Foto von Kündigungsschreiben per WhatsApp erfüllt Schriftformgebot nicht

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Angelika Pallwein-Prettner, Partnerin und Expertin für Arbeitsrecht bei Binder Grösswang
Angelika Pallwein-Prettner,
Partnerin und Expertin für Arbeitsrecht bei Binder Grösswang

In einer jüngst ergangenen Entscheidung (OGH 28. 10. 2015, 9 ObA 110/15i) beschäftigte sich der OGH erstmals mit der Frage, ob die Übermittlung des Fotos eines durch den Arbeitgeber unterzeichneten Kündigungsschreibens ein kollektivvertraglich normiertes Schriftformerfordernis erfüllt

Die Kündigung ist rechtlich gesehen eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis zum Kündigungstermin beendet. Da im Arbeitsrecht weitgehend Formfreiheit herrscht, kann eine Kündigung grundsätzlich auch konkludent, mündlich, per SMS oder auch soziale Netzwerke, wie WhatsApp oder Facebook, wirksam erklärt werden. Allerdings können gesetzliche Sonderbestimmungen, Kollektivverträge oder Arbeitsverträge die Schriftlichkeit der Kündigung oder sonstigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorschreiben.

Ist Schriftlichkeit gefordert, muss das entsprechende Dokument in der Regel die eigenhändige Unterschrift des Erklärenden aufweisen. „Normale“ Nachrichten (E-Mail, SMS, WhatsApp) werden mangels eigenhändiger Unterschrift grundsätzlich nicht als Schriftform anerkannt. Qualifiziert digital signierte E-Mails gelten jedoch gemäß § 4 Abs 1 Signaturgesetz (SigG) als eigenhändig unterschrieben und erfüllen daher grundsätzlich das Schriftlichkeitserfordernis. Bei eingescannten oder fotografierten Dokumenten, die auf elektronischem Wege übermittelt werden, fehlte es bisher an Rechtsprechung.

Horts Lukanec, Partner bei Binder Grösswang und Experte für Arbeitsrecht
Horst Lukanec, Partner bei Binder Grösswang und Experte für Arbeitsrecht

Im vorliegenden Fall schrieb der anwendbare Kollektivvertrag die Schriftlichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor. Um das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden, sprach die Arbeitgeberin die Kündigung zuerst mündlich aus und verfasste ein eigenhändig unterschriebenes Kündigungsschreiben, welches am selben Tag als Foto über den Nachrichtendienst „WhatsApp“ an die Arbeitnehmerin gesendet und zudem per Post abgeschickt wurde.

Der OGH hielt fest, dass das auf „WhatsApp“ übermittelte Foto nicht dem kollektivvertraglich normierten Schriftformgebot gerecht werde. Unterschiedliche Formgebote seinen nach ihrem jeweiligen Zweck zu untersuchen. Im vorliegenden Fall liege der Formzweck der Schriftlichkeit der Kündigung wesentlich darin, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses frei von Unsicherheiten sein solle. Der Empfänger solle ein Dokument über die Kündigung zum weiteren Verbleib bei ihm erhalten, damit er dieses überprüfen könne. Die physische Verfügung über eine Hardcopy (im Sinne eines Ausdrucks des Dokuments) ermögliche dem Empfänger die Anfertigung einer Kopie und Übergabe dieser an eine Beratungsstelle (Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Rechtsanwalt). Der Empfänger habe also ein Bedürfnis, das Kündigungsschreiben physisch in den Händen zu haben. Im Falle der Übermittlung des Kündigungsschreiben über „WhatsApp“ könne der Empfänger ohne weitere Ausstattungen und technisches Wissen keinen Ausdruck in Form eines physischen Schriftstückes herstellen. Zudem sei auch nicht gewährleistet, dass der Empfänger die Erklärung hinreichend zuverlässig entnehmen könne, wenn das Foto des Schreibens nur auf dem Smartphone ersichtlich sei. Die Übermittlung des Fotos des Kündigungsschreibens über „WhatsApp“ entspreche daher nicht dem Schriftlichkeitsgebot, weshalb erst die per Post zugestellte Kündigung wirksam sei.

Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung vertrat die herrschende Lehre bislang, dass eingescannte, unterschriebene Dokumente, als E-Mail-Anhang versandt, einem etwaigen Schriftformgebot entsprechen. Durch diese neue Entscheidung des OGH ist dies aber im Zusammenhang mit Schriftformerfordernissen bei Kündigungen nicht mehr als gesichert anzusehen, ist doch der Unterschied zwischen einem gescannten Dokument und einem übermittelten Foto gering, ist in beiden Fällen zusätzliche Ausstattung sowie zusätzliches technisches Vorgehen notwendig.

Bei vertraglich vereinbarter Schriftform ist zudem fraglich, zu welchem Zweck die Parteien die Schriftform vereinbart haben. Wenn der Zweck zB im Schutz vor einer übereilten Kündigung liegt, wird auch ein eigenhändig unterzeichnetes, eingescanntes Dokument als ausreichend angesehen werden. Da die Ermittlung des Parteiwillens aber im Einzelfall schwierig sein kann, sollten zur Sicherheit, sofern Schriftform vereinbart oder vorgeschrieben ist, nicht bloß eingescannte oder fotografierte Dokumente, sondern eigenhändig unterfertigte Schriftstücke oder ein E-Mail mit qualifizierter digitaler Signatur zur Kündigung verwendet werden.

www.bindergroesswang.at

Fotos: Walter J. Sieberer

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