Covid-19: Fürsorgepflicht und Arbeitnehmerschutz für Schwangere

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Dr. Natalie Hahn im Interview
Dr. Natalie Hahn im Interview

Dr. Natalie Hahn beleuchtet, was Fürsorgepflicht und Arbeitnehmerschutz in Zeiten von Covid-19 im Zusammenhang der Beschäftigung von Schwangeren bedeuten. Die Verantwortung für die Umsetzung eines angemessenen Arbeitnehmerschutzes, insbesondere der neuen arbeitnehmerschutzrechtlichen Standards im Zusammenhang mit dem Corona-Virus, trifft die Unternehmen.

Die Corona-Pandemie macht auch am Arbeitsplatz nicht halt und stellt Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, deren Betriebe weiter geöffnet sind, vor Herausforderungen, wenn es darum geht, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch den Mutterschutz und die damit einhergehenden Besonderheiten bei der Beschäftigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu beachten.

Vorerst keine FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen

Dicht anliegende Atemschutzmasken (FFP2/FFP3) sind für Schwangere nur bedingt geeignet, weil die Tragezeit aufgrund des Atemwiderstands für schwangere Frauen zeitlich sehr begrenzt ist. Schwangere Arbeitnehmerinnen sind daher gemäß Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung von der FFP2-Maskenpflicht ausgenommen. An Arbeitsplätzen ist in geschlossenen Räumen, wenn mehr als eine Person in einem Raum ohne Schutzvorrichtungen (Trennwand, Plexiglaswand) arbeitet, ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen. In manchen Betrieben wird eine FFP2-Maske vorgeschrieben. Die im Rahmen des aktuellen Ost-Lockdown zunächst am Gründonnerstag geplante Einführung einer generellen FFP2-Maskenpflicht für Innenräume wurde – trotz Bedauerns des damals noch in Amt und Würden stehenden Gesundheitsministers Anschober – vorerst nicht beschlossen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Berufsgruppen, für die im Generalkollektivvertrag Corona-Test eine Testung vorgesehen ist und die keinen Nachweis erbringen, haben eine FFP2 Maske zu tragen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben grundsätzlich weiterhin ein Wahlrecht zwischen Testung und Tragen einer FFP2-Maske in der Arbeit. Gebremst hat das Vorhaben der Einführung einer FFP2-Maskenpflicht für Innenräume auch, dass FFP2-Maskenpflicht am Arbeitsplatz und verpflichtende Berufsgruppentests, mit denen die Maskenpflicht ja wegfallen könnte, als Schutzmaßnahmen-Paket gesehen werden. Die Pflicht zur wöchentlichen Testung für bestimmte Berufsgruppen liegt aber – mit der Blockade der Epidemie- und Coronagesetzes-Novellen durch die Oppositionsmehrheit im Bundesrat – mit Stand 31.03.2021 für acht Wochen auf Eis.

Covid-19-Krise und Mutterschutz

Was die wissenschaftliche Erkenntnislage in Sache COVID-Infektionen betrifft, ist diese im Hinblick auf die Neuartigkeit und die ständigen Mutationen des Virus in Bezug auf Schwangere zwar nach wie vor lückenhaft – beispielsweise betreffend die Frage, ob und welche Folgen eine Infektion mit dem Virus auf das ungeborene Kind haben kann – medizinische Erkenntnisse belegen aber mittlerweile, dass eine COVID-19-Erkrankung bei einer fortgeschrittenen Schwangerschaft das Risiko eines schweren Verlaufs mit notwendiger Behandlung auf der Intensivstation erhöht.

Dementsprechend hat der Sozialausschuss des Nationalrates im November 2020 einen erweiterten Freistellungsanspruch für schwangere Arbeitnehmerinnen (auch für freie Dienstnehmerinnen) mit Beginn der 14. Schwangerschaftswoche ab 01.01.2021 beschlossen, die bei der Arbeit physischen Kontakt mit anderen Personen haben und Homeoffice oder eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht möglich ist. In der Praxis wohl insbesondere Friseurinnen, Stylistinnen, Kosmetikerinnen, Piercerinnen und Tätowiererinnen, Masseurinnen, Physiotherapeutinnen, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen mit notwendigem Körperkontakt. Schwangere sind somit ab Beginn der 14. Schwangerschaftswoche bei voller Entgeltfortzahlung freizustellen, sofern durch eine Anpassung der Beschäftigung ein Körperkontakt nicht vermieden werden kann. Der Freistellungsanspruch besteht vorerst bis Juni 2021 (und wohl auch darüber hinaus für zum 31.05.2021 schon laufende Freistellungen). Die COVID-19-Lage wird sodann erneut evaluiert werden.

