Rechtsprojekt Olympiade London

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Manche Projekte sind so umfangreich und besonders, dass man sie näher beleuchten muss. Ein besonders spannendes Abenteuer wird von Freshfields Bruckhaus Deringer betreut und lockt derzeit in London – die Olympischen Sommerspiele 2012!

Redaktion: Hr. Dr. Zottl, warum zeigt die Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer im Rahmen der Olympischen Spiele in London 2012 so großes Engagement?

Dr. Thomas Zottl: Die Olympischen Spiele und die Paralympics in London in diesem Sommer stellen in der Komplexität ihrer rechtlichen Struktur eine große Herausforderung für unsere Anwaltskanzlei dar. Die Vielschichtigkeit eines derartigen Großereignisses ist ohne Beispiel. Naturgemäß gibt es keine Vorlagen, Musterverträge oder standardisierte Checklisten, aus denen sich entnehmen lässt, welche rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Olympischen Spielen zu beachten sind. Ein Schwerpunkt unserer Sozietät liegt im Projektgeschäft und in der Transaktionsberatung. Hier können wir zeigen, dass wir in der Lage sind, sämtliche rechtliche Themen zu lösen, die bei Großprojekten – auch so außergewöhnlichen – anfallen.

Im Fall von Olympia 2012 reicht das vom Immobilienrecht – sprich: Stadionneubauten, Widmungsfragen, Anmietung bestehender Sportstätten wie Wimbledon für die Tennisveranstaltung – über Transportrecht, Spielerverträge, Medienrecht und Sponsoring, Datenschutz, Markenlizensierung, der Einrichtung von Schiedsgerichten bis hin zu arbeitsrechtlichen, vergaberechtlichen und steuerlichen Themen. Wir arbeiten sehr eng mit dem In-House Legal Team des Organisationskomitees der Olympischen und der Paralympischen Spiele zusammen. Dieses Komitee, genannt ‚LOCOG’ für London Organising Committee of the Olympic and Paralympic Games muss im Rahmen der Spiele rund 10.000 Verträge bewältigen. Da unsere Sozietät länderübergreifend und spezialisiert arbeitet, passt das gut mit den Anforderungen dieses sportlichen Großereignisses überein. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir hier mit unserem Know-how dem Olympischen Komitee von Anfang an beratend zur Seite stehen konnten.

Zwei Gründe, warum wir – übrigens in einem kompetitiven Vergabeverfahren – für die Beratung ausgewählt wurden, sind unser besonders breites Spektrum an juristischen Leistungen und die Personalreserve, die wir dem LOCOG bieten können. Allein in den letzten Monaten waren bis zu 30 unserer Mitarbeiter ausschließlich für LOCOG tätig, um die interne Rechtsabteilung zu unterstützen.

Redaktion: Was heißt von Anfang an? Wann haben Sie die Rechtsberatung übernommen?

Zottl: Im Grunde genommen sind wir schon seit 2003 hier engagiert, damals, als sich London als Austragungsort beworben hat. Tim Jones, damaliger Managing Partner von Freshfields London, bekam einen Anruf vom Direktor des Bewerbungskomitees. Wir wurden in einen Anbieterprozess eingeladen, und wir freuen uns sehr darüber, dass wir damals als einzige Anwaltskanzlei ausgewählt wurden.

Beinahe zehn Jahre später hat sich global viel geändert. Die ganze Welt blickt nun durchaus kritisch auf London. London 2012 ist daher auch eine unglaubliche Chance für ein hoch entwickeltes und reifes Rechtssystem, verglichen mit anderen Gastgeberländern großer Sportevents wie China, Südafrika, Korea oder Russland.

Redaktion: Sie verlangen für die Beratung kein Geld, haben dafür aber das Recht, als Sponsor aufzutreten. Könnte das nicht so gewertet werden, dass die Beratung – das wichtigste Instrument einer Anwaltskanzlei – heutzutage nichts mehr wert ist

Zottl: Böse Zungen mögen das behaupten und unserer Strategie skeptisch gegenüberstehen. Zu behaupten, die Beratung sei nichts wert, wäre allerdings absurd. Gerade bei – vor allem sportlichen – Großereignissen, die immer intensiver die Aufmerksamkeit der ganzen Welt genießen, ist die Rechtsberatung ein sehr wichtiges Instrument dafür, eine professionelle Abwicklung sicherzustellen und Risiko zu vermeiden.

Im Übrigen hat sich dieses Investment auch für uns bereits an mehreren Stellen gelohnt. So wird unser Olympics 2012-Engagement auf Recruitment-Veranstaltungen von Bewerbern und jungen Anwälten positiv wahrgenommen und als Beitrag zur ’Community’ angesehen. Zudem hat es Freshfields auch aufgrund der unschätzbaren Praxiserfahrung aus London 2012 auf die Panels von weiteren Großveranstaltungen geschafft.

Zuletzt wollten wir unsere Marke und unser Netzwerk, die bisher vorwiegend Insidern aus der Geschäfts- und Finanzwelt bekannt waren, bei einem breiteren Publikum einführen

Redaktion: Die Olympischen Spiele sind für das Marketing eines Unternehmens bestimmt Gold wert. Hand aufs Herz: Geht es Ihnen nur ums Prestige?

