Im Juli traten die “Wiener Regeln und Wiener Mediationsregeln 2021” des Vienna International Arbitration Centre („VIAC“) in Kraft.
Die überarbeitete VIAC-Regelung wird für Schiedsverfahren gelten, die nach dem 30. Juni 2021 gestartet wurden. Ein internationales DLA Piper-Team, bestehend aus Andreas Daxberger (Partner im Wiener Büro) sowie Mikhail Bychikhin und Anna Ryazanova (beide DLA Piper Moskau), hat sich näher mit diesen Neuerungen auseinandergesetzt.
Das VIAC ist eine von nur vier ausländischen Schiedsinstitutionen (neben HKIAC, ICC und SIAC), die sich als „Ständige Schiedsinstitutionen“ in Russland qualifizieren und daher berechtigt sind, Schiedsverfahren mit Sitz in Russland und bestimmte Russland-bezogene Streitigkeiten, einschließlich gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten in Bezug auf russische juristische Personen, durchzuführen.
Zu den wesentlichen Änderungen der neuen VIAC Regeln zählen:
1. VIAC als für Investitionsverfahren zuständige und ernennende Stelle: das VIAC ist nun ausdrücklich befugt, Investitionsschiedsverfahren zu verwalten (es hat auch separate Regeln für Investitionsschiedsverfahren und Mediation eingeführt2) und kann als Ernennungs- oder Verwaltungsbehörde in Ad-hoc-Verfahren auftreten.3
2. Einsatz elektronischer Technologie und Einführung des VIAC-Portals:
2.1. Die Einreichung von Anspruchserklärungen und die Übermittlung von Dokumenten auf elektronischem Wege sind ausdrücklich erlaubt.4
2.2. Parteien und Schiedsrichter können das VIAC-Portal (gehostet auf HighQ) für Online Case Management und den Austausch von Dokumenten nutzen.
2.3. Obwohl dies schon früher möglich war, wird nun ausdrücklich festgelegt, dass die Verhandlungen nicht nur persönlich, sondern auch auf andere Weise (z.B. per Videokonferenz) durchgeführt werden können. Das Schiedsgericht bestimmt das Format der Anhörung unter Berücksichtigung der Sichtweise der Parteien und der Umstände des Falles.5
2.4. Die Übersendung einer Kopie des Schiedsspruchs auf elektronischem Wege ist ausdrücklich erlaubt.6
3. Prozessfinanzierung: die Bestimmungen zur Prozessfinanzierung, einschließlich der Definition von Prozessfinanzierung und Bestimmungen zur Regelung dieser und deren Offenlegung wurden eingeführt.7
4. Ausdrückliche Frist für die Erteilung eines Schiedsspruchs: Bisher gab es keine solche Frist. Nach den VIAC-Regeln muss der Schiedsspruch spätestens drei Monate nach dem Datum erlassen werden, (i) an dem die letzte Anhörung zu den in einem Schiedsspruch zu entscheidenden Angelegenheiten stattgefunden hat oder (ii) an dem der letzte zulässige Schriftsatz zu diesen Angelegenheiten eingereicht wurde, je nachdem, welcher Zeitpunkt später liegt.8 Die Frist kann jedoch durch den VIAC-Generalsekretär verlängert werden.
5. Überarbeitete Regeln zu Schiedsgerichtskosten und -gebühren:
5.1. Auf Antrag einer Partei kann das Schiedsgericht nunmehr in jedem Stadium des Verfahrens, auch vor Erlass des Endschiedsspruchs, eine Kostenentscheidung fällen.9
5.2. Obwohl die Gebühren und Kosten für kleinere Streitigkeiten gleichgeblieben sind, wurden die Verwaltungsgebühr für Streitigkeiten über EUR 100.000 und die Gebühren der Schiedsrichter für Streitigkeiten über EUR 200.000 erhöht.10
5.3. Der VIAC-Generalsekretär hat mehr Flexibilität bei der Festlegung des Kostenvorschusses und der Honorare der Schiedsrichter,11 was besonders für komplexe Schiedsverfahren relevant wäre.
“Insgesamt sollen die überarbeiteten VIAC-Regeln die Effizienz des Verfahrens verbessern und entsprechen den neuesten Trends in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Die Verabschiedung der überarbeiteten VIAC-Regeln wird daher die Popularität des VIAC als Option zur Streitbeilegung verstärken – auch in Bezug auf Russland-bezogene Streitigkeiten”, so Mag. Andreas Daxberger, Rechtsanwalt und Partner im Wiener Büro von DLA Piper.
Fotos: beigestellt
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