zur Erreichung der Zielvorgaben stehen zwei Alternativen zur Verfügung. Einerseits können Gewinne einbehalten und regulatorisches Kapital am Kapitalmarkt aufgenommen werden, um die Kapitalbasis zu stärken. Andererseits können die mit Eigenmitteln zu unterlegenden RWA – im Falle des Kreditgeschäfts also das Kreditportfolio – reduziert oder in ihrer Risikostruktur geändert werden. Vor allem wenn die Kapitalaufnahme aufgrund eines ungünstigen Marktumfelds schwierig oder teuer ist, könnte aus Sicht der Kreditinstitute die Rückführung der Kreditvergabe wohl der „leichtere“ Weg sein – Konsequenz wäre eine neuerliche Kreditklemme.
Dabei sind auch die Kosten der Banken für die Umsetzung der umfangreichen neuen regulatorischen Vorgaben zu berücksichtigen – die OeNB ging Ende 2010 für die Umsetzung der Änderungen im Eigenmittelbereich von Kosten in der Höhe von etwa EUR 750 Mio. und im Liquiditätsbereich von etwa EUR 420 Mio. aus. Dabei liegt es nahe, dass diese Kosten nicht (ausschließlich) von den Banken selbst getragen sondern – wenn auch indirekt – an die Kunden weitergegeben werden, was wohl zu einer Erhöhung der Kreditkosten führen wird. Während die Europäische Kommission von einer Verringerung der Kreditvergabe um 1,8 % und einer durchschnittlichen Erhöhung der Zinssätze um 29 Basispunkte ausgeht, kommen andere Studien zu deutlich schlechteren Ergebnissen (Erhöhung der Kreditkosten um bis zu 50 Basispunkte).
Mit Hinblick auf das stren-gere Eigenmittelregime (faktische Erhöhung des Unterlegungserfordernisses sowie restriktivere Kriterien für die einzelnen Kapitalbestandteile) könnte Basel III Anreize für den Verkauf von notleidenden Krediten (non-performing loans) an spezialisierte Investoren (sog. Distressed-Debt-Investoren) für Banken setzen, da die knappen Eigenmittel in profitable Geschäftszweige investiert werden sollten.
Außerdem werden die neuen Regelungen zum vermehrten Einsatz bedingt wandelbarer Finanzierungsinstrumente durch die Kreditinstitute führen. Bei den sogenannten Contingent Convertible Bonds („CoCos“) handelt es sich um langfristige nachrangige Schuldverschreibungen, die nach Maßgabe des Eintritts vorher festgelegter Kriterien (Trigger) automatisch in hartes Kernkapital – also Aktien – umgewandelt werden können.
Besonders kontroversiell werden die potenziellen Auswirkungen von Basel III auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) diskutiert. Dabei hat sich das Europäische Parlament – insbesondere in Person des Berichterstatters und österreichischen EU-Abgeordneten Othmar Karas – auf die Seite der KMU gestellt und verschiedene Erleichterungen gefordert: Reduktion des Risikogewichts von KMU-Krediten um 30 % (derzeit beträgt die Risikogewichtung im Standardansatz 75 %) sowie Erhöhung des Schwellenwerts für die Anwendbarkeit der niedrigeren Risikogewichtung von EUR
1 Mio. auf EUR 2 Mio.
Inwieweit der von der Europäischen Kommission in Aussicht gestellte langfristige wirtschaftliche Nutzen der neuen Regelungen durch eine Verringerung der erwarteten Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit künftiger Systemkrisen die kurz- und mittelfristigen Kosten der Umsetzung übersteigt, bleibt abzuwarten. Die Bewährungsprobe von Basel III kommt mit der nächsten Finanz- und Bankenkrise bestimmt. Es erscheint fraglich, ob der neue Regulierungsrahmen in Zukunft das Erfordernis von Bankenrettungen vermeiden kann. Sollten die neu eingeführten Instrumente nicht wie gewünscht greifen, käme es wohl zur Belastungsprobe eines anderen derzeit auf europäischer Ebene diskutierten Regelwerks: nämlich eines neuen Insolvenzrechts für Banken.
Mag. Claudia Steegmüller
MMag. Philip Hoflehner
www.taylorwessing.com
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