Zottl: Nein, Olympia ist weit mehr als eine reine Imagekampagne. Die Erfahrungen, die wir bei diesem Großereignis sammeln, sind relevant für alle großen Transaktionen und Infrastrukturprojekte weltweit. Ginge es nur ums Prestige, hätten wir auch ein normales Sponsorship kaufen können. So zeigen wir, dass wir zusätzlich die rechtlichen Herausforderungen bewältigen können. Und das ist uns eine Ehre. Es geht aber nicht nur um Außenwirkung: Auch innerhalb der Sozietät hat es eine stark verbindende Wirkung. Es lässt niemanden im Office kalt, jeder engagiert sich auch emotional, und wer im Londoner Büro nicht soviel von Sport hält, dem geht es mehr um den paralympischen oder kulturell olympischen Gedanken. In einer so großen, nach außen stark fokussierten Rechtsanwaltskanzlei braucht es auch greifbare Themen und Engagements wie diese, die nach innen wirken. Nicht zu vernachlässigen ist das auch in puncto Recruitment. Die jungen Juristen, die bei uns tätig sind oder die wir heute aufnehmen, werden diese spannende Herausforderung erster Hand mitbekommen.

Und insofern geht es uns auch ganz klar ums Prestige. Lord Sebastian Coe, der berühmte Mittelstreckenläufer und Vorsitzende des LOCOG, hat Freshfields in diesem Zusammenhang lobend erwähnt: „There’s no template for an Olympic Games in a new city – this city has never done it before in anyone’s professional memory. In my opinion, if Freshfields can do this then it can demonstrate to clients and potential recruits that it is a firm that can handle anything.“ [„Es gibt keinerlei vertraute Routinen, wenn man Olympische Spiele mitten in einer Metropole aufziehen will – und zwar aus dem Nichts, weil niemand in London sich an das letzte Mal erinnern kann. Indem Freshfields diese Aufgabe meistert, kann die Kanzlei ihren Mandanten und Bewerbern beweisen, dass sie jeder außergewöhnlichen Aufgabe gewachsen ist“]. Dieses Lob bedeutet uns viel.
Wirtschaftsblatt: Welche Dimension umfasst Ihre rechtliche Beratung?

Zottl: Die Liste der rechtlich relevanten Punkte, die eine Anwaltskanzlei vor große Herausforderungen stellt, ist bei einem Ereignis wie den Olympischen Spielen ziemlich lang. Es lässt somit sicher nicht verwundern, dass sich 300 unserer Anwälte um die Rechtsbelange in London kümmern. Wir reden hier von tausenden geleisteten Arbeitsstunden, auch mehrere österreichische Anwälte sind damit am Rande beschäftigt. Es ist insgesamt eine große Herausforderung, die rechtlichen Belange so vieler unterschiedlicher Menschen auf einen Nenner zu bekommen. Nur als Beispiel: Wir mussten die Einreise- und Visabestimmungen für beinahe sämtliche Länder der Welt prüfen, damit sichergestellt ist, dass auch allen Teilnehmern und Betreuern die Ein- und Ausreise nach England möglich ist. Für die Zeit der Spiele selbst wird eine besonders spannende Herausforderung sein, Ambush-Marketing zu verhindern.

Redaktion: Was genau versteht man unter Ambush-Marketing?

Zottl: Das sind Marketingaktivitäten, die darauf abzielen, die mediale Aufmerksamkeit eines Großereignisses auszunutzen, ohne selbst Sponsor der Veranstaltung zu sein. Eine wichtige Aufgabe ist es somit, Großsponsoren der Olympischen Spiele vor Mitbewerbern zu schützen, die ihre Marken bei den Spielen präsentieren wollen, ohne dafür zu zahlen. Diese Form des Marketings hat in den vergangenen Jahren leider sehr stark zugenommen, und wir müssen damit rechnen, dass Ambush-Marketing in London einen neuen Höhepunkt erreichen wird.

Redaktion: Ist es nicht so, dass diese Art des Marketings teils sogar legal ist? Wie wollen Sie dagegen vorgehen?

Zottl: Wichtig ist zuerst einmal, dass aus vergangenen Veranstaltungen gelernt wurde und Ambush-Marketing nunmehr bereits antizipiert wird. Gemeinsam mit LOCOG bereiten wir ein Maßnahmenpaket dagegen vor. Dazu gehört etwa, dass versucht wird zu verhindern, dass die in den Stadien zugelassenen Fernsehsender über Ambush-Marketing breit berichten, was naturgemäß genau das ist, was durch diese Aktivitäten bezweckt wird. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, Personen, die sich an Ambush-Marketing beteiligen, durch geeignete Maßnahmen aus dem Stadion zu verbannen. Auch haben wir – soweit möglich – einstweilige Verfügungen vorbereitet und im Vorfeld Zuständigkeitsfragen geklärt, damit im Bedarfsfall schnell gehandelt werden kann. Ambush-Marketing ist in England inzwischen ein Verwaltungsstrafdelikt, und auch zu dieser Gesetzesänderung haben wir beraten. Insgesamt ist diese Aufgabe nicht leicht, und absolute Sicherheit kann niemand garantieren. Der Veranstalter der Olympischen Spiele schuldet es aber seinen Hauptsponsoren, sich bestmöglich gegen solche Attacken zu wehren.

Redaktion: Verfolgen Sie weitere Ziele in Bezug auf große Sportereignisse?

Zottl: Sportevents und andere Großveranstaltungen nehmen ständig an Bedeutung und Komplexität zu, was auch mit immer größeren Herausforderungen an die Rechtsberatung verbunden ist. Das ruft uns natürlich auch in Zukunft auf den Plan. Freshfields sicherte sich – nicht zuletzt aufgrund unserer Erfahrung mit LOCOG – bereits den Auftrag für einen Teil der Rechtsberatung für die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi, den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro, den Winterspielen 2018 in Südkorea und bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Ich bin überzeugt, dass auch in Österreich eine professionelle rechtliche Beratung bei sportlichen Großereignissen an Bedeutung gewinnen wird.

Redaktion: Danke für das Interview.

www.freshfields.com

Das Interview führte Walter J. Sieberer

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