Anpassung der Beschäftigung oder Freistellung

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen gemäß MSchG trotz der Verbreitung von SARS-CoV-2 gewährleisten, dass schwangere Arbeitnehmerinnen ihre Beschäftigung ohne Gefährdung für sie oder ihr ungeborenes Kind ausüben können. Ein generelles Beschäftigungsverbot während der Corona-Pandemie gibt es nicht. Eine Entscheidung über zu ergreifende und festzulegende Schutzmaßnahmen für schwangere Arbeitnehmerinnen ist stets eine Einzelfallentscheidung in Abhängigkeit von den konkreten Arbeitsbedingungen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen vorzunehmen und hierbei auch die schwangerschaftsbedingten Risiken zu beurteilen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind ab diesem Zeitpunkt angehalten, durch Änderung der Arbeitsbedingungen oder Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz eine Gefährdung zu vermeiden. Auch die Möglichkeit von Homeoffice muss dabei geprüft werden. Ist das nicht möglich, hat die schwangere Arbeitnehmerin Anspruch auf Freistellung mit Entgeltfortzahlung.

Erstattungsanspruch

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bekommen die Kosten vom Krankenversicherungsträger ersetzt, müssen aber schriftlich bestätigen, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen oder die Beschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz aus objektiven Gründen nicht möglich war. Neben dem Entgelt, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber fortbezahlen, werden Steuern und Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge, Arbeitslosenversicherungsbeiträge und sonstige Beiträge bis zur ASVG-Höchstbeitragsgrundlage von EUR 5.370 ersetzt. Die Entgeltfortzahlung endet mit Beginn des Beschäftigungsverbotes vor der Geburt. Dies ist entweder das allgemeine Beschäftigungsverbot ab 8 Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin oder ein vorzeitiges Beschäftigungsverbot.

Anspruch auf Freistellung versus Beschäftigungsverbot

Beim Anspruch auf Sonderfreistellung gemäß dem neuen § 3a Abs 1 MSchG handelt sich um kein absolutes Beschäftigungsverbot, weil ausdrücklich festgelegt ist, dass die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Freistellung hat. Die betroffene Arbeitnehmerin kann also selbst entscheiden, ob sie freigestellt wird oder nicht. Dieser Ansatz ist aus meiner Sicht bedenklich, weil der Gesetzgeber mE gut daran getan hätte, dafür Sorge zu tragen, dass regelmäßig wirtschaftlich abhängige Arbeitnehmerinnen ihre gesundheitlichen Interessen aus wirtschaftlichen Gründen nicht außer Acht lassen. Denn die Gefährdung der Gesundheit der Schwangeren und des ungeborenen Kindes tritt wohl unstrittig unabhängig davon ein, auf welchen Wunsch hin sie erfolgt. Die Situation ist nicht anders zu beurteilen als wenn Arbeitnehmerschutzbestimmungen „nur über Drängen der geschützten Person“ übertreten werden. In einem solchen Fall wird aber vertreten, dass eine Verletzung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen – insbesondere iZm einer Schwangerschaft – unabhängig davon unzulässig und zu bestrafen ist, auf welchen Wunsch hin die Übertretung erfolgt. Warum dies in Bezug auf die Freistellung ab der 14. Schwangerschaftswoche anders zu beurteilen sein soll, erschließt sich nicht.

Wenn die schwangere Arbeitnehmerin das Recht auf Freistellung nicht in Anspruch nimmt, darf sie dennoch nicht völlig ungeschützt mit Körperkontakt arbeiten. Vielmehr müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber alle erforderlichen Schutzmaßnahmen treffen, um eine Infektionsgefahr so weitgehend wie möglich auszuschließen.

Praxishinweis

Arbeitsnehmerschutzmaßnahmen und -standards sind in Zeiten der Covid-19-Pandemie laufend neu zu beurteilen und haben sich Unternehmen entsprechend upzudaten. Die gegenwärtige Pandemie führt uns die Vergänglichkeit (rechts)wissenschaftlicher Planbarkeit und Sicherheit vor Augen. Denn was heute über COVID-19-Gesetze und -Maßnahmen geschrieben wird, kann über Nacht schon wieder Schnee von gestern sein. Aufgrund der aktuellen Lage ist es unerlässlich, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Krankheitsgeschehen und die Inzidenzen von SARS-CoV-2 ständig beobachten und damit einhergehende Risiken immer wieder neu bewerten. Nur dann, wenn eine nicht zu verantwortende Gefährdung z.B. durch einen ausreichenden Immun- bzw. Impfschutz oder Anpassung der Arbeitsbedingungen im Einzelfall ausgeschlossen ist, kann die schwangere Arbeitnehmerin weiter beschäftigt werden.

Um Compliance-Risiken auf ein aus Arbeitgeber-Sicht vertretbares Maß zu reduzieren, sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gut beraten, die vorgenommene Gefahrenevaluierung entsprechend zu dokumentieren und Betriebsärzte – sofern vorhanden – hinzuzuziehen. Schließlich ist sowohl bei der Gefahrenevaluierung als auch für den Fall erforderlicher Arbeitsnehmerschutzmaßnahmen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 97 Abs 1 Z 8 ArbVG zu beachten.

www.dsc.at

Foto: Walter J. Sieberer / Redaktion

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