Werden die Erhaltungspflichten nicht im Mietzins eingepreist, droht aus der Vermietung auch langfristig ein Verlustgeschäft zu werden.
Viel wurde in den letzten Jahren über die vom OGH 2006 ausgelöste Judikaturwende zu den Erhaltungspflichten bei Mietverträgen diskutiert. Zahlreiche juristisch gut begründete (zB von Andreas Vonkilch) oder mehr von Polemik getragene Stellungnahmen haben die unübersichtliche und uneinheitliche neue Ausgangslage beleuchtet. Doch abseits von juristischen Grabenkämpfen und berechtigten Appellen an den Gesetzgeber, diesem Possenspiel endlich ein Ende zu machen, bleibt für Vermieter eine brennende Frage: wie müssen Mietverträge gestaltet werden, damit die Vermietung auch in Zukunft eine adäquate Einkommensquelle darstellt?
Zur Erinnerung: Ausgehend von der zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten Klauselentscheidung vom 11.10.2006 (7 Ob 78/06f) hat der OGH mehrfach bestätigt, dass Vermieter – verkürzt dargestellt* – Erhaltungspflichten nicht mehr auf Mieter überwälzen können. Damit war Schluss mit der jahrzehntelangen Praxis, dass diese Erhaltungspflichten die Mieter treffen. Dass die dogmatische Begründung dafür auf sehr wackeligen Beinen steht, mag einschlägig damit befasste Juristen interessieren, hilft aber Vermietern nicht. Diese stehen nämlich nun vor dem Problem, diese geänderte Ausgangslage in den Mietverträgen adäquat berücksichtigen zu müssen.
Eingriff in bestehende Mietverträge
Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für neu abgeschlossene Mietverträge, sie gilt auch für bestehende Mietverträge. Sehenden (?) Auges hat der OGH in hunderttausende Mietverträge eingegriffen und deren wirtschaftliche Grundlagen geändert, ohne dass die Vertragsparteien dagegen etwas unternehmen können. Im Klartext: Auch bei einem 2006 schon abgeschlossenen Mietvertrag muss der Mieter die Erhaltungsmaßnahmen nicht mehr bezahlen. Im Ergebnis muss der Vermieter nun plötzlich die Erhaltungskosten tragen, bekommt aber dafür keinen höheren Mietzins, weil er diesen nicht einseitig anheben kann. Und bei unbefristeten Mietverträgen, die dem Mietrechtsgesetz (MRG) unterliegen, kann er den Mieter auch nicht kündigen. Der Gedanke an wirtschaftliche Enteignung liegt da nicht mehr fern.
„Full Service Wohnung“ – ein neues Produkt am Markt?
Bei neu abzuschließenden Mietverträgen bietet sich die Chance, die geänderte Rechtslage in den Mietverträgen und damit im Mietzins zu berücksichtigen. Der Mieter bekommt nun ja auch ein anderes Produkt geboten: Es treffen ihn keine Erhaltungspflichten mehr, er bekommt also eine „full service Wohnung“. Dass eine solche aber teurer sein muss, als die alte Variante ohne dieses „full service“, liegt auf der Hand. Vermieter tun sich aber in der Praxis schwer, diese höheren Mieten am Markt durchzusetzen. Nachdem nicht etwa die gesamte Branche die Mieten im ähnlichen Ausmaß angehoben hat, stoßen einzelne Vermieter, die die geltende Rechtslage einpreisen wollen, oft auf wenig Verständnis. Sie schaffen es nicht, adäquate höhere Mietzinse durchzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Vermieter oft davor scheuen, die Mieter aktiv darüber aufzuklären, dass sie nun im Gegensatz zu früher keine Erhaltungspflichten mehr treffen und der höhere Mietzins daher gerechtfertigt ist. Diese Scheu der Vermieter hat zwei Hauptgründe: zum einen hoffen sie, dass die Mieter von dieser geänderten Rechtslage keine Ahnung haben und sich darauf nicht berufen. Eine trügerische Hoffnung, die sehr leicht ins Auge gehen kann. Zum anderen fürchten sie wohl durchaus berechtigt, dass Mieter den ihnen anvertrauten Mietgegenstand mit deutlich weniger Sorgfalt behandeln werden, wenn sie für dessen Erhaltung nicht mehr aufkommen müssen.
Vorsorgewohnung – ein schlechtes Geschäft?
Wer nun sorgenvoll auf seine Vorsorgewohnung blickt, der kann beruhigt sein. Der OGH begründet die oben genannte Entscheidung mit der Anwendbarkeit des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) auch auf Mietverträge. Das KSchG verbietet die Beschränkungen von Gewährleistungsrechte gegenüber Konsumenten. Die Verpflichtung des Mieters, den Mietgegenstand zu erhalten, wird vom OGH aber als solche verbotene Beschränkung der Gewährleistungsrechte gesehen. Dies gilt aber eben nur dann, wenn das KSchG auf den konkreten Mietvertrag überhaupt anwendbar ist. Und das KSchG ist nur dann anwendbar, wenn der Vermieter ein Unternehmer und der Mieter ein Konsument ist. Genau dies trifft auf Vorsorgewohnungen aber in der Regel nicht zu. Hier hat zwar meist ein Immobilienunternehmen den Abschluss des Mietvertrags organisiert, Vermieter ist aber dennoch der private Eigentümer und solange dieser nicht mehrere (in der Regel mehr als 5) Wohnungen vermietet, ist er selbst Konsument und das KSchG ist nicht anwendbar.
FAZIT: Vermietern sei also dringend angeraten, die Kalkulation des Mietzinses gut zu überdenken und sich zu überlegen, ob nicht ein höherer Mietzins und dessen inhaltliche Begründung offen kommuniziert werden sollte.
Mag. Dr. Wolfgang Tichy
Foto: beigestellt
(*Anm.: Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde auf die in der Praxis zu unterschiedlichen Ergebnissen führende Voll- oder Teilanwendbarkeit des MRG nicht eingegangen.)
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